Dampfnudel wird wiederentdeckt
München/Neustadt/dpa. - Unscheinbar sehen sie aus, aber die Zubereitung von Dampfnudeln will gelernt sein. Die blassen faustgroßen Teigbatzen mit den wohlriechenden Krüstchen zählten früher zur Kür einer Pfälzer Köchin.
Ob süß oder salzig - die im geschlossenen Topf gedämpfte Mehlspeise aus leichtem Hefeteig war lange Zeit in Bayern und der Pfalz ein typisches fleischloses Freitagsessen. Mit Vanille- oder Weinsoße erlebt das ehemalige Hauptgericht inzwischen als Dessert eine Renaissance.
An ihrem Geburtstag lädt Ruth Reuter aus Neustadt/Weinstraße in der Pfalz seit Jahren zum Dampfnudel-Essen ein. Bei ihren Freunden steht das Traditionsessen hoch im Kurs. «Plattenweise gehen die Dampfnudeln weg», erzählt die Pfälzerin. Vorweg gibt es Kartoffelsuppe, zu den Dampfnudeln wird Weinsoße serviert. Damit die Hefeballen warm auf den Tisch kommen, nehmen die Gäste gern in Kauf, dass das Geburtstagskind in der Küche steht. Denn das frühere Alltagsgericht ist mittlerweile eine seltene Delikatesse.
Schmal war ehemals der Küchenzettel. Und die katholische Kirche bestimmte in großen Teilen Süddeutschlands nicht nur in der Fastenzeit, sondern auch am fleischlosen Freitag den Speiseplan. Es war neben kargen Wasser-, Brot- und Brennsuppen die Zeit von Mehlspeisen wie Dampfnudeln. «Es wurden dafür wenig Zutaten benötigt, die damals am einfachsten und günstigsten zu bekommen waren», sagt Monika Reiter, Leiterin der Kochschule von Gourmetkoch Alfons Schuhbeck in München. Mehl, Milch, Eier, Butter oder Schmalz, Salz, Zucker, Hefe oder Sauerteig besaßen auch ärmere Haushalte.
Die Beilagen unterschieden sich je nach Region. In Bayern gab es an hohen Feiertagen wie Weihnachten «feine Weizennudeln» aus glattem Weizenmehl, sagt Reiter. Das restliche Jahr mussten es «roggene Nudeln» aus Roggenmehl und Sauerteig sein, die besser sättigten. Hinzu kam eine Prise Salz oder Zucker. Dazu wurden herzhafte Beilagen wie Sauerkraut, Schwammerlsoße oder Gulasch, aber auch süße Kompotte oder im Winter Dörrobst gereicht.
In der Pfalz kam traditionell vorweg eine Kartoffel- oder Gemüsesuppe auf den Tisch. Zu den Dampfnudeln aßen Erwachsene eine Weinsoße und Kinder Kompott oder Dörrobst. Die Mehlspeise brauche eine flüssige Zugabe, da sie viel Soße aufsauge und dadurch erst richtig schmecke, sagt die Münchner Köchin.
Das «Universal-Lexikon der Kochkunst» von 1886 kennt neben bayerischen, gebackenen und süßen Dampfnudeln mit Pflaumen eine Rezeptur für «Krebs-Dampfnudeln». Dafür wird der Topf mit Krebsbutter ausgestrichen und mit Milch aufgefüllt, dann werden die Teiglinge hineingesetzt. Eine mit Zucker und Zimt gewürzte Krebssoße rundet das Gericht ab. Heute eine seltene Delikatesse, während damals Flusskrebse nichts Außergewöhnliches waren.
Gelungene Dampfnudeln sind luftig gebacken und haben eine goldbraune Kruste. Wie kross diese sein muss, darüber streiten sich die Liebhaber. Das Krüstchen bildet sich durch die Zugabe von Wasser oder Milch, Butter, Zucker oder Salz und geringer Hitzezufuhr. Bei zu wenig Hitze entsteht keine Kruste, bei zu viel Hitze wird sie zu dunkel. «Bis man die richtige Temperatureinstellung am eigenen Herdes weiß, bedarf es ein wenig Übung», sagt Reiter.
Ruth Reuter hört es am Zischen und Knacken im Topf, wann die Flüssigkeit verdampft und die Mehlspeise gar ist. Ob die Kruste perfekt ist, muss die erfahrene Hobby-Bäckerin «erriechen». Damit die empfindlichen Teilchen nicht zusammen fallen, darf der Topfdeckel während des Kochens nicht geöffnet werden.
Im früheren Haushalt war ein gusseiserner Topf eigens nur den Dampfnudeln vorbehalten. Inzwischen schwört Ruth Reuter auf eine beschichtete Pfanne mit Glasdeckel. «Der Deckel muss gut schließen, damit kein Dampf entweichen kann.» Ein feuchtes Küchentuch zwischen Deckel und Topf kann abhelfen, empfiehlt Kochschulleiterin Reiter. Auch sollte der Topf einen dicken Boden haben, der die Hitze speichert und gleichmäßig abgibt.
Die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher genoß bei einem Gastmahl mit Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl dessen Lieblingsgericht aus Kindertagen als exklusives Dessert - kleine Dampfnudeln auf Brombeermark mit weißem Mohnmousse. Im «Parlamentarischen Schimpf- und Schmunzellexikon» ist die Leibspeise dagegen als Kraftausdruck im Bundestag dokumentiert.
REZEPT: Dampfnudeln mit Vanillesahne aus Schuhbecks Kochschule
Zutaten: 25 Gramm Hefe, 30 Gramm Zucker, 1/4 Liter Milch, 500 Gramm Mehl, 2 Eier, 80 Gramm Butter, 1 Prise Salz. Zum Backen: 1/4 Liter Milch, je 30 Gramm Butter und Butterschmalz, 1-2 Esslöffel Zucker.
Und so wird's gemacht: Für den Vorteig die Hefe mit 2 Teelöffel Zucker in vier Esslöffel lauwarmer Milch auflösen. Das Mehl in eine Schüssel sieben und eine kleine Mulde in die Mitte drücken. Die Hefemilch hinein geben und mit etwas Mehl verrühren. Mit einem Küchentuch bedecken und bei Wärme etwa 15 Minuten gehen lassen.
Die Eier verquirlen, mit der restlichen Milch, Salz und dem übrigem Zucker verrühren und die weiche Butter hinzufügen. In der Küchenmaschine oder mit einem Holzlöffel so lange durchkneten, bis sich der glatte und elastische Teig vom Schüsselrand löst. Zudecken und 45 Minuten an einem warmen Ort gehen lassen, bis sich der Teig verdoppelt hat.
Den Teig mit den Händen auf wenig Mehl kräftig durchkneten und bis zu 5 Zentimeter (cm) dicke Rollen formen. Etwa 5 cm große Stücke abschneiden und jedes Teil zu einer glatten Kugel formen.
In einem flachen Topf von etwa 30 cm Durchmesser die Milch mit dem Zucker erwärmen. Butter und Butterschmalz darin schmelzen. Die Teiglinge hinein setzen, den Deckel aufsetzen und noch einmal 20 Minuten gehen lassen. Auf dem Herd bei mittlerer Hitze anbraten.
Den Backofen auf 180 Grad vorheizen und den geschlossenen Topf hinein schieben. Die Dampfnudeln etwa 35 Minuten backen. Den Topf zwischendurch nicht öffnen, damit sie luftig backen. Warm servieren. Dazu schmeckt geschlagene mit Vanillemark und Zucker verfeinerte Sahne.