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Arbeiten in den Ferien Arbeiten in den Ferien: Müssen Mitarbeiter ihren Urlaub unterbrechen?

12.08.2013, 13:20
Die Bahn will Mitarbeiter bitten, freiwillig ihren Urlaub zu unterbrechen, um die Lage in Mainz zu entspannen. Es bestehe aber kein Zwang, sagte ein Unternehmenssprecher in Berlin.
Die Bahn will Mitarbeiter bitten, freiwillig ihren Urlaub zu unterbrechen, um die Lage in Mainz zu entspannen. Es bestehe aber kein Zwang, sagte ein Unternehmenssprecher in Berlin. dpa Lizenz

Halle (Saale)/DMN. - Verspätungen und Zugausfälle gibt es im Hauptbahnhof der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz derzeit täglich - in dieser Woche könnte es auch den Pendelverkehr im Rhein-Main-Gebiet deutlich stärker treffen. Die Deutsche Bahn hat Probleme, weil von 15 Fahrdienstleitern fast die Hälfte entweder krank oder im Urlaub ist. Nun will das Unternehmen ihre Mitarbeiter darum bitten, freiwillig aus dem Urlaub zurückzukommen.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring, auch Mitglied des Bahn-Aufsichtsrates, forderte sogar, die Urlauber „auf Kostenerstattung der Bahn“ zurückzurufen und zur Arbeit zu verpflichten. „Die Bahn lebt auch vom Teamgeist der Eisenbahner“, sagte Döring. „In Mainz müssen die Züge wieder rollen.“ Der Ruf der Bahn stehe ansonsten auf dem Spiel.

Aber ist das überhaupt rechtmäßig? Darf ein Unternehmen seine Beschäftigten an den Arbeitsplatz zurückpfeifen?

Nein, sagen Arbeitsrechtler, denn wenn der Urlaubsvertrag unterschrieben wurde, ist der Arbeitgeber auch daran gebunden. „Er kann dann grundsätzlich nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer den gewährten Urlaub abbricht oder unterbricht“, so der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Dr. Patrick Bruns aus Baden-Baden. Nur in wenigen Ausnahmefällen könne der Beschäftigte dazu verpflichtet sein.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kommt dies höchstens bei „zwingenden Notwendigkeiten, welche einen anderen Ausweg nicht zulassen“, in Betracht. Betriebliche Engpässe allein reichen hierfür nicht aus. Nur bei Katastrophen oder existenzbedrohenden Krisen des Unternehmens - zum Beispiel bei einer Überschwemmung des Werksgeländes - kann ein Mitarbeiter zurückgerufen werden.

Bisher müssen die Bahn-Betreiber 25 Prozent des Ticketpreises erstatten, wenn der Reisende zwischen 60 und 119 Minuten später am Zielort ankommt. Dauert es noch länger, wird die Hälfte der Bahnfahrkarte zurückgezahlt. Wichtig ist: Es zählt nicht der einzelne verspätete Zug, sondern das Eintreffen am Ziel. Diese Regelung bezog sich bisher auf Ereignisse, an denen die Bahn selbst Schuld war. Bei höherer Gewalt gab es kein Geld. Das wird nun anders.

Bahnreisende haben ab einer Verspätung von einer Stunde Anspruch auf Entschädigung. Sie erhalten dann ein Viertel des gezahlten Fahrpreises für die einfache Fahrt zurück. Ab zwei Stunden ist es sogar die Hälfte. Ist bereits bei Fahrtantritt klar, dass der Zug über einer Stunde zu spät am Zielbahnhof eintreffen wird, darf man von der Reise zurücktreten und bekommt den vollen Fahrpreis zurück. Allerdings gibt es keine Entschädigung, wenn die Bahn nicht an der Verspätung schuld ist - etwa bei Unwettern, Streiks oder Anschlägen auf Gleise.

Wer Geld zurück will, muss sich die Verspätung vom Zugbegleiter oder am Service-Point im Bahnhof bestätigen lassen. Dort gibt es auch das dazu nötige Formular. Zusammen mit der Original-Fahrkarte muss es innerhalb eines Jahres im Reisezentrum oder beim Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt am Main eingereicht werden. Wer am späten Abend wegen Zugausfällen oder Verspätungen an einem Bahnhof strandet, kann unter Umständen Übernachtungskosten oder bis zu 80 Euro für die Weiterfahrt mit dem Taxi einfordern.

