ZDF-Bahn-Check ZDF-Bahn-Check: Zwei Drittel unpünktlich - Im Verspätungs-Test fällt Bahn glatt durch

Wer mal morgens zur Rush-Hour mit der Bahn gefahren ist, kann diesen Eindruck wahrscheinlich bestätigen: Es scheint kaum etwas zu geben, das die Menschen in diesem Land so sehr eint wie die gemeinsame Wut auf die Deutsche Bahn. Da wird auf den Bahnsteigen gemotzt, in Zügen gemeckert und mit dem Bahnpersonal gestritten, über Zugausfälle, schlechten Service oder teure Fahrpreise.
Doch auch wenn es Spaß macht und Reisende zu kurzweiligen Kumpanen vereint, sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Die Frage ist: Ist die Bahn wirklich so schlecht, wie alle denken? Das wollten Journalisten der Dokumentationssendung „ZDFzeit“ in der Ausgabe „Der große Bahn-Check“ (ZDF, 18. Oktober, 20:15) klären - und sind dabei zu einem Schluss gekommen, der viele überraschen wird.
Ist die Bahn wirklich immer zu spät?
Um herauszufinden, was den Alltag von Bahnreisenden ausmacht, hat das ZDF verschiedene Testpersonen auf Reisen geschickt. Dabei ging es um Pünktlichkeit, Service, Essen, Sauberkeit und die Kosten.
Da die Deutsche Bahn selbst, wie im Report erklärt wird, Verspätungen recht großzügig berechnet – erst ab 15 Minuten ab dem Endbahnhof und 5 Minuten an Zwischenstationen gelten dort als Verspätung - hat das ZDF eigens eine App für Test-Bahnfahrer entworfen. Dort hätten „tausende Kunden“ ihre Daten mit Verspätungen und Pünktlichkeit ihrer Züge zwei Monate lang eingetragen. Wie viele Testpersonen es genau waren, lässt die Sendung offen, ebenso die Angabe darüber, in welchem Zeitraum der Test erfolgte.
Das Ergebnis des Umfrage-Tools allerdings zeigt genauere Zahlen: 795 Verspätungen, 470 davon überregional. Zwei Drittel aller angezeigten Fahrten im ZDF „Verspätungsmelder“ waren damit unpünktlich, die meisten davon im Fernverkehr und überwiegend in Westdeutschland - speziell in NRW. Ein Bahnsprecher kommentiert das im Film mit der Aussage, dass „es für das laufende Jahr eigentlich gut aussehe“, aber es im Bereich der „Pünktlichkeit“ noch Nachholbedarf gebe. Schuld seien oft die maroden Schienen oder der Güterverkehr, wird im Film erklärt.
Wo liegen die Gründe der Unpünktlichkeit?
Doch die Probleme der Unpünktlichkeit bei der Deutschen Bahn scheinen etwas komplizierter zu sein, wenn man einem Artikel des Wochenmagazins „Die Zeit“ glauben kann. Dort wurde in der letzten Woche ein ebenfalls groß recherchierter Hintergrund-Bericht zur Deutschen Bahn veröffentlicht, in dem die Reporter mit Bahnkunden, doch auch mit Bahnmitarbeitern – zum Teil anonym – gesprochen haben. In dem Text wird Rüdiger Weiß, der Leiter der Abteilung Fahrplan mit den Worten zitiert: „100 Prozent Pünktlichkeit zu erreichen ist ein Ding der Unmöglichkeit.“
Und ein Lokführer eines ICE sagt: „Wenn sich ein Zug stark verspätet, kann es sein, dass ein Lokführer in diese Pause hineinarbeitet – im Bahnhof muss er die Pause dann nachholen. Es kann also passieren, dass ein Zug so lange steht, bis die vorgeschriebene Pause vorbei ist. Der Reisende wird dann vertröstet mit Durchsagen wie ›Wegen Störungen im Betriebsablauf verzögert sich die Abfahrt‹ oder ›wegen Fahrzeugstörung‹, das wird dem Reisenden so verklausuliert wie möglich mitgeteilt.“
Trotz der recht hohen Zahl an getesteten Verspätungen entscheidet sich das ZDF übrigens trotzdem dafür, der Deutschen Bahn drei von fünf Punkten in diesem Test zu geben. Wie diese Quote sich zusammensetzt, wird dem Zuschauern nicht weiter erklärt.
