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Adventszeit kann Kaufsucht-Verhalten fördern

10.12.2008, 11:14

Bochum/Münster/dpa. - Lichterglanz in den Kaufhäusern, Schnäppchen und Weihnachtsshopping: In der Adventszeit sind die Anreize für Kaufsucht-gefährdete Menschen aus Expertensicht besonders stark ausgeprägt.

«Viele reden gerade jetzt vom Ankurbeln des Konsums in Deutschland. Aber das kann auch ein problematisches Einkaufsverhalten fördern», warnt der Kaufsucht-Experte Marc-Andreas Edel von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Bochum. Bei Menschen hingegen, die ohnehin schon an der Sucht litten, sei das Kaufverhalten eher entkoppelt von äußeren Einflüssen. «Da ist es egal, ob Weihnachten vor der Tür steht oder nicht», sagte der Psychotherapeut in Münster.

In der Gesellschaft wird gerne über den «weiblicher Kaufrausch» gespottet. Doch die Zahl der krankhaft Kaufsüchtigen hat sich nach Schätzungen in den vergangenen Jahren erhöht, «es wird derzeit von bis zu acht Prozent der Bevölkerung ausgegangen», sagte Edel. Im Trend zum Einkaufen im Internet sieht er eine Mitursache dafür. Betroffen seien meist ängstliche, bedrückte und unsichere Menschen - beiderlei Geschlechts.

Kaufsucht ähnelt nach den Worten des Experten der Spielsucht und zählt am ehesten zu den psychischen Impulskontrollstörungen: Betroffene können dabei ein bestimmtes impulsives Handeln nicht steuern. Neuerdings werde aber auch von «Verhaltenssucht» gesprochen: «Es ist ein exzessives, zwanghaftes Verhalten. Der Impuls zum Kaufen ist nicht mehr kontrollierbar.» Weitere Merkmale einer solchen Sucht: Bei den angeschafften Dingen, die das eigene Budget oft deutlich übersteigen, handele es sich meist um völlig Unnützes, das nicht gebraucht, nur gehortet werde.

Ähnlich wie bei der Alkohol-Abhängigkeit könnten auch Entzugserscheinungen wie innere Unruhe oder «Dosis-Steigerungen» auftreten, wenn sich der erhoffte Effekt nicht mehr einstellt. Und: «Dem lustvollen Start zum Shopping folgen Schuldgefühle, Scham und auch Depressionen.»

Da das Thema Kaufsucht sehr schambehaftet sei und die Sucht - in diesem Fall anders als die Spielsucht - auch nicht als Krankheit anerkannt sei, müsse von einer großen Dunkelziffer an Betroffenen ausgegangen werden. Der Psychiater riet Betroffenen und Angehörigen zu einem offenen Umgang mit dem Thema und dem Schritt in eine Selbsthilfegruppe. Auch gebe es mittlerweile in Deutschland einige Ambulanzen, die sich der Behandlung von Kaufsucht annähmen - in Bochum ist eine solche nach Mitteilung des LWL mit Sitz in Münster in der ersten Jahreshälfte 2009 geplant.

LWL-Klinik Bochum: www.psychiatrie-bochum.de

Infos zum Thema Kaufsucht: www.kaufsucht.org