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Privatinsolvenz Privatinsolvenz: Sind Verbraucher bald schneller schuldenfrei?

Von Friederike Marx 20.06.2014, 08:53
Mehr als 91.000 Verbraucher haben im vergangenen Jahr den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen. Sechs Jahre dauert das Verfahren.
Mehr als 91.000 Verbraucher haben im vergangenen Jahr den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen. Sechs Jahre dauert das Verfahren. dpa Lizenz

Mehr als 91.000 Verbraucher haben im vergangenen Jahr den Gang zum Insolvenzrichter antreten müssen. Sechs Jahre dauert das Verfahren. Ab Sommer sollen Betroffene schneller eine Chance für einen Neuanfang bekommen. Doch Verbraucherschützer und Insolvenzrechtsexperten haben Zweifel am Erfolg der Reform.

Was ist die wesentliche Änderung?

Überschuldete Verbraucher sollen ihre Schulden schneller loswerden können. Ab 1. Juli haben sie bereits nach drei Jahren die Möglichkeit für einen Neustart. Bei den meisten dürfte es aber wohl wie bisher sechs Jahre bis dauern, bis ihnen die restlichen Schulden erlassen werden.

Ist die Reform gelungen?

Der große Wurf ist es nicht, meinen Verbraucherschützer. „Die Verkürzung des Verfahrens auf drei Jahre ist nicht realistisch, so wie es jetzt geregelt ist. Hier muss nachgebessert werden“, sagt Birgit Höltgen von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Die Reform bringt nicht so viel, wie man sich hätte wünschen können“, sagt auch Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID).

Was ist das Problem?

Nur wer innerhalb von drei Jahren mindestens 35 Prozent der Gläubigerforderungen sowie die Kosten des Verfahrens für das Gericht und den Insolvenzverwalter stemmt, kann von der Restschuld befreit werden. „Unsere Erfahrung ist, dass kaum ein Schuldner die 35 Prozent schafft“, sagt Michael Bretz, Sprecher der Wirtschaftsauskunftei Creditreform.

Hinzu kommen die Verfahrenskosten. Aus der Quote von 35 Prozent können schnell 60 Prozent und mehr werden. „Das kann nicht funktionieren“, sagt Höltgen. In Europa können Verbraucher im Schnitt nach drei Jahren einen schuldenfreien Neustart wagen. „Wir bewegen uns leider wegen der hohen Hürden nicht in diese Richtung“, sagt Niering.

Wer seine Schulden dauerhaft nicht zurückzahlen kann, ist insolvent. Gelingt es dem Schuldner nicht, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich zu einigen, bescheinigt ein Anwalt oder ein Schuldnerberater das Scheitern der Verhandlungen. Danach kann das Insolvenzverfahren vor einem Amtsgericht eröffnet werden.

In sechs Jahren müssen dann möglichst viele Schulden abgetragen werden. In dieser „Wohlverhaltensphase“ darf ein alleinstehender Schuldner ohne Unterhaltspflicht von seinem monatlichen Einkommen knapp 1050 Euro behalten. Verdient er mehr, wird der Rest an die Gläubiger verteilt. Für Schulden, die in dieser Zeit nicht zurückgezahlt werden, kann bei Gericht ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt werden. Ab 1. Juli können sich Betroffene unter bestimmten Umständen schon nach drei Jahren von der Restschuld befreien lassen.

Können Betroffene trotzdem früher schuldenfrei sein?

Ja, nach fünf Jahren - sofern Verbraucher den Insolvenzverwalter und die Gerichtskosten in diesem Zeitraum bezahlen können. Nach Angaben von Verbraucherschützern sind dies insgesamt mindestens 1500 bis 2000 Euro. Höltgen hält es für vorstellbar, dass diese Verkürzung häufiger in Anspruch genommen wird, für die Mehrheit der Schuldner werde das Verfahren wie bisher aber sechs Jahre dauern. Niering schätzt, dass weniger als 30 Prozent der betroffenen Verbraucher überhaupt die Verfahrenskosten bezahlen können.

