Gedankenkarussell - Wenn an Schlaf nicht mehr zu denken ist
Mannheim/dpa. - Nach einem langen Tag sich wohlig ins Bett kuscheln, die Augen schließen und in wenigen Minuten einschlafen - für viele Menschen ist das ein Wunschtraum. Anstatt zur Ruhe zu kommen, wälzen sie im Bett stundenlang Gedanken.
«Der zunehmende berufliche und private Stress, dem viele Menschen ausgesetzt sind, erschwert einen gesunden Schlaf», erklärt Michael Schredl, Psychologe am Zentralinstitut für seelische Gesundheit der Universität Mannheim.
Ob Probleme oder unerledigte Aufgaben im Beruf, Zukunftsängste oder auch nur Kleinigkeiten des Alltags - besonders nachts kreisen Gedanken im Kopf. «In der Hektik des Tages sind wir ständig abgelenkt», sagt Schredl. Erst im ruhigen Umfeld des Schlafzimmers können die Gedanken mit voller Kraft in das Bewusstsein dringen.
«Besonders Frauen neigen zum nächtlichen Grübeln, können schlecht abschalten», sagt Daniel Gassmann, Schlaftherapeut an der Universität Bern. «Frauen nehmen sich Konflikte stärker zu Herzen als Männer, wollen unbedingt Lösungen finden.» Gefährdet sind vor allem Menschen, die sich starke Sorgen um ihren Schlaf machen. Wenn die Gedanken kreisen und der Blick auf die Uhr die schwindende Schlafzeit dokumentiert, entsteht zusätzlicher Druck.
Wer sich nicht mehr in den Kissen hin und her wälzen möchte, sollte zunächst den eigenen Alltag überprüfen. «Oft sind es immer die gleichen Stressquellen, die für Schlaflosigkeit sorgen», sagt Gassmann: Zu viele Termine und zum Abschluss stundenlanges Fernsehen. «Nach so einem Tag geht man komplett reizüberflutet ins Bett.»
Um wirklich entspannt in den Schlaf gleiten zu können, müssen Körper und Geist zur Ruhe kommen. «Nutzen Sie die Zeit vor dem Zubettgehen, um bei sich anzukommen», rät Carin Cutner-Oscheja, Diplom-Psychologin aus Hamburg. Besser als fernsehen sind feste Entspannungsrituale: ein heißer Kräutertee, ein Bad oder das Lesen eines Buches. «Nutzen Sie den Feierabend für Tätigkeiten, die Ihnen helfen, langsam runterzukommen.»
Wenn Sorgen oder Ängste das Leben schwer machen, helfen feste Grübelzeiten am Tag. «Nehmen Sie sich bewusst Auszeiten, um nachzudenken und nach Lösungen zu suchen», rät Gassmann. Denn egal, wo der Schuh drückt - wenn die Gedanken tagsüber Raum bekommen, tauchen sie in der reizarmen Umgebung des Bettes seltener auf.
Besonders hilfreich ist Tagebuch-Schreiben, sagt Cutner-Oscheja. «Schreiben Sie alle Gedanken auf, die Ihnen Kopfzerbrechen bereiten.» Danach wird das Buch zugeklappt und weggelegt. «Jetzt können Sie sich sagen: Für heute habe ich alles getan, was ich tun konnte. Der Rest folgt morgen.»
Literatur: Ute Lauterbach: Raus aus dem Gedankenkarussell, Kösel, ISBN 978-3-466-30651-0, 15,95 Euro; Susan Nolen-Hoeksema: Warum Frauen zu viel denken. Wege aus der Grübelfalle, Heyne, ISBN 978-3-453-67009-9, 7,95 Euro.
INFO: 20 Minuten bis zum Einschlafen sind normal
Zehn bis 20 Minuten beträgt die normale Einschlafzeit. Manche Menschen brauchen jedoch auch bis zu 30 Minuten. «Wenn es ab und zu länger dauert, muss man sich keine Sorgen machen, auch das ist normal», sagt Michael Schredl, Psychologe am Zentralinstitut für seelische Gesundheit der Universität Mannheim. Bedenklich wird es allerdings, wenn Schlafprobleme mehrmals in der Woche auftreten und über einen Zeitraum von einem Monat anhalten. Nächtliches Grübeln könne schnell chronisch und so zu einer dauerhaften Belastung werden.