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Führerschein als Krankenkarte Führerschein als Krankenkarte: Fahrerlaubnis hängt von Gesundheit ab

Von Heiko Haupt 01.07.2003, 09:32

Stuttgart/Berlin/dpa. - Der aktuelle EU-Führerschein ist ein Geheimnisträger. Die kleine Plastikkarte verrät nicht nur, welches Fahrzeug der Fahrer steuern darf, sondern auch, ob auf Grund bestimmter Krankheiten oder Behinderungen Einschränkungen zu beachten sind. Während solche Angaben auf dem alten grauen «Lappen» für den Inhaber gut erkennbar waren, verbergen sie sich nun jedoch hinter Zahlenkürzeln auf der Rückseite. Allerdings ist dort in der Regel nur vermerkt, was zum Zeitpunkt der bestandenen Fahrprüfung bekannt war. Kompliziert wird der Zusammenhang zwischen Fahrerlaubnis und Krankheit, wenn später gesundheitliche Probleme auftreten.

Zu den wohl verbreitetsten Vermerken auf dem EU-Führerschein dürfte der Zahlenschlüssel «01.01.« gehören, der darauf hinweist, dass eine Brille zu tragen ist. Ist ein Fahrer mit einem solchen Vermerk ohne Sehhilfe unterwegs, begeht er laut dem Auto Club Europa (ACE) in Stuttgart eine Ordnungswidrigkeit und ihm droht ein Bußgeld.

Doch es gibt noch eine ganze Reihe weiterer und umfassenderer Einschränkungen, die sich hinter Zahlencodes verbergen. Sie können zum Beispiel besagen, dass der Fahrer nur bei Tageslicht unterwegs sein darf oder dass immer ein Beifahrer dabei sein muss. Ein Verstoß gegen bestimmte eingetragene Auflagen kann laut ACE sogar als Fahren ohne Fahrerlaubnis gelten und somit strafbar sein. «Die Behörden müssten im Grunde eine Beratungspflicht haben, weil bei den vielen Zahlenschlüsseln niemand mehr durchblickt», sagt Peter Glowalla von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände in Berlin.

All das bezieht sich ausschließlich auf die beim Erlangen der Fahrerlaubnis bekannten Probleme. Wer jedoch schon einen Führerschein hat und später eine Körperbehinderung oder Krankheit erleidet, steht vor anderen Sachverhalten. Einerseits hat er nach Angaben des ACE nicht die Pflicht, sich bei den zuständigen Behörden zu melden, um diese zu informieren. Laut Peter Glowalla muss im Grunde jeder selber entscheiden, ob er noch in der Lage ist, zu fahren.

Auf der anderen Seite ist jedoch die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zu beachten. Und dort heißt es in Paragraf 2: «Wer sich infolge körperlicher und geistiger Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet.»

Eine solche Vorsorge könnte zum Beispiel darin bestehen, bei der zuständigen Behörde freiwillig eine Meldung über die Erkrankung oder Einschränkung zu machen und ein fachärztliches Gutachten einzureichen, damit der Führerschein entsprechend geändert wird. In der Realität sieht es aber meist anders aus, so Klaus Keller, stellvertretender Untersuchungsstellenleiter der Gesellschaft für Arbeits-, Verkehrs- und Umweltsicherheit (AVUS) in Frankfurt/Main. Die AVUS ist eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle, die Medizinisch-Psychologische Untersuchungen (MPU) vornimmt.

«Wer eine Querschnittlähmung erleidet», so Keller, «wird sicher sein Auto entsprechend umbauen lassen.» Ob er auch der Führerscheinstelle eine Meldung macht, ist eine andere Frage. Dabei können laut dem ACE viele Erkrankungen zu einem Entzug der Fahrerlaubnis führen - epileptische Anfälle etwa oder Herzinfarkte, Hypertonie (Bluthochdruck), zahlreiche Durchblutungsstörungen oder verschiedene psychiatrische Erkrankungen. «Wenn die Führerscheinstelle zum Beispiel von einer Schizophrenie wüsste, würde sie den Fall prüfen - sie weiß es aber meist nicht», so Keller.

Ein Problem ist auch die Position der Ärzte. Sehen sie die Fahrtüchtigkeit eines Patienten nicht als gegeben an, stehen sie quasi zwischen den Stühlen - schließlich wollen sie grundsätzlich ihrem Patienten helfen. «Wenn der Mediziner seinen Patienten meldet, kann er wegen Verletzung der Schweigepflicht ein Strafverfahren riskieren», sagt Peter Glowalla. Von dieser Regel gibt es jedoch auch Ausnahmen. Zum Beispiel wenn sich der Patient trotz schwerster Bedenken des Arztes immer wieder hinters Lenkrad setzt.

«Laut dem Paragrafen 34 des Strafgesetzbuches ist der Arzt in bestimmten Fällen frei von der Schweigepflicht. Das gilt, wenn er das Gefühl hat, eine Gefahr zu verhindern. Es muss sich dabei aber schon um einen schwerwiegenden Fall handeln», sagt ACE Sprecher Rainer Hillgärtner. Doch solche Fälle sind wirklich die Ausnahme: Klaus Keller von der AVUS hat beispielsweise noch nie erlebt, dass ein Arzt einen Patienten zu einer MPU geschickt hat.

Wichtiger als ärztliche Eingriffe ist nach Meinung der Experten die Einsicht der Erkrankten. «Solche Eigenverantwortlichkeit ist aber bei uns noch recht unterentwickelt», meint Peter Glowalla. Auch Klaus Keller würde sich wünschen, dass Betroffene selbst die Initiative ergreifen. Denn noch sind gesundheitliche Gründe für die Abhaltung einer MPU zwar selten. «Es wird aber wohl zu einer Zunahme kommen, weil die Menschen immer älter werden.» Problematisch ist laut Keller, dass mancher Autofahrer gerade im Alter zunehmende Schwierigkeiten nicht bemerkt: «Einigen fällt gar nicht auf, dass sie langsamer fahren oder dass ihnen die Orientierung immer schwerer fällt.»