Brave-Tochter-Syndrom Brave-Tochter-Syndrom: Und dann kommt der große Knall

Schwäbisch Hall/dpa. - Manche Frauen funktionieren einfach:Bei der Arbeit erledigen sie die Aufgaben der erkrankten Kolleginmit, nachmittags helfen sie den Kindern bei den Schularbeiten, abendsgeben sie ihrem Mann Ratschläge für den Job. Besonders geliebt werdensie dafür nicht. Und häufig kommt es irgendwann zum großen Knall.
Tüchtige Frauen sind Perfektionisten: «Ihr Verhalten ist durchhohe Erwartungen an sich selbst und ein ausgeprägtesVerantwortungsgefühl bestimmt», erklärt Beate Scherrmann-Gerstetter,Diplom-Pädagogin und Buchautorin aus Schwäbisch Hall. Was positivklingt, kann nerven. Denn tüchtige Frauen sehen Probleme, wo sichandere überhaupt noch keine Gedanken gemacht haben. Und tüchtigeFrauen wissen natürlich auch, was für andere am besten ist.
«Eigentlich wollen tüchtige Frauen hören: "Toll, wie du das allesschaffst"», erklärt Christine Weiner, Autorin und Beraterin ausMannheim. «Tüchtige Frauen haben ein geringes Selbstwertgefühl unddefinieren sich deshalb über die Anerkennung durch andere», so derebenfalls aus Mannheim stammende Diplom-Psychologe Rolf Merkle.
Damit nicht genug: Tüchtige Frauen erwarten insgeheim auch, dassandere nett zu ihnen sind. Grummelt der Mann schlecht gelaunt vorsich hin, sehen sie das als Beleidigung. «Die denken dann: "Das istso ungerecht. Ich mache so viel für ihn, er könnte sich wenigstenszusammen nehmen"», sagt Scherrmann-Gerstetter.
Sich zusammennehmen und anderen nicht zur Last fallen, das habentüchtige Frauen früh gelernt. Beate Scherrmann-Gerstetter nennt sie«brave Töchter». «Brave Töchter haben in der Kindheit schon etwasgeleistet.» Sie wollten ihre - aus welchen Gründen auch immer -belasteten Eltern unterstützen und es ihnen leicht machen.
Für diese Frauen sei es daher selbstverständlich, für anderemitzudenken und zu funktionieren. Das kann viele Jahre gut gehen,doch oft kommt irgendwann der große Knall. Manchmal wird die Krisevon außen ausgelöst - etwa wenn der Mann plötzlich eine Freundin hat.«Es werden mehr tüchtige Frauen verlassen als untüchtige», sagtWeiner. Denn Tüchtigkeit sei überhaupt nicht sexy.
Der erste Schritt aus dem «Tüchtigkeitskreislauf» ist die Suchenach den Ursachen. «Was weiterhilft ist, sich im Verhältnis zu deneigenen Eltern neu zu positionieren», rät Scherrmann-Gerstetter.«Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass Sie das Schicksalihrer Eltern ändern können und dass Sie es allen recht machen müssen,um geliebt zu werden.» Christine Weiner empfiehlt, die eigenen Rollenzu überdenken: «Welche Rollen haben Sie? Welche sind besonders starkausgeprägt?» Fließt zu viel Energie in die Rolle derHaushaltsmanagerin, sollte sich das ändern.
Dazu gehört, nicht alles regeln zu wollen und offen für dieAnsichten anderer zu sein. «Versuchen Sie nicht immer die Lösung füralles parat zu haben», rät Weiner. Und schließlich ist wichtig, dieeigenen Ansprüche runter zu schrauben, sagt die Autorin. «Von"perfekten" Menschen kann Druck ausgehen. Schwächen zuzugeben, machtmenschlich - vielleicht werden Sie sogar mehr geliebt, wenn Sie nichtso tüchtig sind.»
Literatur: Beate Scherrmann-Gerstetter, Manfred Scherrmann: DasBrave-Tochter-Syndrom, Herder Spektrum, ISBN-13: 978-3-451-05674-1,8,90 Euro; Rolf Merkle: Laß Dir nicht alles gefallen, Pal, ISBN-13:978-3923614356, 12,80 Euro; Christine Weiner, Carola Kupfer: DasPippilotta-Prinzip, Campus, ISBN-13: 978-3593377681, 16,90 Euro.