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BAG-Urteil BAG-Urteil: Note 3 im Arbeitszeugnis bleibt Durchschnitt

18.11.2014, 10:25
Manchmal machen schon zwei Buchstaben den Unterschied: Um das Arbeitszeugnis zu entschlüsseln, müssen Arbeitnehmer genau hinsehen.
Manchmal machen schon zwei Buchstaben den Unterschied: Um das Arbeitszeugnis zu entschlüsseln, müssen Arbeitnehmer genau hinsehen. dpa-tmn Lizenz

Das Bundesarbeitsgericht hat Hoffnungen von Beschäftigten, sich künftig leichter eine bessere Gesamtbewertung im Arbeitszeugnis zu erstreiten, enttäuscht. Die Erfurter Richter hielten am Dienstag an ihrer Linie fest, wonach die Formulierung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ - das entspricht der Note 3 - eine durchschnittliche Leistung beschreibt.

Wolle ein Mitarbeiter eine bessere Bewertung, müsse er genaue Gründe dafür darlegen, entschied der 9. Senat. Dabei spielt es nach Ansicht des BAG keine Rolle, ob in bestimmten Branchen üblicherweise im Durchschnitt bessere Noten vergeben werden (9 AZR 584/13).

Gegen ihren früheren Arbeitgeber geklagt hatte eine 25-Jährige, die ein Jahr in einer Berliner Zahnarztpraxis tätig war. Sie wollte sich die Gesamtbewertung „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ erstreiten.

Vorinstanzen urteilten noch anders

Sowohl das Arbeitsgericht Berlin als auch das Landesarbeitsgericht gestanden der Klägerin eine gute Beurteilung („stets zur vollen Zufriedenheit“) zu. Die beiden Instanzen zweifelten an, dass die Leistungsbewertung „zur vollen Zufriedenheit“ (Note 3) nach dem heutigen Verständnis des Wirtschaftslebens noch einer durchschnittlichen Bewertung entspricht.

Immer wieder gibt es nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Streit um das ausgestellte Arbeitszeugnis. Der Kölner Anwalt Christian Solmecke erklärt angesichts des aktuellen Urteils, welche Rechte die Arbeitnehmer bei Arbeitszeugnissen haben. 

Gibt es einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis? 

„Ja, Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf die Erstellung eines Arbeitszeugnisses“, weiß Solmecke. Dies sei gesetzlich festgelegt. Arbeitnehmer haben die Wahl zwischen einem einfachen (Angabe von Dauer und Art der Tätigkeit) und einem qualifizierten Arbeitszeugnis (Beschreibung von Leistung und Verhalten). Der Anspruch auf die Ausstellung eines Zeugnisses verjähre nach drei Jahren. „Lediglich Selbstständige und freie Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf ein Zeugnis. Etwas anderes gilt allerdings für Scheinselbständige, die arbeitnehmerähnlich tätig sind“, so Solmecke.

Haben Arbeitnehmer Anspruch auf ein gutes Zeugnis?

Der Arbeitgeber muss gravierendes Fehlverhalten natürlich nicht verschweigen, aber er ist verpflichtet das Zeugnis mit Wohlwollen auszustellen (Urteil vom 26.11.1963, Az.: VI ZR 221/62). „Das heißt, dass dem Arbeitnehmer nicht absichtlich Steine in den Weg gelegt werden sollen in Anbetracht der Tatsache, dass das Arbeitszeugnis eine entscheidende Rolle bei der Jobsuche spielt“, erklärt Anwalt Solmecke.

Wilde Spekulationen oder subjektive Eindrücke des Verhaltens des Mitarbeiters gehörten somit nicht in ein Arbeitszeugnis. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, sich an die reinen Fakten zu halten.

Häufig finden sich in Arbeitszeugnissen versteckte Aussagen. Können sich Arbeitnehmer dagegen wehren?

