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Alzheimer: «Es gibt ein Leben nach der Diagnose»

Von Annett Gehler 09.10.2008, 13:59

Erfurt/dpa. - Am Anfang wollte Christian Zimmermann die Veränderungen nicht wahrhaben. Der Unternehmer - der in München einen Familienbetrieb führte - arbeitete ungenau, machte Fehler.

Es folgten zwei kurze Zusammenbrüche, ausführliche Untersuchungen und schließlich im Alter von 56 Jahren die furchteinflößende Diagnose: Alzheimer. Zunächst fühlte sich Zimmermann wie gelähmt. «Es hat gedauert, bis ich es akzeptieren konnte», berichtet er in abgehackten Sätzen zum Auftakt des Kongresses (9. bis 11. Oktober) der Deutschen Alzheimer Gesellschaft in Erfurt. «Die Krankheit ist grausam, weil sie nicht aufzuhalten ist.»

Derzeit leiden nach Angaben der Selbsthilfeorganisation rund 1,1 Millionen Menschen in Deutschland an einer Demenzerkrankung, die meisten davon an Alzheimer. Die Tendenz ist steigend. Aufgrund der höheren Lebenserwartung wird bis 2050 bereits mit 2,6 Millionen Demenzkranken gerechnet. «Alter ist der größte Risikofaktor», sagt die Erste Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Heike von Lützau-Hohlbein. Die Patienten verlieren nach und nach ihr Gedächtnis: Worte gehen verloren, Erinnerungen werden ausgelöscht, die Orientierung schwindet.

«Auf ihren schweren Weg in eine immer kleinere Welt - in Vergessen und Haltlosigkeit - werden zwei Drittel der Betroffenen von ihren Angehörigen zum Teil bis zur Selbstaufgabe begleitet», erklärt von Lützau-Hohlbein. Notwendig sei eine bessere Versorgung der Kranken sowie eine umfassendere Unterstützung ihrer Angehörigen. Es gehe aber auch um verstärkte Anstrengungen in der Forschung. «Denn die Zeit drängt.» Die rund 800 Teilnehmer wollen auf der dreitägigen Tagung in Erfurt daher außerdem über neue Ansätze in der Medizin diskutieren.

Auch 100 Jahre nachdem der Neurologe Alois Alzheimer als erster die Symptome als ein eigenes Krankheitsbild beschrieb, sind Demenzerkrankungen nicht heilbar. «Wir brauchen eine Behandlung, die die Krankheit an der Wurzel packt», beschreibt der Professor am Adolf-Butenandt-Institut der medizinischen Fakultät in München, Christian Haas, das Problem. Die derzeitigen Therapien im Kampf gegen das Vergessen seien nur begrenzt wirksam. Sie zögerten das Fortschreiten von Alzheimer zwar hinaus, könnten aber den Krankheitsverlauf an sich nicht ändern. Trotzdem sei die Forschung weit gekommen, verweist Haas etwa auf hoffnungsvolle Ansätze mit Impfungen gegen Alzheimer, die derzeit noch in Studien erprobt werden.

«Bei Alzheimer-Patienten schrumpft das Gehirn, es vertrocknet regelrecht», sagt Haas. Auslöser der unheilvollen Kaskade, die Schritt für Schritt zum Absterben der Nervenzellen führe, sei das kleine, klebrige und giftige Eiweiß Amyloid. Die derzeitigen Behandlungsstrategien setzten jedoch an der Endstrecke der Krankheit an, erläutert der Münchner Arzt und Forscher Alexander Kurz. Neue therapeutische Prinzipien versuchten nun, früher in den Prozess des allmählichen Nervenzelluntergangs einzugreifen. Aber auch nach Ansicht von Kurz wird die Entwicklung neuer, wirksamerer Arzneimittel noch einige Jahre in Anspruch nehmen.

Christian Zimmermann hat sich, wie er sagt, nach seiner Diagnose «ein neues Leben gebaut». Er gestand Freunden, dass ihn sein Gedächtnis in Stich lässt. Auch die Verkäuferin im Stammgeschäft weiß Bescheid und bringt des öfteren die vergessene Einkaufstüte nach. In seine Firma kommt er nur noch zu Besuch, dafür hat er ein neues Hobby entdeckt, das Theaterspielen. «Es ist meine Zeit, die mache ich so schön und so lang wie möglich», sagt er. «Es gibt ein Leben nach der Diagnose.»

Weitere Informationen: www.deutsche-alzheimer.de