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krankes Kind In die Notaufnahme oder zum Kinderarzt? Was Eltern bei der Entscheidung hilft

Verknackst, verschluckt, verbrannt: In die Notaufnahmen kommen immer wieder kleine Patienten, die in einer Arztpraxis besser aufgehoben wären. Welche Anlaufstelle wann die richtige ist und welche Nummer Auskunft gibt.

Von Angelika Mayr Aktualisiert: 22.08.2023, 11:35
Wenn Kinder sich nicht gut fühlen, wissen Eltern oft nicht, wie schlimm es wirkklich ist und was zu tun ist.
Wenn Kinder sich nicht gut fühlen, wissen Eltern oft nicht, wie schlimm es wirkklich ist und was zu tun ist. (Foto: Annette Riedl/dpa)

Magdeburg - Bei Unfällen oder Verletzungen steht für viele Eltern mit dem ersten Schock fest: Wir fahren mit dem Kind zur Notaufnahme. Doch nicht immer ist das notwendig. In vielen Fällen sind die Kinder auch in der Kinderarztpraxis gut aufgehoben. Längst warnen Mediziner vor einer Überlastung der Notfallversorgung.

Es gibt Vorschläge, eine Gebühr zu verlangen, wenn Eltern mit ihrem Nachwuchs in die Notaufnahme kommen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat der Idee zwar eine Absage erteilt, aber eine Entlastung der Notfallmedizin hält auch er für erforderlich.

Wann ist eigentlich von einem Notfall auszugehen? „Ist das Bewusstsein getrübt oder die Atmung des Kindes gestört, ist die Selbsthilfe beendet. Eltern wählen dann den Notruf 112“, sagt Michael Achenbach. Er ist Kinderarzt und Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Ansonsten sollte auf die 112 nur zurückgegriffen werden, wenn nicht sicher ist, ob das Kind sofortige Hilfe braucht.“

Mit dem Kind in die Notaufnahme: Vorsicht bei Kopfverletzungen

Ein Fall für den Notruf oder die Notaufnahme ist es auch, „wenn das Kind auf den Kopf gestürzt ist und danach mehrfach erbricht, wesensverändert ist, Erinnerungslücken hat oder gar nicht mehr ansprechbar ist“. Das sagt der Kinderchirurg Till Rausch. Er hat mit seinem Kollegen Benedict Sannwaldt das Buch „Verknackst, Verschluckt, Verbrannt: Wie ihr euren Kids zu Hause helft – und wann ihr in die Klinik solltet“ geschrieben.

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Auch Stürze aus größerer Höhe auf den Bauch müssen sofort abgeklärt werden, denn sie können gefährliche innere Verletzungen verursachen. Lebensgefährlich sind unter Umständen auch verschluckte Knopfbatterien oder Magneten. „Dadurch können Verletzungen am Magen-Darm-Trakt entstehen“, sagt Till Rausch.

Oft aber besteht die Möglichkeit, dass Eltern selbst gut einschätzen, wie gravierend die Verletzungen ihrer Kinder sind. Dazu gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Zum Beispiel gewinnen Eltern beim Beobachten ihres Sohnes oder ihrer Tochter Hinweise, wie ernst eine Verletzung ist. Hat der Nachwuchs sich am Arm wehgetan und bewegt ihn auf einmal wieder? „Dann ist das ein gutes Zeichen“, sagt Kinderarzt Achenbach. Denn Kinder schonen ähnlich wie Erwachsene die verletzte Stelle instinktiv.

Krankes Kind: Eltern sollten Ruhe bewahren

Am Schreien des Kindes sollte man sich besser nicht orientieren. „Das sagt mir nur, dass es noch bei Bewusstsein ist“, sagt Achenbach. „Aber es gibt Kinder, die schreien bei jeder Kleinigkeit und andere bleiben sogar still, wenn sie etwas Schweres haben.“

Die Notaufnahmen sind häufig überlastet, weil auch Patienten hier auftauchen, die keine medizinischen Notfälle sind.
Die Notaufnahmen sind häufig überlastet, weil auch Patienten hier auftauchen, die keine medizinischen Notfälle sind.
(Fotos: DPA)

Viele schreien auch vor Angst. Deswegen ist es wichtig, dass Eltern Ruhe bewahren. „Panik überträgt sich auf das Kind: Sind die Eltern nervös, werden es die Kinder auch“, sagt Achenbach. Und in Panik setzt oft der Verstand aus. Eltern sollten sich folgendes Mantra vorsagen: Meine Ruhe ist deine Ruhe.

