Uhhhh, Unwetter! Blitz, Donner, Panik? Das hilft gegen Gewitter-Angst
Vor Gewittern fürchten sich nicht nur Kinder: Auch Erwachsene leiden darunter, bis hin zur Phobie. Was kann man akut machen, um sie zu lindern, wie eine Phobie behandeln? Ein Psychologe erklärt es.

Wien - Dunkle Wolken am Himmel, ein lauter Knall – und Panik breitet sich aus: Viele Menschen fürchten sich stark vor Gewittern. Wann diese Angst behandlungsbedürftig ist und wie man sie loswerden kann, erklärt der Psychologe Johannes Lanzinger.
Frage: Was unterscheidet eine „normale“ Nervosität bei Unwettern von einer behandlungsbedürftigen Angst oder Phobie?
Johannes Lanzinger: Eine „normale“ Nervosität bei Gewittern ist weit verbreitet – ein lauter Donner oder ein greller Blitz kann viele Menschen kurzzeitig beunruhigen. Von einer Phobie, einer sogenannten Astraphobie oder Brontophobie, spricht man jedoch, wenn die Angst übermäßig stark ist und den Alltag einschränkt. Betroffene erleben oft körperliche Symptome wie Herzrasen, Zittern, Schwitzen oder Atemnot, sobald ein Gewitter naht oder auch nur die Wettervorhersage Unwetter ankündigt.
Typisch ist auch ein starkes Vermeidungsverhalten, zum Beispiel das Meiden von Outdoor-Aktivitäten oder das ständige Überprüfen von Wetter-Apps. Eine Phobie liegt vor, wenn die Angst unverhältnismäßig ist und das Leben spürbar beeinträchtigt, etwa durch Panikattacken oder die Unfähigkeit, bei Gewittern ruhig zu bleiben.
Frage: Gibt es typische Auslöser oder Ursachen für diese Form der Angst? Sind manche Menschen „anfälliger“ dafür, oder auch für Phobien allgemein?
Gewitterangst ist nicht nur etwas für Kinder – sie betrifft Menschen jeden Alters. Typische Auslöser können traumatische Erlebnisse sein, wie ein Blitzschlag in der Nähe oder ein besonders bedrohliches Unwetter in der Kindheit. Auch erlernte Verhaltensweisen, etwa durch ängstliche Eltern, können eine Rolle spielen.
Manche Menschen sind generell anfälliger für Phobien, etwa aufgrund einer genetischen Veranlagung zu erhöhter Ängstlichkeit oder durch frühere Erfahrungen mit Kontrollverlust. Personen mit anderen Angststörungen oder einer sensiblen Stressreaktion neigen eher dazu, spezifische Phobien wie die Angst vor Gewittern zu entwickeln. Die Unvorhersehbarkeit von Gewittern verstärkt oft das Gefühl der Hilflosigkeit.
Frage: Welche konkreten Strategien oder Übungen helfen Betroffenen im Akutfall – also wenn ein Gewitter naht oder bereits da ist?
Im Akutfall helfen einfache, praktische Techniken, um die Panik zu reduzieren. Atemübungen sind sehr effektiv: Langsam und tief durch die Nase einatmen (4 Sekunden), den Atem kurz halten (4 Sekunden) und langsam durch den Mund ausatmen (6 Sekunden). Das beruhigt den Körper und lenkt den Fokus weg von der Angst.
Auch progressive Muskelentspannung, bei der man Muskelgruppen nacheinander anspannt und wieder loslässt, kann helfen. Eine weitere Strategie ist, sich auf eine konkrete Aufgabe zu konzentrieren, zum Beispiel etwas zu lesen oder Musik zu hören, um die Geräusche des Gewitters auszublenden.
Wichtig ist, Vermeidungsverhalten wie ständiges Überprüfen der Wetterlage zu reduzieren, da dies die Angst verstärken kann. Sichere Orte im Haus aufsuchen - etwa einen Raum ohne Fenster - kann ebenfalls beruhigend wirken.
Frage: Was sind bewährte therapeutische Ansätze, um eine Gewitterangst langfristig zu überwinden?
Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist der Goldstandard zur Behandlung von Gewitterangst. Sie hilft, negative Denkmuster wie „Gewitter sind immer gefährlich“ zu erkennen und durch realistischere Gedanken zu ersetzen. In der Therapie lernen Betroffene auch, die körperlichen Reaktionen der Angst besser zu verstehen und zu kontrollieren.
Ein zentraler Bestandteil ist die Konfrontationstherapie, bei der man sich gezielt mit der Angst konfrontiert, zum Beispiel durch Videos oder Geräusche von Gewittern, um zu lernen, dass Angst nicht gefährlich ist und die befürchteten Erwartungen nicht eintreten.
Frage: Die Konfrontation mit Gewitter ist nicht so planbar möglich wie etwa mit Höhe. Flugangst etwa wird auch mit Konfrontation via Virtual Reality (VR) behandelt. Funktioniert diese Methode auch bei Gewitterangst, und für wen ist sie geeignet?
Ja, wir nutzen Virtual Reality, um Betroffene sicher und kontrolliert mit ihrer Angst zu konfrontieren. In verschiedenen VR-Umgebungen simulieren wir realistische Gewitterszenarien – vom leichten Regen bis hin zu heftigen Blitzen und Donner. Die Intensität wird schrittweise gesteigert, sodass sich die Patient:innen langsam an die angstauslösende Situation herantasten können. Der Vorteil: Alles findet in der sicheren Umgebung unserer Praxis statt. Unser Gehirn reagiert auf die visuellen und akustischen Reize in VR ähnlich wie in der Realität, was die Konfrontation sehr effektiv macht.
Diese Methode eignet sich für fast alle, die bereit sind, sich ihrer Angst zu stellen – unabhängig von Alter oder Schweregrad der Phobie. Besonders hilfreich ist VR für Menschen, die sich eine reale Konfrontation - noch - nicht zutrauen, da die Umgebung kontrollierbar bleibt.
Zur Person: Johannes Lanzinger ist Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe und arbeitet bei Phobius in Wien an der Behandlung verschiedener Ängste mit Hilfe von Virtual Reality.