Über weitere Änderungen lesen Sie auf der nächsten Seite.

Welche Änderungen gibt es noch?

Eine weitere Neuerung ist das Insolvenzplanverfahren, das es für Unternehmen schon länger gibt. Details der Entschuldung wie Höhe und Zeitraum werden individuell festgelegt, die restlichen Schulden können schneller erlassen werden. Voraussetzung: Die Quote muss etwas höher liegen als im Regelverfahren und der Schuldner muss die Verfahrenskosten bezahlen.

„Das Planverfahren kann sinnvoll sein, wenn zum Beispiel Verwandte Geld zur Verfügung stellen“, sagt Höltgen. Für Niering bietet zumindest das Insolvenzplanverfahren „die Möglichkeit, spürbare Verbesserungen für überschuldete Verbraucher zu erzielen“. Im besten Fall könne das Insolvenzverfahren schon nach wenigen Monaten beendet werden.

Kreditinteressierte sollten sich nicht durch attraktive „Ab-Zinsen“ täuschen lassen, die gerne zu Werbezwecken in Anzeigen, Pop-up-Fenstern oder auch Postbriefsendungen verwendet werden. Meist handelt es sich dabei um sogenannte „Schaufensterzinsen“ - also Effektivzinsen, die nur unter bestmöglichen Bedingungen vergeben werden. Oft gelten diese nur bei Top-Bonität und in Kombination mit bestimmten Kredithöhen und Laufzeiten. „Daher ist es besonders wichtig, immer persönliche Angebote von den Banken einzuholen“, erklärt Alexander Artopé, Geschäftsführer der smava GmbH.

Vertrauen ist gut, Vergleich ist besser: Damit ein Kreditsuchender besten Kredit findet, sollte er mehrere Angebote von verschiedenen Banken miteinander vergleichen. Ein kostenloser Online-Kreditvergleich bietet ermöglicht einen schnellen Überblick über Anbieter und deren tatsächliche Konditionen. Wichtig ist, dass es sich um einen individuellen Vergleich handelt - das heißt um ein Angebot, das die Finanzlage des Interessenten berücksichtigt. Nur so können die Verbraucher die Zinsen ermitteln, die für sie gelten. Ein solcher Online-Vergleich und etwaige Angebote sollten stets kostenlos sein!

Je nachdem, zu welchem Zweck der Kredit aufgenommen werden soll, ist es ratsam, die passende Kreditform auszuwählen. Beispielsweise gibt es spezielle Online-Autokredite für die Anschaffung von Neu- und Gebrauchtwagen, die meist zu günstigeren Konditionen als ein Online-Kredit mit allgemeinem Verwendungszweck vergeben werden.

Welche zusätzlichen Kosten fallen beim Abschluss des Kreditvertrags an? Gibt es vielleicht versteckte Gebühren? Ist eine vorzeitige Kündigung möglich? Für den Ausfall von Zinsen durch vorzeitige Rückzahlungen verlangen einige Kreditanbieter jedoch hohe Gebühren. Wer sich über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung im Vorfeld informiert, ist daher gut beraten. Maßgebend ist die im Juni 2010 in Kraft getretene Verbraucherkredit-Richtlinie: Die Vorfälligkeitsentschädigung darf nicht mehr als ein Prozent der noch offenen Restschuld betragen. Es empfiehlt sich, die AGBs und die Vertragsbedingungen gründlich zu lesen, um spätere Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Sollten diese Angaben fehlen, ist das ein klares Warnsignal für den Verbraucher.