Ruhe auszustrahlen geht zudem leichter, wenn man entsprechendes Hintergrundwissen zu Unfällen und Verletzungen hat. „Hierfür gibt es Erste-Hilfe-Kurse für Eltern“, sagt Achenbach. Viele Organisationen bieten solche Lehrgänge an. „Und wenn Nachdenken nicht mehr klappt: Ablesen und Eintippen schafft jeder“, sagt Kinderarzt Achenbach. Heißt: Eine Liste mit Notrufnummern gehört in jedes Telefon eingespeichert und sichtbar an den Kühlschrank geheftet.

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Dazu gehört zum Beispiel die Nummer des Giftnotrufs, die je nach Region unterschiedlich ist. Für Sachsen-Anhalt ist das Giftinformationszentrum in Erfurt zuständig, Telefon 0361/730 730. Diese Nummer sollte schnell zur Hand sein, wenn das Kind zum Beispiel den Putzmittelschrank erkundet hat und die Gefahr einer Vergiftung besteht.

Bei Gefahr der Vergiftung eines Kindes sofort die Giftzentrale anrufen

„Eltern sollten ohne zu zögern sofort die Giftzentrale anrufen und die Reinigungs- oder die Waschmittelverpackung griffbereit haben“, empfiehlt Achenbach. „Denn wenn ich nicht weiß, was das Kind geschluckt hat, weiß ich nicht, wie ich reagieren muss. Manche Dinge müssen raus, bei anderen muss man keine Panik schieben.“ Die Giftzentralen können auf Datenbanken zugreifen und so die Dringlichkeit anhand der Inhaltsstoffe einschätzen.

In anderen Fällen reicht der Gang zum Kinderarzt oder zur Kinderärztin aus. Denn auch diese Mediziner haben den Auftrag einer sogenannten Akutversorgung. Ein Beispiel: „Bei einem eingeklemmten Finger schaut es oft schlimmer aus, als es ist“, sagt Achenbach. Sofern keine Bildgebung – Röntgen bei Knochenbrüchen etwa – erforderlich ist, übernehmen die Kinderärzte auch die kleine Chirurgie und Unfallversorgung: Schnittwunden kleben oder Schürfwunden versorgen.

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Till Rausch sagt ebenfalls: „Nicht alles, was blutet, muss in die Notaufnahme.“ Blut versetze viele Eltern zwar in Panik. „Aber die meisten Wunden sind halb so wild. Häufig reicht eine Desinfektion aus.“ Auch bei der Frage zu einem Nasenbruch nach einem Sturz gibt der Experte Entwarnung. „In den allermeisten Fällen wartet man ein paar Tage ab, bis die Nase abgeschwollen ist.“ Dann kann der Arzt prüfen, ob die Nase gebrochen ist.

Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Eltern mit dem Kind in die Notaufnahme fahren, obwohl das nicht nötig wäre. Das liegt manchmal auch einfach daran, dass die Kinderarztpraxis nicht erreichbar ist. Oder gerade geschlossen hat.

Ärztlichen Bereitschaftsdienst: Eine Nummer zum Merken

Dafür gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst, der unter der Telefonnummer 116 117 erreichbar ist – und Rat geben kann, wohin man sich im konkreten Fall am besten wendet. „Diese Notfallpraxen der Kassenärztlichen Vereinigung sind quasi die Kinderärzte außerhalb der normalen Praxiszeiten“, sagt Kinderchirurg Benedict Sannwaldt. Auch in einigen Kinderkrankenhäusern befinden sich solche Praxen.

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Und was ist wichtig zu wissen, wenn das Kind doch in die Notaufnahme sollte? Dort heißt es erst einmal: abwarten. Zuerst werden die Patientendaten aufgenommen, dann wird das Kind von einer Pflegefachkraft triagiert. Heißt: Sie schätzt anhand einer Symptomliste ein, wie dringend der kleine Patient behandelt werden muss.

Rausch betont: „Wir sind verpflichtet, uns an diese Triage zu halten.“ Das bedeutet auch, dass ein weniger dringlicher Fall nach hinten rutschen kann, wenn neue höher eingestuft werden. „Die Frage, wie lange jemand warten muss, lässt sich also nicht richtig beantworten.“