Charaktergestalt mit vielen Gesichtern: Garten-Wolfsmilch
Bonn/dpa. - Der Blick in alte Stauden-Kataloge fördert wenig zu Tage: Walzen-Wolfsmilch (Euphorbia myrsinites) steht da und Vielfarbige Wolfsmilch (Euphorbia polychroma). Aber dann ist auch schon Schluss.
Aktuelle Kataloge dagegen führen 10 bis 20 Arten und Sorten auf. Mit jeder Saison scheinen es mehr zu werden und das mit gutem Grund, denn zu den Euphorbien zählen wahre Charaktergestalten.
Ein echter Schatz für den Frühjahrsgarten ist die Mandel-Wolfsmilch (Euphorbia amygdaloides). Schon zu Frühjahrsbeginn erscheinen die gelbgrünen Blütentriebe, an denen sich strahlend-zitronengelbe Blütenstände öffnen. Noch spektakulärer wird es bei Sorten wie 'Purpurea', 'Efanthia' oder 'Black Bird', deren Blütentriebe rot oder schwarzrot gefärbt sind.
Ein kleiner Wermutstropfen bei den schönen roten Sorten: Sie sind anfällig für Mehltau. Aber aus Großbritannien kommt Hoffnung, dort soll es erste Mehltau-resistente Sorten geben wie 'Craigieburn' und 'Welsh Dragon'. Nach der Blüte zurückgeschnitten, bestechen alle Mandel-Wolfsmilch durch den sauberen Wuchs der rund 40 Zentimeter hohen Triebe. Sie wollen unter Gehölzen oder am Gehölzrand stehen - vor starker Wintersonne geschützt.
Wer sich auf die Suche nach der schönsten Mandel-Wolfsmilch begibt, wird unweigerlich auf Euphorbia amygdaloides var. robbiae stoßen. Sie besitzt glänzend-dunkelgrüne Blätter und nimmt gern mit Baumschatten vorlieb. Sie sollte aber nur wohl überlegt in den Garten gepflanzt werden, denn sie treibt kräftig Ausläufer. Aber manchmal ist gerade das willkommen - im Wurzelfilz alter Bäume beispielsweise, wo sonst nichts gedeiht.
Dass Euphorbia griffithii Ausläufer treibt, ist ein Manko, das sie mit unglaublichen Farben mehr als wettmacht. Von Mai bis Juni glüht sie im strahlenden Orangerot ihrer Hochblätter und Blüten. Im Herbst wiederholt sie das Schauspiel mit feuerroter Herbstfärbung. Beides hat ihr den Namen Feuer-Wolfsmilch eingetragen. Besonders schön sind Sorten wie 'Fireglow', die außerhalb der «Feuerzeiten» extravagant bräunliches Laub trägt.
Wer doch lieber einen Bogen um die ausläufertreibenden Formen macht, wird viel Freude an der rund 50 Zentimeter hohen Vielfarbigen Wolfsmilch (Euphorbia polychroma) haben. Vielfarbig sind bei ihr die Grün-Gelb-Schattierungen, die die Blütentriebe während des Aufblühens durchlaufen. Mit einer Blütezeit von Mai bis Juni setzt sie die ganze Vorsommerzeit hindurch strahlendgelbe Akzente.
Zu den eindrucksvollsten Wolfsmilch-Gestalten wächst die bis zu einem Meter große immergrüne Euphorbia characias heran. Sie stammt aus dem Mittelmeerraum und ist in rauen Regionen nicht sicher winterhart. Notfalls müssen Sorten wie 'Black Pearl' mit ihren schwarz gefleckten Einzelblüten oder die cremeweiß gestreifte 'Emmer Green' im Kübel Platz nehmen und im Winter in frostfreie Kühle umziehen. In milderen Zonen stehen sie - nach Frühjahrspflanzung, damit sie einwurzeln können - im sonnigen Beet.
Etwas härter im Nehmen ist Euphorbia x martinii, eine natürliche Kreuzung zwischen Euphorbia amygdaloides und Euphorbia characias. Von ihr gibt es kleinwüchsige Sorten wie die nur 30 Zentimeter hohe 'Baby Charm', die fast schon den Steingarten-Wolfsmilch Konkurrenz macht. Die Walzen-Wolfsmilch (Euphorbia myrsinites) ist die bekannteste. Harte, graugrüne Blätter umgeben die Triebe, die bis zu 50 Zentimeter Länge erreichen.
Ein wesentlich zierlicherer Bewohner für den Steingarten ist die Rasen-Wolfsmilch (Euphorbia capitulata). Nur wenige Zentimeter hoch reckt sie kriechende Triebe, die mit der Zeit dichte Matten bilden. Kleine gelbe Blütenköpfchen stehen im April und Mai darüber.
Bei ihr wie bei all den anderen schwingt im Namen Wolfsmilch eine große Portion Respekt mit. Ihr Milchsaft, der bei Verletzungen austritt, ist je nach Art mehr oder weniger giftig. Augen und Schleimhäute sollten nicht mit ihm in Berührung kommen. Die Haut empfindlicher Menschen kann nach Kontakt mit der Milch Blasen bilden. Sich Handschuhe anzuziehen und anschließend die Hände gründlich zu waschen, beugt solchen Problemen aber zuverlässig vor.
Die Gattung Euphorbia umfasst 2000 Arten. Der beliebte Weihnachtsstern zählt dazu, der Christusdorn oder die mächtigen Säulen-Euphorbien, die oft mit Kakteen verwechselt werden. Mit den schönen Garten-Euphorbien verbindet sie der weiße Milchsaft und die besondere Blütenform. Euphorbien entwickeln Scheinblüten, sogenannte Cyathien, in denen die extrem reduzierten Blüten zusammensitzen: Weibliche mit nur einem nackten Fruchtknoten, sowie männliche, die nur aus einem Staubgefäß bestehen. Was als Blüte erscheint, sind farbige Hochblätter oder blütenblattartige Anhängsel.