Stellwerke Stellwerke: Bahn räumt bundesweite Probleme ein

Berlin/Mainz/rtr - Die Probleme der Deutschen Bahn im Stellwerk Mainz sind kein Einzelfall. Auch an anderen Schaltstellen des Unternehmens sei die Personaldecke zu dünn, räumte DB-Netz-Vorstandschef Frank Sennhenn am Montag in der ARD ein. „Wir haben bundesweit eine angespannte Situation.“ Man sei dabei, alle Stellwerke mit ähnlich kritischer Lage personell nach Kräften abzusichern. 2013 wolle die Bahn 600 neue Fahrdienstleiter einstellen. Das Problem sei, dass die Schulung sieben Monate dauere, so dass die Mitarbeiter nicht kurzfristig eingesetzt werden könnten. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sprach erneut von einer falschen Personalpolitik, die sich nicht nur bei den Stellwerke auswirke: „Wir haben auch in anderen Bereichen eine Reduzierung des Verkehrs, weil Personal fehlt“, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner Reuters TV in Mainz.
Am Montag verschärfte sich die Lage am Mainzer Hauptbahnhof weiter: War bisher abends und nachts der Regional- wie Fernverkehr schon stark ausgedünnt, müssen jetzt Züge auch ganztägig umgeleitet werden. Dies wirkt sich mittlerweile weit über die rheinland-pfälzische Landshauptstadt hinaus aus. „Wegen des entsprechend höheren Zugaufkommens durch Umleitung ist mit Verspätungen im gesamten Rhein-Main-Gebiet und Südhessen zu rechnen“, kündigte die Bahn an.
Bisher müssen die Bahn-Betreiber 25 Prozent des Ticketpreises erstatten, wenn der Reisende zwischen 60 und 119 Minuten später am Zielort ankommt. Dauert es noch länger, wird die Hälfte der Bahnfahrkarte zurückgezahlt. Wichtig ist: Es zählt nicht der einzelne verspätete Zug, sondern das Eintreffen am Ziel. Diese Regelung bezog sich bisher auf Ereignisse, an denen die Bahn selbst Schuld war. Bei höherer Gewalt gab es kein Geld. Das wird nun anders.
Bahnreisende haben ab einer Verspätung von einer Stunde Anspruch auf Entschädigung. Sie erhalten dann ein Viertel des gezahlten Fahrpreises für die einfache Fahrt zurück. Ab zwei Stunden ist es sogar die Hälfte. Ist bereits bei Fahrtantritt klar, dass der Zug über einer Stunde zu spät am Zielbahnhof eintreffen wird, darf man von der Reise zurücktreten und bekommt den vollen Fahrpreis zurück. Allerdings gibt es keine Entschädigung, wenn die Bahn nicht an der Verspätung schuld ist - etwa bei Unwettern, Streiks oder Anschlägen auf Gleise.
Wer Geld zurück will, muss sich die Verspätung vom Zugbegleiter oder am Service-Point im Bahnhof bestätigen lassen. Dort gibt es auch das dazu nötige Formular. Zusammen mit der Original-Fahrkarte muss es innerhalb eines Jahres im Reisezentrum oder beim Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt am Main eingereicht werden. Wer am späten Abend wegen Zugausfällen oder Verspätungen an einem Bahnhof strandet, kann unter Umständen Übernachtungskosten oder bis zu 80 Euro für die Weiterfahrt mit dem Taxi einfordern.
Für die aktuellen Probleme am Mainzer Hauptbahnhof gelten laut Deutscher Bahn zusätzliche Kulanzregeln. Wenn Reisende von der Fahrt von oder nach Mainz zurücktreten wollen, weil ihr Zug dort nicht hält, werden ihnen Fahrkarten und Reservierungen erstattet. In den Reisezentren oder bei der DB-Information können zuggebundene Fahrkarten für Züge von und nach Mainz, die dort nicht halten, für eine alternative Reiseverbindung gültig geschrieben werden. Reisende, die wegen verpasster Anschlüsse ihr Ziel mit über 60 Minuten Verspätung erreichen, haben Anspruch auf Entschädigung.
