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Deutschland Deutschland: Gibt es Königswege aus der Kinderlosigkeit?

Von Basil Wegener 02.06.2005, 14:12

Berlin/dpa. - Eine Studentin mit Baby ist an deutschen Universitäten exotisch. Auszubildende, die nebenher Zeit für ihr Kind beanspruchen, sind in hiesigen Unternehmen eine Rarität. Das bestätigt auch Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach in Berlin.

«Erst muss man die Ausbildung abgeschlossen und einige Jahre Berufserfahrung haben, dann kann man darüber nachdenken, Kinder zu bekommen.» So umreißt die Geschäftsführerin die vorherrschende Einstellung der Bundesbürger.

Oft ist es dann aber zu spät, wie die Allensbach-Studie zeigt. Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) fordert deshalb: «Wir brauchen Zeit für Kinder.» Doch führende Experten wie Hans-Peter Blossfeld, der Direktor des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg, beklagen schon seit langem: «Die Zwänge der Globalisierung haben den Kindermangel in Deutschland verschärft.» Unsicherheit im Job, befristete Arbeitsverträge, große Mobilitätsanforderungen gerade beim Berufsstart - woher sollten sich die Menschen da die Freiheit zum Kinderkriegen nehmen?

Die jüngste Studie, für die die Allensbacher 1856 Deutsche zwischen 16 und 44 Jahren befragt haben, zeichnen das Bild einer Gesellschaft, in der der Kinderwunsch nachrangig ist: 69 Prozent der Bundesbürger wollen, dass sowohl der Mann als auch die Frau vor den Kindern erst eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Als Voraussetzung für gesellschaftliche Anerkennung sehen 29 Prozent den Beruf für 29 Prozent - Kinder sind das für nur 7 Prozent.

Bis 1990 hatten fast 60 Prozent der Frauen zwischen 25 und 29 Jahren bereits Kinder, heute sind es mit 29 Prozent nicht einmal die Hälfte. Der in jungen Jahren oft intensive Kinderwunsch sinke ab Mitte 30 aber rapide. Anders als etwa in Frankreich bekommen viele Frauen hier dann keine Kinder mehr. Angesichtes der millionenfach unerfüllten Wünsche junger Erwachsener beklagte Schmidt die «Zerstörung von Lebensplänen» in Deutschland.

Wo sollte die Politik nun zuerst ansetzen? An der überragenden Wertstellung des Jobs, den in Westdeutschland oft miserablen Betreuungsmöglichkeiten oder an der finanziellen Unterstützung während der Elternzeit, für die Schmidt ein Elterngeld plant? «Wir müssen die Erst-Mal-Mentalität überwinden», fordert Schmidt, «die vor das Kind erst mal Berufseinstieg, Hausbau, Heirat, großes finanzielles Polster setzt.» Familienfreundliche Hochschulen und Regelungen für Ausbildung in Teilzeit könnten helfen. Allianzen mit Unternehmen. Und Transparenz über die Förderung für angehende Eltern. Bessere Betreuung sieht Schmidt aber als wichtigsten Schlüssel zur Lösung.

Doch ist das der Königsweg? Bereits vor fünf Monaten präsentierte Allensbach-Chefin Köcher in Berlin Umfrageergebnisse zum Thema Kinderkriegen. Damals unterstrich die Demoskopin, nur 14 Prozent sähen mangelnde Betreuungsmöglichkeiten als zentrales Hindernis fürs Kinderkriegen. Auftraggeber der Studie: das Land Baden-Württemberg. Der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) betonte in Abgrenzung von der rot-grünen Bundesregierung, der Staat dürfe nicht nur die Betreuungsplätze ausbauen. Nun sagt Köcher an der Seite der SPD-Ministerin Schmidt: Die Familien könnten sich erst über ihren besten persönlichen Umgang mit den Anforderungen Kind und Karriere klar werden, «wenn man die Betreuungssituation ausbaut».