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Fahrradkuriere Fahrradkuriere: Keine Angst vor Regen und Glatteis

Von Florian Oertel 31.05.2006, 12:40
Pedalritter mit Rucksack: Radkuriere sind in den meisten deutschen Großstädten unterwegs. (Foto: dpa)
Pedalritter mit Rucksack: Radkuriere sind in den meisten deutschen Großstädten unterwegs. (Foto: dpa) G. Althoff/bdf

Bielefeld/Karlsruhe/dpa. - Wer selbstin den Sattel steigen und als Radkurier jobben will, braucht einenrobusten Drahtesel und darf keine Angst vor Regen und Glatteis haben- und er muss in aller Regel mindestens 18 Jahre alt sein.

Vor allem für Studenten kann das Auftrags-Radeln eine Alternativezum Job in der Kneipe oder der Uni-Bibliothek sein - vorausgesetzt,sie machen im Sattel nicht nach wenigen Kilometern schlapp. «Wermeint, er kann jeden Tag Kurierfahrten machen, ohne vorher trainiertzu haben, hat sich geschnitten», sagt Gerlinde Althoff vomBundesverband der Fahrradkurierdienste (bdf) in Bielefeld.

Während einer Vier- bis Sechs-Stunden-Schicht, so schätzt PhilippBellmann vom Unternehmen Per Rad in Karlsruhe, legt ein Kurier imSchnitt etwa 80 Kilometer zurück - und das häufig offenbar nur zugerne: «Manche sehen in dem Beruf ihren eigenen Extremsport, und diewollen sich jeden Tag wieder übertrumpfen», berichtet Markus Krieg,Kurierfahrer aus Feldkirchen bei München und Betreiber der Webseitewww.fahrradkurier-forum.de.

Die Betriebe sind unterschiedlich organisiert. «Gerade in den ganzgroßen Städten wie Berlin, Hamburg und München arbeiten viele nur mitSubunternehmern», erläutert Gerlinde Althoff. Die Fahrer melden alsoein eigenes Gewerbe an und sind als Selbstständige tätig. Das isterst ab 18 Jahren möglich. Anderswo treten überwiegend Jobber in diePedale. «Wir haben hauptsächlich Studenten, die nebenher fahren»,erläutert Bellmann. «Das sind meist 400-Euro-Kräfte.»

Ähnlich unterschiedlich sieht es in Sachen Bezahlung aus: Beieinigen Diensten gibt es feste Stundensätze, bei anderen eineBeteiligung am Umsatz. Unabhängig von den einzelnen Regelungenbeziffert Althoff den pro Stunde möglichen Verdienst auf etwa 7 bis12 Euro - eine Spanne, die auch Philipp Bellmann nennt. «Vom Lohnmuss man aber etwa 10 Prozent für laufende Kosten abziehen.»

Diese Kosten entstehen etwa, wenn Schäden am Rad auszubügeln sind.Denn dafür müssen in aller Regel die Kuriere aufkommen, ebenso wiefür Anschaffung und Ausrüstung des Drahtesels. Nach Markus KriegsWorten sind die Fahrer entweder auf Rennrädern oder Mountainbikesunterwegs. «Für ein gutes Rad sollte man mit etwa 700 Euro rechnen,und für die Kleidung ist man auch schnell bei 300 Euro», sagt PhilippBellmann.

Zur Ausrüstung gehört darüber hinaus ein Winteroutfit. «Man mussauch fahren, wenn Schnee und Eis herrschen», sagt Gerlinde Althoff.Weitere Alltagstücken sind Fußgänger auf dem Radweg oder Autofahrer,die auf ihre vermeintliche Vormachtstellung im Straßenverkehr pochen.«Daran gewöhnt man sich mit der Zeit», sagt Krieg und berichtetlapidar von «vielleicht zwei, drei Stürzen», die ihm bisher passiertseien - das klingt nicht tragisch. Dennoch sollte jeder angehendeKurier laut Althoff die Frage der Unfallversicherung mit demArbeitgeber klären.

Was die Radler nicht so sportlich nehmen wie Blessuren, ist derRuf der Verkehrsrowdys, der ihnen anhaftet: «Es geht längst nicht nurum Geschwindigkeit, sondern um Servicequalität den Kunden gegenüber»,sagt Bellmann. «Ganz wichtig ist Freundlichkeit und Zuverlässigkeit»,bestätigt Gerlinde Althoff. Andernfalls suchen sich die Arztpraxenoder Werbeagenturen andere Postzusteller. Und auch die großenUnternehmen lassen ihre Postfächer möglicherweise wieder selbst - undnicht vom Kurier - leeren.

Bei aller Professionalität gehört zum Kurierfahren für viele aberauch eine tüchtige Portion Lifestyle. «Manche identifizieren sichtotal damit. Für die ist der Beruf alles», erzählt Markus Krieg. Dasäußert sich nach Philipp Bellmanns Worten zum Beispiel darin, dassdiese Kuriere nur mit den allerbesten Rädern unterwegs sind oder sichbesonders ausgefallene Kleidung zulegen.

Immer wieder treten die Radkuriere sogar bei Wettbewerben bis hinzu Weltmeisterschaften gegeneinander an. «Das ist einer der wenigenJobs, die auch sportlich ausgetragen werden», sagt Gerlinde Althoff.Und obwohl die Kuriere erst seit einigen Jahren zum Straßenbilddeutscher Großstädte gehören, sind die Dienste keine neue Erfindung:Die ersten gab es schon Ende des 19. Jahrhunderts, wurden dann abernach und nach von der Post geschluckt, wie Althoff erklärt. «Diehatten damals sogar schon Telefone.»