Dazu zählen beispielsweise Unwetter, aber auch Streiks. Der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Ismail Ertug geht sogar davon aus, dass das Urteil des EuGH die Deutsche Bahn AG dazu zwingen wird, Tarifkonflikte schneller zu beenden. Es gibt allerdings einen Bereich, der nach wie vor unklar sein dürfte: Wenn die Verspätung Folge eines Unfalls anderer ist oder es einen Eingriff in den Schienenverkehr gegeben hat, kann die Bahn eigentlich nicht für die Folgen zahlen müssen.
Ein DB-Sprecher betonte gestern, man empfinde die Entscheidung aus Luxemburg sogar als hilfreich, weil sie „Rechtssicherheit in einer für die Verbraucher und die Eisenbahnen wichtigen Rechtsfrage“ schaffe. Er kündigte an, dass man die Bestimmungen möglichst schnell übernehmen werde.
Ja. Auslöser war zwar ein Streit zwischen der österreichischen Bundesbahn und der Wiener Zugaufsicht. Die Entscheidung betrifft aber alle Schienenkonzerne in den 28 Mitgliedstaaten. Und sie gilt natürlich auch für ausländische Bahn-Betreiber, wenn sie grenzüberschreitend unterwegs sind.
Ja, dieses Risiko besteht durchaus. Dennoch waren die Richter der Auffassung, dass eine Verspätung ein sehr grundsätzlicher Verstoß gegen den Beförderungsvertrag ist, der durch den Kauf einer Fahrkarte zustande kommt. Die Erstattung von Teilen des Fahrpreises sei deshalb als Gegenleistung gerechtfertigt.
Hier gibt es zunächst keine Ansprüche gegen den Bahnbetreiber. Der Kunde kann nur auf die Kulanz des Unternehmens hoffen. Die Richter haben allerdings darauf hingewiesen, dass der Verbraucher seinen individuellen Schaden zusätzlich einklagen kann.
Nein. Der Gerichtshof betont in seinem Spruch, dass die „Situation der Beförderungsunternehmen nicht vergleichbar“ sei.
Die Deutsche Bahn AG betont, dass alle Anträge auf Fahrpreiserstattung wegen Verspätung binnen drei Monaten bearbeitet werden. Der Kunde muss sich die Verspätung von einem Zugbegleiter bestätigen lassen und dann einen Antrag beim DB-Servicecenter Fahrgastrechte einreichen. Die Details zu diesem Vorgang findet man im Internet.
Das Staatsunternehmen versucht in Mainz nun, Fahrdienstleiter aus dem Urlaub zurückzuholen. „Das kann nur auf freiwilliger Basis geschehen“, betonte Sennhenn. Das Stellwerk dort ist laut Bahn wegen unerwartet vieler Krankmeldungen in der Urlaubszeit seit gut einer Woche nicht voll einsetzbar. Das Unternehmen erwartet auch keine Normalisierung in diesem Monat mehr, will sich aber am Dienstag dazu äußern, wie es in Mainz weiter geht.
Hintergrund der Personalknappheit sind auch Überalterung und Nachwuchsmangel. Das Durchschnittsalter in der Netzsparte liegt bei 47 Jahren und damit noch über dem Konzerndurchschnitt. Dokument aus der Personalabteilung zeigen, die Reuters vorliegen, zeigen, dass die Überalterung bei Fahrdienstleitern seit mindestens vier Jahren bekannt war. Bis vergangenes Jahr änderte sich daran aber kaum etwas.
In Konzernkreisen hieß es, die Mängel in der Personalplanung hätten auch mit der Ablösung des Chefs der Netz-Sparte, Oliver Kraft Anfang 2013 zu tun. Kraft hatte die Netz-Sparte zum wichtigsten Gewinnlieferanten des Konzerns gemacht. Über Jahre wurden gerade in diesem Bereich jährlich Tausende Stellen abgebaut. Zugleich wurden allerdings die Stellwerke wegen verzögerter Investitionen im Zuge des geplanten Börsengangs 2008 langsamer als zunächst geplant durch moderne vollelektronische ersetzt, was zu einer Personalentlastung geführt hätte.