„Seriöse Anbieter zeichnen sich durch eine gute Erreichbarkeit aus und bieten meist mehrere Wege zur Kontaktaufnahme an, zum Beispiel über eine kostenlose Service-Telefonnummer und per E-Mail. Wenn diese Kontaktmöglichkeiten fehlen, sollten bei den Verbrauchern sofort die Alarmglocken läuten“, erklärt Kreditexperte Alexander Artopé. Bei der Wahl des Anbieters helfen auch Kundenbewertungen im Netz oder Testberichte von unabhängigen Instituten wie Stiftung Warentest. Daher gilt: Referenzen prüfen und erst dann den Kreditvertrag unterschreiben. „Von Anbietern, die mit 'Schufa-freien Krediten' im Internet werben, sollten Verbraucher besser die Finger lassen. Meistens handelt es sich dabei um unseriöse Firmen, die Kredite zu überhöhten Zinsen anbieten.“

Einmal unterschrieben, kommt man nicht mehr aus dem Kreditvertrag?An diesem Mythos ist nichts dran. Der Widerruf ist sogar gesetzlich geregelt. Ist die Unterschrift gesetzt, haben Verbraucher die Möglichkeit innerhalb von 14 Tagen zurückzutreten. Aber auch danach ist eine vorzeitige Kündigung möglich. Seit 2010 dürfen Ratenkredite jederzeit storniert werden, Banken dürfen in solchen Fällen jedoch eine Entschädigung verlangen. Die Stornogebühr ist auf ein Prozent der noch offenen Kreditsumme begrenzt, wird vor Ablauf des ersten Kreditjahres gekündigt, fallen 0,5 Prozent an. Eine Ausfallentschädigung von einem Prozent verursacht bei einem Restdarlehen von 3000 Euro genau 30 Euro Gebühr

Es ist nicht günstiger, das Girokonto zu überziehen, als einen Ratenkredit aufzunehmen. Weil das Konto-Minus das eingehende Gehalt belastet, ist man relativ schnell wieder in den roten Zahlen ist. Bleibt das Konto längere Zeit überzogen, verursachen hohe Dispozinsen hohe Kosten. Girokonto-Inhaber, die mir 1000 Euro in der Kreide stehen, müssen bei einem Dispozins von zwölf Prozent etwa 40 Euro bezahlen. Mit einem kostgünstigen Ratenkredit lassen sich diese Kosten auf weniger als die Hälfte drücken. Deshalb gilt: Obgleich der Dispokredit bequem ist, sollte die Kontoüberziehung kein Dauerzustand sein.

Welche Vorteile hat die Reform?

Mieter von Wohnungsgenossenschaften sind grundsätzlich besser geschützt. Bereits seit letztem Sommer müssen sie nicht mehr fürchten, dass die gezahlten Einlagen gepfändet werden und sie deswegen aus der Wohnung fliegen. In der Vergangenheit waren lediglich Mietkautionen tabu. Allerdings gilt der Schutz nur für Einlagen bis maximal 2000 Euro.

Welche Folgen hat die Reform für Gläubiger?

„Gläubiger müssen sich keine Sorgen machen, dass mit der Reform dem Schuldenmachen Tür und Tür geöffnet wird“, sagt Bretz. Möglicherweise bekommen sie sogar etwas mehr zurück als in der Vergangenheit. Banken hatten bisher in den ersten zwei Jahren des Insolvenzverfahrens Zugriff auf Teile des Lohnes, wenn der Verbraucher einen Kredit abgeschlossen hatte. „Die Lohnabtretung entfällt, dadurch gibt es etwas mehr Masse“, sagt Niering. „Zunächst werden aber die Landesjustizkassen entlastet, als erstes müssen die Verfahrenskosten beglichen werden“.

Wie beurteilen Inkassofirmen die Änderungen?

Inkassofirmen sehen die Neuregelung kritisch. „Viele Verbraucher verstehen das als ein Signal, dass sie sich leichter ihrer Zahlungsverpflichtungen entledigen können“, befürchtet die Vizepräsidentin des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU), Marion Kremer. Für die Gläubiger dürfte sich das „als ganz fatal erweisen“. Diese Sorge teilt Niering nicht. „Die meisten Betroffenen haben eine jahrelange Leidensgeschichte hinter sich mit vergeblichen Versuchen einer außergerichtlichen Einigung, bevor sie einen Insolvenzantrag stellen.“ (dpa)

Ab Sommer sollen Betroffene schneller eine Chance für einen Neuanfang bekommen.
Ab Sommer sollen Betroffene schneller eine Chance für einen Neuanfang bekommen.
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