Frisuren Frisuren: Auf Dauer schöne Wellen
Halle/MZ. - Der Frisör aus dem Schwarzwald hatte nämlich das Ziel, glattes Haar dauerhaft zu wellen. Sein Versuchsobjekt war Katharina. Seine Instrumente waren chemische Substanzen und eine Zange, mit der er die hornförmig abstehenden Wickler auf Katharinas Kopf erhitzte.
Am 8. Oktober 1906 konnte der experimentierfreudige Schustersohn jubeln und Katharina Laible erlöst aufatmen: Nessler, der sich später Charles Nestlé nannte, präsentierte vor Kollegen in London, wo er nun lebte, die erste Dauerwelle. Dass der kreative Haarkrümmer die arme Katharina nach den haarigen Versuchen ehelichte, dürfte wohl das Mindeste gewesen sein, was er ihr schuldig war. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zur Dauerwelle, die anfangs ziemlich strapaziös und kostspielig war. So um die fünf Stunden dauerte eine Sitzung, bei der die verwandlungswillige Dame ein Dutzend elektrischer Heißwickler im Haar trug. Jeder Wickler wog fast ein Kilo. Während sich nur etwa 70 Britinnen pro Jahr von Nesslers Apparat die Haare krümmen ließen, waren die Frauen in Übersee ganz wild auf den heißen Dreh. Die gut betuchten Damen von New York, des Haarkräuslers neues Domizil, zahlten bis zu 120 Dollar für die Kunstlocken. Filmstars wie Greta Garbo machten in den 20er Jahren die dauerhaften Wellen, die Regen und Haarwäschen nicht glattspülen konnten, salonfähig und lösten eine Modewelle aus.
Auch die deutschen Frauen fanden Gefallen an der Krause, die sich durch technische Neuerungen immer effektiver herstellen ließ. So hatten 1927 Franz Ströher und seine Söhne Nesslers Patent für den Dauerwell-Apparat erworben und ihn weiterentwickelt. Er funktionierte nun mit ungefährlicher Stromspannung und reduzierte das Risiko körperlicher Blessuren während der Umformung wesentlich.
In den 40er Jahren blies den deutschen Figaros jedoch kräftig der Wind ins Gesicht. Weil die braunen Machthaber lieber bezopfte Mädels sahen als Wellen-Vamps und die Chemikalien für die Kriegsproduktion gebraucht wurden, verboten sie 1943 den Einsatz der Dauerwell-Apparate. Währenddessen gelang dem englischen Professor J. B. Speakman eine entscheidende Neuerung. Er verwendete organische Reduktionsmittel als Wellwirkstoffe. Jetzt konnte das Haar ohne Hitzezufuhr gekringelt werden. Nach Kriegsende setzte sich die Kaltwelle weltweit durch.
Die Popularität der Dauerwelle, die auch Männerköpfe eroberte, ist seither eine Wellenbewegung wie die Welle selbst. Mal zeigt sie sich großlockig oder stark gekräuselt, mal verschwindet sie, weil Glatthaar modern ist. Pünktlich zu ihrem 100. Geburtstag erlebt die Kunst-Welle, die seit einigen Jahren gegen ihr Oma-Image ankämpft, einen Aufschwung. Nach den "wash-and go"-Frisuren der 90er kommen die Locken wieder, weiß Jens Dagné, Sprecher der Friseurvereinigung "Intercoiffure Deutschland" und betont, dass sich seit der letzten Dauerwellen-Welle in den 80er Jahren die Produkte entscheidend verbessert haben. Friseurweltmeisterin Martina Acht aus Offenbach vergleicht die Dauerwelle von früher gern mit einer Silikonbrust. "Was wir heute machen, sind eher Push-ups fürs Haar", sagt die Haar-Künstlerin. Mit den Pudel-Frisuren von einst hat das längst nichts mehr zu tun. Und für schöne Wellen hat die tapfere Katharina Laible damals schließlich ihren Kopf hingehalten.