Teuer, enttäuschender Service, aber gutes Essen
Ist die Bahn zu teuer?
Doch der ZDF-Test will nicht nur die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn bewerten. Es geht unter anderem auch um das Preis-Leistungsverhältnis. Dort schneidet die Bahn mit nur zwei von drei Punkten relativ schlecht ab. Auf vier verschiedenen Verkehrswegen sollen Testpersonen von Hamburg nach Düsseldorf fahren. Mit dem Auto, dem „Flixbus“, der privaten Bahn-Alternative „HKX“ und der Deutschen Bahn selbst. Beim Test ist der ICE am teuersten, aber am schnellsten. „Ankunft in Düsseldorf Hauptbahnhof – die Deutsche Bahn ist pünktlich. In diesem Testfall“, kommentiert die Sprecherin des Films. Der Fernbus ist günstig, aber braucht am längsten und der HKX hat 50 Minuten Verspätung.
Wie gut ist der Service bei der Deutschen Bahn?
Ebenso enttäuscht zeigen sich die Sendungsmacher vom Service der Deutschen Bahn. Der Film zeigt, wie Mitarbeiter in den Ticket-Verkaufsstellen den Kunden nicht immer den besten Preis anbieten, sondern versuchen, ihnen teurere Tickets zu verkaufen. Auch ein Zwischenfall mit einer Kontrolleurin in einem ICE lässt die Bewertung sinken. Die Mitarbeiterin schmeißt eine türkische Reisende, die schlecht Deutsch kann und ein falsches Ticket hat, mit den Worten aus dem Zug, dass die Polizei am Bahnsteig auf sie warte.
Außerdem entzieht sie ihr das Ticket für die reguläre Weiterfahrt zum Zielbahnhof. Am Bahnsteig ist keine Polizei zu sehen und die Frau hat weder Geld noch Ticket. Die Bahn kommentiert den Vorfall damit, dass die Mitarbeiterin das Ticket nicht hätte einziehen dürfen. Doch trotz dieser Ergebnisse reicht es nicht zu einer richtigen Kritik seitens des ZDF: „Ausbaufähig“ sei der Service, heißt es dann am Ende des Films.
Besser schneiden da schon das Essen und die Sauberkeit ab. Sternekoch Nelson Müller kostet das Essen der Bord-Restaurants im ICE und schaut hinter die Kulissen der Großküche – und scheint recht zufrieden zu sein, auch wenn überschwängliche Freude über gutes Essen wohl anders aussieht. Positiv überrascht sei er, vor allem von der Gazpacho, erklärt er in der Sendung.
Wie sauber ist es in der Bahn?
Ebenso positiv überrascht ist auch Reinier Mutters, Biomediziner der Universität Marburg. Er untersuchte Hygieneproben aus den Zügen, die Testpersonen in den Abteilen und im WC genommen haben. Fazit: Auch wenn die Toiletten teils eklig aussahen, wurden nur bei einem Test bedenkliche Bakterien gefunden. Ansonsten handele es sich bei der Deutschen Bahn um ein „sauberes Areal“, sagt der Wissenschaftler.
Alles in allem, so heißt es am Ende des 45-minütigen Films, „wird zwar viel gemeckert, aber oft auch unberechtigt.“ Ein recht allgemeingültiger Schluss, der vielleicht nicht alle Bahnreisenden besänftigen wird – aber manchen vielleicht eine andere Perspektive eröffnet hat.