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Generations-Konflikt Generations-Konflikt: Gierige Kinder, genervte Eltern

14.11.2001, 09:57

Kassel/gms. - Laut der norwegischen Psychotherapeutin Reidunn Stuedahl hegt dieGeneration der heutigen Großeltern manchmal mehr Zuneigung zu denEnkeln als zu den eigenen Kindern. «Ohne unmittelbareErziehungspflichten können sie ihren liebevollen Gefühlen freien Lauflassen», schreibt Stuedahl in dem Ratgeber «Ein Glück, dass es Omaund Opa gibt».

Mit zunehmenden Alter werden Erwachsene gegenüber dem Nachwuchsverschwenderischer, sowohl in emotionaler als auch in materiellerHinsicht, bestätigt Professor Harald Euler, Psychologe an derUniversität Kassel. Der Grund entspringe einer simplen, biologischbedingten Kosten-Nutzen-Rechnung. «Es müssen keine Ressourcen mehraufgespart werden für Zukünftiges.»

Die größere Toleranz gegenüber den kleinen Wilden paart sich beiden Großeltern mit relativer Wohlhabenheit: Sie sind zumindestderzeit noch - gegenüber den Eltern häufig im Vorteil. Zwar istbeispielsweise das monatliche Haushaltsnetto-Einkommen der 65-bis70-Jährigen mit durchschnittlich 4392 Mark (2246 Euro) etwas geringerals das Einkommen der 25- bis 35-Jährigen, das bei durchschnittlich4622 Mark (2369 Euro) liegt. Aber dafür muss nicht mehr auf dieEigentumswohnung oder die Ausbildung der Tochter gespart werden.Entsprechend sinkt auch die Sparquote bei den über 65-Jährigendeutlich, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbadenfür das Jahr 1998 zeigen.

Doch die wichtigste Frage beim Beschenken von Enkeln solltenicht lauten «Was kann ich mir leisten?», sondern «Was braucht einKind, um gut zu leben?», fordert Albert Wunsch, Sachbuchautor undLeiter des Katholischen Jugendamtes in Neuss (Nordrhein-Westfalen).Dazu gehöre in der heutigen Zeit an erster Stelle Zeit und Zuwendung.

Wichtig sind laut Wunsch aber auch Tugenden, wie den Wert derDinge zu erkennen, zu wissen, dass man für Geld hart arbeiten mussund die Fähigkeit, Bedürfnisse auch einmal aufschieben zu können.«Aber viele Großeltern wollen lediglich das leuchtende Kinderlächelnsehen. Dafür werfen sie wie bei einem Automaten Geschenke ein, dannstrahlt das Kind, und wenn das Strahlen aufhört, wird das nächsteGeschenk nachgeworfen.» Das sei Egoismus, getarnt als Großzügigkeit.

Letztlich haben die Eltern die Verantwortung für das Aufwachsender Kinder, erinnert Anne-Kathrin Mayer, promovierte Psychologin ander Universität Trier. «Wenn besonders spendable Großeltern sichregelmäßig über die Wünsche der Eltern hinwegsetzen, wirft dasfamiliäre Strukturen durcheinander, die für die Kinder wichtig sind»,warnt die Wissenschaftlerin.

Die Sachbuchautoren Ruth Westheimer und Steven Kaplan raten, beigrößeren Anschaffungen mit den Eltern zu sprechen. So könne auchvermieden werden, dass zu Weihnachten dasselbe Präsent in zweifacherAusführung unter dem Gabentisch liegt. Wer weit entfernt wohne, könnesich mit solchen Gesprächen zudem über die augenblicklichenInteressen der Enkelkinder auf dem Laufenden halten.

Wer mehr als ein Enkelkind hat, muss sich zudem Gedanken über eine«faire Geschenkpolitik» machen, fordern Westheimer und Kaplan. LautPsychologie-Professor Euler zeigen US-amerikanische Studien, dassGroßeltern ihre einzelnen Enkelkinder durchaus unterschiedlichbedenken: Regelmäßig ist die Großmutter mütterlicherseits bei derVergabe von materiellen Mitteln am großzügigsten. An letzter Stellesteht der Großvater väterlicherseits. Hintergrund sei unter anderemdie Tradition der besonderen Verbundenheit zwischen Müttern undTöchtern, die sich im Laufe der Evolution herausgebildet habe.