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Essen und Trinken Essen und Trinken: Im Harz werden arme Ritter und Klümpe verspeist

Von Tina Eichmüller 07.08.2007, 09:05
Arme Ritter dekoriert mit einer halben Birne. (Foto: ddp)
Arme Ritter dekoriert mit einer halben Birne. (Foto: ddp) ddp

Leipzig/ddp. - «Dietraditionelle Harzer Küche ist nicht verspielt, sondern bodenständigund ehrlich. Das hat sich bis heute gehalten», sagt Oda Tietz,Autorin von «Das kleine Kochbuch aus dem Harz». Gerade dieses deftigeUnderstatement macht den Charme der Harzer Hausmannskost aus.«Mancher übersättigter Feinschmeckergaumen findet hier einewillkommene Abwechslung zu Miniportionen und überhöhten Preisen»,sagt die Autorin.

Der Harz ist ein Landkreis, der eine innige Beziehung zu Würsten,Sauerkraut, Schmalzbroten und Wildgerichten pflegt. «Würste gibt esin allen Variationen, beliebt sind zum Beispiel Mettwürste, Schmor-und Leberwurst oder Halberstädter», informiert Tietz. Bei derHerstellung kommt bereits das größte Geheimnis der Harzer Kochkunstins Spiel, das Würzen. Die Wurstspezialitäten werden zum Beispiel mitMajoran, Wacholder, Beifuß und Thymian verfeinert.

«Im Harz kommen generell viele pikante Würzmittel zum Einsatz.Typisch sind Senf, Zwiebeln, Knoblauch, Bärlauch und Kümmel»,informiert die Expertin. Üblich ist auch die Kombination von deftigund süß. «Zu pikanten Gerichten werden traditionell Backobst undfrische Birnen gegessen», erläutert Tietz. Klassisch sindWildgerichte mit Birnenspalten und getrockneten Pflaumen oder auchmit Aprikosen.

«Das wohl bekannteste kulinarische Wahrzeichen der Region ist derHarzer Käse mit Kümmel», sagt die Autorin. Der Sauermilchkäsezeichnet sich durch seine goldgelbe Farbe und den intensivenGeschmack und Geruch aus. «Durch muss er sein, laufen muss er,riechen muss er, aber bewegen darf er sich nicht», rezitiert Tietzihren Onkel Albert. Das Harzer Original habe den Spruch jedes Malaufgesagt, wenn er vor dem Essen mit theatralischer Miene dieKäseglocke lupfte. «Es war immer eine fast ehrfürchtige Situation,die er mit großem Genuss zelebrierte", erinnert sich Tietz.

Dieses Ritual spiegelt die Ehrfurcht vor den Lebensmitteln wider,die typisch für den Landstrich ist. »Die ehemalige Arme-Leute-Kücheist ihren Wurzeln bis heute treu geblieben«, betont die Autorin.Gerichte wie Pökelbraten mit Steckrübenpüree, Backleber mit Birnenoder Runxmunx (Gemüseeintopf mit Fleisch) sind dafür schmackhafteZeitzeugen. Üblich ist auch die Verwendung von Weißkohl, Möhren,Bohnen, Sellerie und Roter Beete.

Eine weitere Harzer Spezialität sind Klümpe (Klöße), die es in süßund pikant gibt. Eine Besonderheit ist, dass sie zum Kochen direkt indas jeweilige Gericht gelegt werden. »So nehmen die Klümpe das Aromader Speisen besonders gut an«, erklärt die Expertin. Deftige Klümpewerden zum Beispiel aus gekochten und rohen Kartoffeln, Eiern, Mehl,Semmelbröseln und Stärke gemacht und zu Sauerkraut, Fleisch, Suppeoder Eintopf gegessen. »Die süße Variante (z.B. Pflaumen-Klümpe)besteht aus Fruchtstücken, in Milch eingeweichten Semmeln, Mehl,Eiern, Zucker und Salz«, informiert die Autorin. Sie passen gut zusüßer Birnen- oder Hagebuttensuppe.

Desserts und Kuchen spielen in der traditionellen Harzküche eineeher untergeordnete Rolle. »Auch hier ist die Küche bodenständig«,sagt die Expertin. Sie versüßt Schleckermäulern zum Beispiel mitkleinen in Fett gebackenen Krapfen (Pilleken), Semmelkuchen,Grießbrei mit Zimt und Zucker, armen oder reichen Rittern den Tag.

»Die armen Ritter bestehen aus Weißbrot, das durch Milch gezogenund in Butterschmalz in der Pfanne ausgebacken wird«, sagt dieAutorin. In der 'reichen' Variante wird das Brot durchPfannkuchenteig gezogen. »Diese Speise ist bei Kindern der absoluteRenner«, betont Tietz. Dazu passen Honig, Zucker und Zimt oderApfelmus.