1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Beziehungsleben: Beziehungsleben: Über Störendes reden beugt Frust und Gleichgültigkeit vor

Beziehungsleben Beziehungsleben: Über Störendes reden beugt Frust und Gleichgültigkeit vor

Von Manja Greß 25.09.2007, 11:23
Gescheiterte Beziehung - nach etlichen Versuchen, ihren drogensüchtigen Freund Pete Doherty zu ändern, verließ das Topmodel Kate Moss ihn schließlich. (Foto: dpa)
Gescheiterte Beziehung - nach etlichen Versuchen, ihren drogensüchtigen Freund Pete Doherty zu ändern, verließ das Topmodel Kate Moss ihn schließlich. (Foto: dpa) PA

Köln/Wuppertal/dpa. - Ist die Liebe frisch, hängt der Himmelnoch voller Geigen. Nur allzu gern blicken Neuverliebte durch dierosarote Brille, die jede noch so skurrile Eigenart des neuenPartners mit Sympathie einfärbt. Bald sind die Schmetterlinge imBauch aber wieder fortgeflogen. Kleidungsstil, Ordnungswahn oderTrägheit des Partners dann grundsätzlich zu ändern, ist bei wenigKompromissbereiten kaum möglich - und wer es dennoch versucht, mussmit viel dicker Luft rechnen.

In der Anfangszeit sei die Harmonie in der Beziehung für vieleMenschen am wichtigsten - das ist die Ansicht von PaartherapeutManuel Tusch aus Köln. «Darum schauen sie über Störendes lieberhinweg, als es offen anzusprechen.» Außerdem habe man sich nun einmalgenau für diesen Menschen entschieden und wolle nicht gleich wiederan der Richtigkeit dieser Entscheidung zweifeln.

«Das funktioniert so nach dem Motto: Mein neuer Partner sitzt zwarziemlich oft vor dem Fernseher, anstatt etwas mit mir zu unternehmen.Aber dafür kann ich über alles mit ihm reden.» Diese Methode hilftlaut Tusch allerdings nur kurzzeitig über Ärgernisse hinweg. «Wennsich unangenehmen Dinge häufen, wächst die Unzufriedenheit.» Wasdauerhaft nervt, gehört daher offen angesprochen - nur so lassen sichFrust und Gleichgültigkeit vermeiden.

«Oft heißt es, man müsse den Anderen so nehmen, wie er ist. Ichglaube aber sehr wohl, dass in vielen Menschen ein großesVeränderungspotenzial steckt», sagt Tusch. «Die Frage ist nur, wiedas genutzt wird.» Ob der Partner sich erfolgreich ändern lässt,hängt vor allem von seinem Charakter ab. So seien grundsätzlichkompromissbereite Menschen, denen sehr viel an einem harmonischenZusammenleben liegt, Kritik gegenüber offener als Sturköpfe.

Wer bei letzteren kleine Erfolge erzielen will, hält sich ambesten an ein Prinzip: «Der Ton macht die Musik», sagt derKommunikationsexperte Rudi Rhode aus Wuppertal. «Auf keinen Fallsollte man dem Partner Vorwürfe machen.» Der Andere dürfe sich nichtangegriffen fühlen. Besser sei es, mit sogenannten Ich-Botschaften zuarbeiten: «Nervt es mich zum Beispiel, dass mein Partner zuVerabredungen immer zu spät kommt, bringt es nicht viel, ihn mit denWorten "Ständig kommst du zu spät" anzugreifen.»

Besser sei «Es macht mich traurig, dass ich immer auf Dich wartenmuss», sagt Rhode. Denn damit könne man den Partner eher zumNachdenken bringen - die Grundlage für ein Einsehen seinerseits. Aufdiese sanfte Tour könne der Andere auch gleich erfahren, warum erdiese Unart abstellen muss, sagt die Psychologin Anna Schoch ausMünchen. «Menschen ändern sich schließlich nicht einfach so, sondernnur, wenn sie einen Grund dafür sehen und merken, dass sie mit ihrembisherigen Verhalten nicht weiter kommen.»

Nach Ansicht von Rhode ist es aber wichtig, nicht unvorbereitet inden Konflikt zu gehen. «Man sollte sich vorher genau überlegen, waseinen stört, warum das so ist und wie man es stattdessen gern hätte.»Außerdem empfiehlt er, die Kritik immer vom Anlass zu lösen:«Beteiligt sich der Andere zum Beispiel nicht an der Hausarbeit,bringt es nicht viel, ihn gerade dann damit zu konfrontieren, wennman gerade vor einem riesigen Berg schmutzigen Geschirrs steht.» Eingemeinsamer Spaziergang oder der stressfreie Abend, den man gemütlichmit einem Glas Wein verbringt, eignen sich da schon eher.

Dann können kleine Ärgernisse in aller Ruhe besprochen und mitVerbesserungsvorschlägen versehen werden. Ein bisschen Kreativitätkann dann nicht schaden, sagt der Paartherapeut Gerrit Grahl ausFrankfurt/Main. Wer zum Beispiel den Kleidungsstil des Partnersfurchtbar findet, darf ruhig ein wenig um die Ecke denken: «Ich kannganz nebenbei erwähnen, dass ich beim letzten Stadtbummel eine tolleJacke gesehen habe, die dem Anderen sicher gut stehen würde.»

Anna Schoch schlägt vor, von Bekannten zu erzählen, wenn man demPartner etwas andeuten will: «Nehmen wir das leidliche Thema Rauchen.Will man erreichen, dass der Partner sein Laster einstellt, kann manvon einem Kollegen erzählen, der sich gerade das Rauchen abgewöhnthat und jetzt mit Begeisterung Sport treibt.» Die offene Motzerei istwomöglich ohnehin schon etliche Male im Streit geendet.

Paartherapeut Manuel Tusch warnt aber davor, die Grenze zurManipulation zu überschreiten: Es könne beim Anderen schnell einschlechtes Gefühl verursachen, wenn die Dinge ständig «durch dieBlume» formuliert werden. «Darum sollte man mit dieser Methodevorsichtig sein.» Und eins muss den Experten zufolge klar sein: Werden Partner nicht mit Haut und Haaren nehmen will, wie er ist, mussmit dicker Luft rechnen.

«Jeder Ratschlag ist ein Schlag - egal, wie gut er gemeint ist»,sagt Schoch. Trotzdem müsse man nicht alles schlucken, was derPartner macht.» Wer etwas ändern will, muss also Stress aushalten undkonsequent zu seiner Meinung stehen - nur dann liegen vielleicht baldweniger zerknautschte Socken vor dem Bett herum.