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Bildung Bildung: Hürden in der Weiterbildung

08.11.2005, 10:20
Die Bundesagentur für Arbeit finanziert deutlicher weniger Arbeitslosen Weiterbildungsangebote als früher - selbst für motivierte Arbeitsuchende ist es Experten zufolge heute schwierig, eine Fortbildung zu bekommen. (Foto: dpa)
Die Bundesagentur für Arbeit finanziert deutlicher weniger Arbeitslosen Weiterbildungsangebote als früher - selbst für motivierte Arbeitsuchende ist es Experten zufolge heute schwierig, eine Fortbildung zu bekommen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Köln/Bonn/dpa. - Doch die Chancen, mit zusätzlicher Qualifikation im Jobvoranzukommen oder überhaupt eine Stelle zu finden, sind nicht füralle gleich. Vor allem für Erwerbslose sind die Hürden höher geworden.

«Heute ist es selbst für motivierte Arbeitslose schwierig, eineFortbildung zu bekommen», sagt Prof. Reinhold Weiß, stellvertretenderLeiter des Bereichs Bildungspolitik und Arbeitsmarktpolitik amInstitut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Denn «dasSteuerungsinstrument» für die Weiterbildung habe sich entscheidendverändert.

Wurden Förderungsberechtigte früher von den Beratern derBundesagentur für Arbeit (BA) in Kurse vermittelt, müssen sie sichinzwischen mit einem BA-Bildungsgutschein selbst auf die Suche nacheinem Weiterbildungskurs in ihrer Region machen und binnen einerFrist von drei Monaten den richtigen finden. «Allein mit der Suchenach Anbietern bis zum Beginn der Kurse vergeht Zeit, da gibt esStreuverluste», sagt Weiß. Bedingung für die Zulassung ist auch, dassdie Kursteilnehmer ein halbes Jahr nach Abschluss der Fortbildung miteiner Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent nicht mehr arbeitslosgemeldet sind.

Deutliche Mittelkürzungen haben die Situation noch verschärft.«Die Angebote sind zusammengebrochen, es ist nur noch ein Viertel bisein Drittel da», sagt Peter Faulstich, Professor fürErwachsenenbildung und Weiterbildung an der Universität Hamburg. Vorallem längerfristige Projekte seien eingestellt worden.

Eingebrochen ist auch die Zahl der Teilnehmer an BA-finanziertenWeiterbildungsmaßnahmen. Im Jahr 2001 seien noch 440 000 Menschen inden Genuss einer solchen Förderung gekommen, erläutert Bert Paulsen,Leiter des Arbeitsbereichs Bildungswege, Kompetenzentwicklung undLernwege am Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Bonn. 2003waren es gerade noch 246 000. «In diesem Jahr werden, wenn eshochkommt, 80 000 bis 85 000 Gutscheine ausgegeben», schätzt Paulsen,«eine rasante Talfahrt». Noch so förderungswürdige Leute würden keineberufliche Weiterbildung bekommen, weil kein Geld da sei.

Das spüren auch die Kursanbieter. «Die sind jetzt die Gekniffenen,es gibt einen ziemlichen Aderlass in der Branche», sagtBildungsexperte Weiß. Viele Einrichtungen hätten festangestelltesPersonal entlassen, etliche Träger seien schon Pleite gegangen. Das«Horror-Szenario» für Bert Paulsen vom BIBB ist: «Die Leute habeneinen Gutschein, aber es sind keine Anbieter mehr da.»

Trotz der «dramatisch verschlechterten» Lage rät Prof. FaulstichErwerbslosen dringend, sich um Weiterbildung zu bemühen. «Man musssich selber aktivieren», sagt er. Persönliches Engagement seiwichtig. Noch fehle es zwar an Transparenz in der Beratung, aber einegute Vorbereitung, etwa bei Fachleuten einer kommunalenBeratungsstelle, vor dem Gang zur BA könne helfen.

«Wenn man fordernd in die Gespräche geht, hat man auch Chancen»,sagt er. Langfristig sei Weiterbildung nach wie vor eine sinnvolleStrategie, sowohl persönlich individuell als auchvolkswirtschaftlich. «Wenn die Gutscheine nicht eingelöst werden,sinkt auch das Angebot», warnt er.

Sehen alle Fachleute die von der BA finanzierte Weiterbildung fürArbeitslose in einer Abwärtsspirale, scheine die betrieblicheWeiterbildung vergleichsweise sehr stabil zu sein, sagtIW-Bildungsfachmann Weiß. Doch den Anspruch auf Bildungsurlaub, derin zwölf Bundesländern - ausgenommen sind Baden-Württemberg, Bayern,Sachsen und Thüringen - per Gesetz garantiert wird, nehmen immerweniger Arbeiter und Angestellte wahr. «Das hat mit der Angst um denArbeitsplatz zu tun», sagt Weiß.

Erwerbstätigkeit sei ein ganz wichtiger Punkt, um in Weiterbildungzu kommen, stellt BIBB-Experte Paulsen fest, ebenso die beruflicheStellung. Die Weiterbildung in der Arbeitswelt leide insgesamt unterdem Problem des ungleichen Zugangs. «Das ist das Matthäus-Prinzip:Wer hat, dem wird gegeben», sagt Paulsen.