Hinter manch vermeintlich positiver Aussage versteckt sich teilweise eine Kritik. „Diese ist nicht immer einfach zu entlarven“, so Solmecke. Mittlerweile finden sich im Internet jedoch viele Sammlungen, die typische Phrasen und ihre wahre Bedeutung erläutern. Innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Zeugnisses kann der Arbeitnehmer, wenn er eine unberechtigte verdeckte Kritik entdeckt hat, eine Zeugnisberichtigungsklage einreichen.

„Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“ Gemeint ist: „Er neigt zu übertriebenem Alkoholgenuss“.

„Herr Y trat engagiert für die Interessen seiner Kollegen ein.“ Gemeint ist: „Herr Y ist Betriebsratsmitglied.“

„Herr Y erledigte alle Arbeitsaufgaben mit großem Fleiß.“ Gemeint ist: „Eifer ja, aber ohne Erfolg.“

„Herr Y galt im Kollegenkreis als toleranter Mitarbeiter.“ Gemeint ist: „Für seine Vorgesetzten ein harter Brocken.“

„Für die Belange der Mitarbeiter bewies er immer Einfühlungsvermögen.“ Gemeint ist: „Sucht ständig Kontakte sexueller Art mit anderen Beschäftigten.“

Wann lohnt es sich, eine Zeugnisberichtigungsklage einzureichen?

„Ein Prozess ist dann sinnvoll, wenn die Bewertung unter dem Durchschnitt ist, denn hier hat der Arbeitgeber die Beweispflicht“, erklärt Rechtsexperte Solmecke. „In anderen Fällen wird es darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer genügend Tatsachen hervorbringen kann, die eindeutig für eine falsche Bewertung sprechen.“

Nach der Entscheidung des BAG stehe nun fest, dass die Bewertung als „befriedigend“ zwar unüblich sein möge, vor Gerichten jedoch standhalte, solange der Arbeitnehmer keine Tatsachen hervorbringen könne, die eine überdurchschnittliche Leistung bewiesen. „Insofern kein günstiges Urteil für die Arbeitnehmer“, fasst Solmecke zusammen. (gs/dpa)

Ein Arbeitszeugnis, das Tipp- oder Rechtschreibfehler enthält, sollten Arbeitnehmer nicht akzeptieren. „Ein schlampiges Zeugnis darf man gleich nach dem Erhalt reklamieren“, sagt der Berliner Karriereberater Jürgen Hesse. Man könne etwa zum Chef sagen: „Mir ist aufgefallen, dass sich da ein oder zwei Tippfehler eingeschlichen haben. Können wir das bitte korrigieren?“ Allerdings sollten sich Mitarbeiter nicht wegen jeder Kleinigkeit beschweren: Fehle in einem Zeugnis von zwei Seiten lediglich ein einziges Komma, würde er nichts sagen, so Hesse.

„Das Zeugnis sollte auf den Tag datiert sein, an dem der Arbeitnehmer die Firma verlässt“, erklärt Hesse. Sind das Ausstellungsdatum des Zeugnisses und das Ausscheidungsdatum nicht identisch, lasse das darauf schließen, dass es mit dem Mitarbeiter Probleme gab. Es mache keinen guten Eindruck, wenn man die Firma etwa zum 30. Juni verlassen hat, aber das Arbeitszeugnis erst auf den 30. August datiert ist. Nur in einem Fall sei die Abweichung kein Problem: Wenn der Arbeitnehmer noch etliche Urlaubstage und deshalb seinen letzten Arbeitstag bereits am 15. Juni hat, obwohl er das Unternehmen erst zum 30. Juni verlässt. Dann sei es in Ordnung, wenn das Zeugnis auf den 30. Juni datiert ist.

Das Bundesarbeitsgericht Erfurt entschied im Streitfall aus Berlin über die Gesamtbewertung der Leistung in einem Arbeitszeugnis zu ungunsten der Arbeitnehmer.
Das Bundesarbeitsgericht Erfurt entschied im Streitfall aus Berlin über die Gesamtbewertung der Leistung in einem Arbeitszeugnis zu ungunsten der Arbeitnehmer.
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Paragraf 109 der GewO regelt den Anspruch auf ein Arbeitszeugnis.
Paragraf 109 der GewO regelt den Anspruch auf ein Arbeitszeugnis.
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