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Bio-Boom steigert Nachfrage an Hochschulen

Von Burkhard Fraune 11.10.2007, 14:14

Eberswalde/dpa. - Langsam erreicht der Bio-Boom die Hochschulen: Die Fachhochschule Eberswalde (Barnim) spricht von einem «Ansturm» auf den Studiengang Ökolandbau.

Auch die übrigen deutschen Ökolandbau-Institute melden immerhin stabile bis steigende Bewerberzahlen - während bei den konventionellen Agrariern bundesweit die Studenten weniger werden. Um am Boom mitverdienen zu können, müssen sich die angehenden Bio-Bauern aber nach Worten der Eberswalder Professorin Anna Häring erst von einigen Illusionen trennen: «Die Härte des Lebens in der Landwirtschaft ist vielen nicht klar.» Und: «Auch der Bio-Bauer kann ohne Vermarktung nicht leben.»

Kontinuierlich haben die konventionellen Agrarstudiengänge in den vergangenen Jahren an Erstsemestern eingebüßt, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Gut gedeihen dagegen die neuen Öko-Studiengänge - ob in Eberswalde, Kassel-Witzenhausen (Hessen) oder Hohenheim (Baden-Württemberg) - auch wenn dies noch vergleichweise zarte Pflänzchen sind.

«Der Bio-Boom bringt einen extremen Nachwuchsbedarf», sagt Häring. Schließlich müsse der wachsende Markt für Bio-Lebensmittel versorgt werden. Dieser erreichte im vergangenen Jahr in Deutschland ein Umsatzvolumen von rund 4,6 Milliarden Euro, und Experten erwarten weiteres Wachstum. Selbst manch klassisch studierter Diplom-Landwirt hat nach dem Examen den Hof der Eltern «auf Bio umgestellt», wie beim Fachbereichstag Agrar der Fachhochschulen zu hören ist.

Studieneinführungswoche in Eberswalde: Junge Männer mit Rasta- Locken und Wollsocken in Sandalen sowie Erstsemesterinnen in handgestrickten Pullis erfahren, wie sie kühl rechnende Biobauern werden. In der Pause schwärmen sie vom bewussten Leben im Einklang mit der Natur. Hella von Dallwitz ist eine der wenigen, die den harten Alltag des Landwirts gut kennt. Die 21-Jährige stammt von einem Biohof bei Kyritz (Ostprignitz-Ruppin).

«Das Kaufmännische ist aber nicht ganz meins», gesteht sie, bevor ein Dozent ihr den Stundenplan erklärt. Darauf stehen nicht nur Tierhaltung und die Grundlagen der Landwirtschaft; in den sechs Semestern bis zum Bachelor erwarten von Dallwitz auch Fächer wie Rechnungswesen, Finanzmanagement, Personalwesen und Datenverarbeitung.

Denn inzwischen müssen Bio-Landwirte mehr können als Wochenmärkte beliefern. Kein Discounter ohne eigene Bio-Linie, immer mehr Bio- Supermärkte: «Die Mechanismen sind mittlerweile die gleichen wie bei den Konventionellen», sagt Häring. «Wenn man heute einen Bio-Betrieb führen will, muss man kaufmännisch viel drauf haben», meint auch Ludolf von Maltzan, Geschäftsführer von Ökodorf Brodowin, einem Betrieb in der Uckermark. Ein konventionell arbeitender Bauer verkaufe mit einem Anruf seine 500 Tonnen Winterweizen. «Wir haben viel mehr Produkte und viel mehr Kunden, das erfordert höhere Anstrengungen», sagt der Diplom-Agraringenieur, dessen Betrieb nicht nur einen Hofladen und einen Lieferservice betreibt, sondern auch für den Bio-Großhandel produziert.

Diese Abläufe lernen die Eberswalder Studenten in Praxissemestern kennen - nicht als Knecht, sondern als Berater. So brachten zwei Studenten ein neues Joghurt-Getränk auf den Markt, entwickelten zuvor Geschmacksmuster, befragten Verbraucher, kalkulierten Kosten. Abschlussarbeiten entwarfen Marketingkonzepte für Schafmilchreis und Kosmetika aus Stutenmilch. Inzwischen bietet die FH auch einen Master-Studiengang, der für Leitungsposten qualifiziert - etwa bei Großhändlern, Weiterverarbeitern oder als Einkäufer für Supermärkte. Der 29-jährige Erstsemester Volker Loest aus Criewen (Uckermark) hat bereits das Thema Marketing fest im Blick: «Man muss dem Verbraucher vor allem klar machen, warum Bio teurer ist.»

Fachhochschule Eberswalde: www.fh-eberswalde.de

Universität Hohenheim: www.uni-hohenheim.de

Ökologische Agrarwissenschaften Uni Kassel: www.wiz.uni-kassel.de