Mitarbeiter packt aus Mitarbeiter packt aus: Der tägliche Wahnsinn am DB-Infoschalter

Dass es beim Reisen mit dem Zug drunter und drüber gehen kann, haben wir alle schon selbst erlebt: Streiks und Ausfälle, pöbelnde Fußballfans und verwirrende Bahnhöfe gehören zum täglich Brot von Zugfahrern. Wie es all den Bahn-Angestellten gehen muss, die mit unserem Frust umgehen müssen, darüber konnten wir bisher nur spekulieren.
Jetzt bringt ein Bahn-Mitarbeiter Licht ins Dunkel. In seinem Buch „Wofür sitzen Sie eigentlich hier?“ erzählt Andreas Schorsch höchst amüsante Anekdoten vom täglichen Wahnsinn im Düsseldorfer Hauptbahnhof.
Denn dort sitzt der Autor am sogenannten Service Point (der inzwischen wieder in „DB-Information“ umbenannt wurde) und ist die Anlaufstelle für alle Gestrandeten, Verwirrten und Verzweifelten. Aber auch für rotzfreche Teenager, cholerische Manager und Menschen mit höchst skurrilen Sonderwünschen.
Bloß nicht über Köln!
Da wäre zum Beispiel die Geschichte über den jungen Mann, der Andreas Schorsch vor eine fast unlösbare Herausforderung stellt: Der Kunde will von Düsseldorf nach Bonn reisen, aber dabei auf keinen Fall über Köln fahren. Schorsch erzählt, wie er zunächst noch motiviert versucht, den Mann mit der Domstadt-Abneigung umzustimmen. Als der Kunde aber partout nicht mit sich reden lässt, nimmt Schorsch erst einmal einen Schluck aus der 1.FC-Köln-Kaffeetasse, die er seit Beginn des Gesprächs hinter dem Tresen versteckt gehalten hatte. Schorsch beschreibt seinen Gegenüber als sichtlich geschockt („Der Mann bekommt rote Flecken im aschweißen Gesicht und ballt eine Faust in der Tasche“) – der Kunde beharrt jedoch weiter auf einer Köln-freien Reiseroute.
Und Schorsch wäre nicht Schorsch, wenn er diese kniffelige Aufgabe nicht lösen könnte – und zwar auf seine ganz eigene ironische Art und Weise: Er sucht dem Köln-Hasser eine achtstündige Verbindung von Düsseldorf über Hannover, Frankfurt Flughafen, Mannheim, Dortmund, Koblenz und schließlich nach Bonn heraus.
Aus Schorschs Zeilen klingt Stolz über diesen kreativen Einfall: „Ich nehme die Hände von der Tastatur wie ein erschöpfter und doch glücklicher Weltklassepianist, der gerade sein Konzert beendet hat. Warte auf Beifall von meinem Köln-Allergiker. Kommt aber nix. 'Das ist ein Meisterwerk!' sage ich.“ Das Ende der Anekdote: Zähneknirschend nimmt der junge Bahngast dann doch lieber den Regionalexpress über Köln.
Heino-Fans und aufmüpfige Studenten
Und das ist nicht die einzige lustige Begegnung des Buches: Außerdem erzählt es von netten alten Damen, die unbedingt Schlagerstar Heino in dessen Café in Bad Münstereifel treffen wollen; einem Studenten, der vehement auf einer unzulässige ICE-Bescheinigung beharrt (Schorsch schlägt ihm stattdessen eine Hamsterhaarallergie- oder Plattfuß-Bescheinigung vor); oder von einem Mann, der es eine gute Idee findet, mit vier Autoreifen auf dem Arm im Zug nach Passau zu fahren.
Schorsch bewegt sich bei seinen Erzählungen kurzzeitig ziemlich nah an der Grenze zwischen lustig sein und lustig machen – richtig übel nehmen kann man ihm seine Reaktionen aber nie. Denn beim Lesen dieses Buches wird schnell klar: Dem täglichen Bahn-Wahnsinn begegnet man am besten mit einer ordentlichen Portion Humor und Herz. Von beidem hat Andreas Schorsch reichlich.
(mar)
Informationen zum Buch
Andreas Schorsch:„Wofür sitzen Sie eigentlich hier?“ Goldmann Verlag, 256 Seiten, 8,99 Euro.

