Esskastanien Esskastanien: Stachelpakete mit leckerem Inhalt

Bonn/Edenkoben/dpa. - Geröstete Esskastanien und neuer Wein sind im Herbst in der Südpfalz eine alltägliche Delikatesse. Dann kreieren die Gastronomen leckere Gerichte rund um die Nüsse aus den kleinen Stachelpaketen. Anderswo sind Maronen eher ein Stiefkind in der Küche. «Es ist ein echter Nischenmarkt», sagt Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband in Bonn. Zu Unrecht, denn Esskastanien zählen zu den nahrhaftesten Früchten, die der Herbst zu bieten hat.
«Heiße Maroni, heiße Maroni», tönt es verlockend auf manchem Wochenmarkt. Aber nicht alle essbaren Kastanien sind Maronen: Wild wachsende Esskastanien sind nach Brüggers Worten rundlich, einseitig abgeflacht und füllen mit mehreren Geschwistern die stachelige Hülle. Die auf Ertrag und Größe gezüchteten Maronen werden dagegen durch Veredelung vermehrt.
Ob «marrons» aus Frankreich oder «marroni» aus Italien - meist sitzt nur eine der herzförmigen Früchte im Stachelbett. Ihr Fleisch ist fester und süßer als das ihrer wilden Schwester. «Qualitativ sind Maronen die besseren», sagt Brügger. Sie werden frisch mit Schale, geschält, getrocknet, tiefgefroren oder verarbeitet gehandelt. «Rund 65 Prozent der jährlichen Weltproduktion von 500 000 Tonnen entfallen auf Asien», sagt Brügger. In Deutschland sind vor allem italienische «marroni» gefragt.
Die veredelten Kastanienbäume kamen aus dem Kaukasus nach Europa. Für die Armenier waren das widerstandsfähige Holz und die nahrhaften Nüsse Grund genug, den Baum zu kultivieren. Die «Kastana» der Griechen latinisierten die Römer zu «Castanea». Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches schlugen die mächtigen Kastanien auch nördlich der Alpen Wurzeln. «Die Kastanienbäume sind zu Zeiten der Römer in Begleitung der Weinrebe in unsere Region gebracht worden», sagt Hans-Peter Ehrhart vom Forstamt Edenkoben in der Südpfalz.
Die Kastanienkultur erfährt zurzeit eine Renaissance. «Fast 100 verschiedene Sorten der kleinen Esskastanien gibt es noch heute im Tessin», sagt Forstingenieur Marco Marcozzi aus Agno in der Region Malcantone. Viele Haine werden wieder aufgeforstet. Rund ein Drittel des französischen Départements Ardèche soll zum «Regionalpark der Edelkastanien» werden, so Erica Bänziger und Fredy Buri in ihrem Buch «Esskastanie».
In beiden Regionen sicherten die Früchte das Überleben der armen Bevölkerung. In der Südpfalz war die Not geringer. «Gesammelt und gegessen wurden Kastanien schon immer. Aber die Abhängigkeit davon war nicht so stark wie in den Bergregionen der Schweiz, Italiens und Frankreichs», sagt Ehrhart. Heute verdienen sich die Kinder am Straßenrand mit gesammelten «Keschde» ein Taschengeld.
Auch die Gourmetküche zaubert inzwischen delikate Gerichte aus den Nüssen mit dem hohen Stärke-, Vitamin C- und Kaliumgehalt. Küchenchef Peter Heck vom «Waldhaus Wilhelm» in Maikammer berichtet etwa von Kastaniensuppe, glacierten Kastanien, Krusteln oder feinen Crepes zu Gans oder Wild. Ein Muss ist die mit Kastanien gefüllte Martinsgans. Für Süßschnäbel gibt es Kastanieneis oder -creme mit Feigen.
Das Schälen und Abrubbeln der Innenhaut kann zur Strafarbeit werden. Heck empfiehlt, die Kastanien an der flachen Seite kreuzweise einzuschneiden, dann im Backofen bei 180 Grad etwa 20 Minuten zu rösten oder in Salzwasser 15 Minuten zu kochen. Nach dem Wasserbad lassen sich Schale und innere Haut leichter lösen, aber geschmacklich verliere die Kastanie etwas.
Wer keine Gelegenheit zum Sammeln hat, dem rät Heck, beim Einkauf darauf zu achten, dass die Kastanien schwer und fest in der Hand liegen. Klingen sie hohl, sind sie nicht mehr frisch. Bei einer Hand voll Kastanien darf nicht mehr als eine wurmig sein. In einer Papiertüte halten sich frische Früchte nur wenige Tage im Kühlschrank. Blanchiert lassen sie sich jedoch problemlos einfrieren. Und das überlebt mit Sicherheit kein Wurm.
Literatur: Erica Bänziger/Fredy Buri: Esskastanie, Edition Fiona 2001, ISBN 3-907108-54, 11,90 Euro.
