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Ein Navi am Gehwagen: Technik hilft Senioren

Von Andrea Barthélémy 25.05.2009, 13:14

Berlin/dpa. - Die alte Dame bewegt sich mit schleppenden Schritten über den Krankenhausflur. Auf ihren Gehwagen gestützt, lässt sie den kleinen Bildschirm zwischen den Handgriffen nicht aus den Augen: Denn dort blinkt ein roter Pfeil und weist ihr den Weg.

«Auch wer sich sonst schwer zurecht findet, kann mit so einem Navigator den Speisesaal im Pflegeheim problemlos finden», sagt Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen. Sie leitet die Forschungsgruppe Geriatrie des Berliner Universitätsklinikums Charité, wo am Montag (25. Mai) das Projekt «Smart Senior» startete. Es ist das Erste von bundesweit 17 Projekten, die Forschung, Industrie und Pflege in ein Boot holen sollen, um alten Menschen länger Mobilität, Selbstständigkeit und Gesundheit zu bewahren.

Eine Initiative, die nach Ansicht von Altersforschern überfällig ist. «Wir sind zu großen Teilen immer noch nicht auf den demografischen Wandel vorbereitet», sagt Steinhagen-Thiessen. Zu lange habe man technische Hilfsmittel für Alte verteufelt. «Aber es geht nicht darum, die Menschen in der Alten- und Krankenpflege zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen.» Bei einem Gang durch das Evangelische Geriatriezentrum Berlin stellt die Altersforscherin vor, was sie damit meint.

In einem Therapieraum sitzt eine Schlaganfallpatientin vor einem Computer: Ein spezielles Trainingsprogramm hilft ihr dabei, schrittweise die Hand an den Mund zu führen - Sensoren am Körper kontrollieren ihre Bewegung und das Programm gibt auch ein Feedback, wie gut ihr die Übung gelungen ist. «Am Anfang sind die Berührungsängste groß. Aber dann sind die Patienten ganz wild auf diese Computerübungen und wollen gar nicht mehr aufhören», berichtet eine Ergotherapeutin. Gerade weil es für viele Patienten frustrierend sei, vor einem Therapeuten die ersten, winzigen und nicht immer erfolgreichen Schritte zu machen. «Aber vor dem Computer können sie einfach so lange für sich weiter üben, bis es klappt.»

Wie wichtig diese Selbstständigkeit ist, davon weiß auch der Journalist Jürgen Leinemann (Der Spiegel) zu berichten. Vor mehr als einem Jahr erkrankte er schwer und fand erst nach monatelanger Therapie im Berliner Zentrum Schritt für Schritt in sein Leben zurück. «Ich war immer ein technischer Idiot und habe mich nie dafür interessiert. Aber mein Selbstwertgefühl lag nach der Krankheit am Boden und die Rückkehr in den Alltag war sehr wichtig. Da ist mir heute jede technische Unterstützung recht.»

Prof. Hans Aukes von der Deutschen Telekom und Sprecher der Allianz «Smart Senior», betont, dass die technischen Neuerungen sich möglichst 'spurenlos' in den Alltag der Alten einfügen und leicht bedienbar bleiben müssen. «Das Thema Handys hat uns gezeigt, wie man es nicht macht. Geräte und Displays wurden immer kleiner, die Technik immer komplizierter.» In der Handhabung einfach, technisch aber hochkomplex soll so etwa der Notfallsensor der Zukunft sein: Als Armband getragen, messen mikroskopisch feine Fühler Atmung, Puls, Schweiß, aber auch Zucker- oder EKG-Werte. Gefährliche Abweichungen werden an eine Notfallzentrale gemeldet, die Alarm auslöst. Der Clou an der Sache: eine standardisierte Schnittstelle, die die Daten sowohl über W-LAN als auch über Mobilfunk weiterleitet und somit den Träger grenzenlos mobil sein lässt.

Auch ein Sensoren-bewehrter Hüftgürtel, der vor Stürzen warnt, oder ein selbstfahrender Rollstuhl, der durch Kopfnicken bewegt wird und Hindernissen automatisch ausweicht, gehören zu den Hilfsmitteln der Zukunft. Geforscht wird zudem an einem Notfallassistent fürs Auto, der etwa bei einem Schlaganfall des Fahrers den Wagen sicher zum Stehen bringt.

«Was uns Hoffnung macht, ist, dass auch Krankenkassen mit im Boot sind und das Projekt unterstützen», sagt Aukes. Daneben sind es die Deutsche Telekom, Alcatel-Lucent, Siemens, BMW, mittelständische Unternehmen wie die Berliner PRISMA GmbH, Partner aus der Wohnungswirtschaft und dem Dienstleistungssektor, Interessenverbände und Forschungseinrichtungen, die diese und andere Teilprojekte in den nächsten drei Jahren zur Marktreife bringen sollen.