Für die aktuellen Probleme am Mainzer Hauptbahnhof gelten laut Deutscher Bahn zusätzliche Kulanzregeln. Wenn Reisende von der Fahrt von oder nach Mainz zurücktreten wollen, weil ihr Zug dort nicht hält, werden ihnen Fahrkarten und Reservierungen erstattet. In den Reisezentren oder bei der DB-Information können zuggebundene Fahrkarten für Züge von und nach Mainz, die dort nicht halten, für eine alternative Reiseverbindung gültig geschrieben werden. Reisende, die wegen verpasster Anschlüsse ihr Ziel mit über 60 Minuten Verspätung erreichen, haben Anspruch auf Entschädigung.

Dazu zählen beispielsweise Unwetter, aber auch Streiks. Der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Ismail Ertug geht sogar davon aus, dass das Urteil des EuGH die Deutsche Bahn AG dazu zwingen wird, Tarifkonflikte schneller zu beenden. Es gibt allerdings einen Bereich, der nach wie vor unklar sein dürfte: Wenn die Verspätung Folge eines Unfalls anderer ist oder es einen Eingriff in den Schienenverkehr gegeben hat, kann die Bahn eigentlich nicht für die Folgen zahlen müssen.

Ein DB-Sprecher betonte gestern, man empfinde die Entscheidung aus Luxemburg sogar als hilfreich, weil sie „Rechtssicherheit in einer für die Verbraucher und die Eisenbahnen wichtigen Rechtsfrage“ schaffe. Er kündigte an, dass man die Bestimmungen möglichst schnell übernehmen werde.

Ja. Auslöser war zwar ein Streit zwischen der österreichischen Bundesbahn und der Wiener Zugaufsicht. Die Entscheidung betrifft aber alle Schienenkonzerne in den 28 Mitgliedstaaten. Und sie gilt natürlich auch für ausländische Bahn-Betreiber, wenn sie grenzüberschreitend unterwegs sind.

Ja, dieses Risiko besteht durchaus. Dennoch waren die Richter der Auffassung, dass eine Verspätung ein sehr grundsätzlicher Verstoß gegen den Beförderungsvertrag ist, der durch den Kauf einer Fahrkarte zustande kommt. Die Erstattung von Teilen des Fahrpreises sei deshalb als Gegenleistung gerechtfertigt.

Hier gibt es zunächst keine Ansprüche gegen den Bahnbetreiber. Der Kunde kann nur auf die Kulanz des Unternehmens hoffen. Die Richter haben allerdings darauf hingewiesen, dass der Verbraucher seinen individuellen Schaden zusätzlich einklagen kann.

Nein. Der Gerichtshof betont in seinem Spruch, dass die „Situation der Beförderungsunternehmen nicht vergleichbar“ sei.

Die Deutsche Bahn AG betont, dass alle Anträge auf Fahrpreiserstattung wegen Verspätung binnen drei Monaten bearbeitet werden. Der Kunde muss sich die Verspätung von einem Zugbegleiter bestätigen lassen und dann einen Antrag beim DB-Servicecenter Fahrgastrechte einreichen. Die Details zu diesem Vorgang findet man im Internet.

In der Praxis kämen Arbeitnehmer oft zurück in den Betrieb, wenn Not am Mann ist, hat Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür beobachtet. Vor allem von einer Führungskraft erwarte der Arbeitgeber in der Regel durchaus, dass sie ihren Urlaub abbricht, wenn sie in der Firma dringend gebraucht wird. Der Arbeitnehmer sollte mit seinem Chef dann aushandeln: Wann bekomme ich die Urlaubstage stattdessen? Übernimmt der Chef auch die Stornierungskosten für gebuchte Reisen? Bekomme ich andere Extras für meine entgangenen Ferien? (gs, mit Material von dpa)

Viele Arbeitgeber verlangen darüber hinaus, dass ihre Mitarbeiter auch während des Urlaubs erreichbar sind. Doch muss ich wirklich auf Mails und Anrufe der Firma antworten? Diese und noch mehr Fragen beantwortet unsere Bildergalerie:

Zugausfälle in Mainz: Mehrfach sollen Urlaube abgesagt worden sein, um den Verkehr nicht zum Erliegen zu bringen.
Zugausfälle in Mainz: Mehrfach sollen Urlaube abgesagt worden sein, um den Verkehr nicht zum Erliegen zu bringen.
dpa Lizenz