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Benimmregeln Benimmregeln: Geiz ist längst nicht immer «geil»

Von Melanie Brandl 17.10.2005, 12:02

Freiburg/dpa. - Kaum ein Werbespruch hat sich so in den Köpfen der Menschen festgesetzt wie «Geiz ist geil». Sparsamkeit hat wieder Konjunktur. Doch der Grat zwischen Preisbewusstsein und Knickrigkeit ist schmal, erklärt Benimm-Expertin Elisabeth Bonneau.

«Sparsamkeit an sich kann man, gerade in der heutigen Zeit, niemandem vorwerfen.» Geiz hingegen beinhalte, dass ein anderer zum eigenen Vorteil benachteiligt wird, sagt Bonneau. «Dann ist diese Eigenschaft eindeutig negativ konnotiert.» Rainer Nitsche aus Berlin, der «Das große Buch vom Geiz» geschrieben hat, fügt hinzu: «Geiz ist eine vehemente Leidenschaft, die einen selbst regelrecht zerfressen kann.»

Ein wirklicher Geizhals merke meist gar nicht, dass er geizig ist, sagt Nitsche. «Der hält alle anderen um sich herum für merkwürdig, nicht sich selbst.»

Wenn Geiz in Genussfeindlichkeit und reines Besitzstreben mündet, sei es höchste Zeit, etwas dagegen zu tun, betont die Psychologin Doris Wolf aus Mannheim. Ertappt man sich selbst dabei, wie Dagobert Duck die Taler zu horten, hilft es nur, nach und nach die eigenen Werte umzudefinieren. Statt «Hauptsache billig» sollte die Frage nach dem, was einem gut tut, im Mittelpunkt stehen.

Noch schwieriger als der Umgang mit dem eigenen kann das Zurechtkommen mit dem Geiz anderer sein. «Hat man bei lockeren Bekanntschaften das Gefühl, stets ausgenommen zu werden und selbst nichts zurückzubekommen, ist es sinnvoll Abstand, zu nehmen», rät Bonneau. Doch bei guten Freunden und dem eigenen Partner sollte man die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen.

Dabei ist ganz klar - es gibt nicht den wahren, einzig richtigen Umgang mit Geld, betont Doris Wolf. Deshalb seien hier immer Kompromisse gefragt: «Versuchen Sie erst einmal zu verstehen, wie der Partner seine Einstellung entwickeln konnte, welche Motive, Ziele und Vorstellungen er hat.»

Geiz werde heute aber nicht mehr ausschließlich negativ bewertet, sagt Wolf: «Positiv ist Geiz dann, wenn er bewirkt, dass lediglich behutsam mit Ressourcen umgegangen wird.» Wer nicht versuche, sein Geld unter der Matratze zu horten, sondern aus dem, was er hat, möglichst viel zu machen, liege derzeit voll im Trend und gelte eher als clever denn knickrig, berichtet Bettina Schipper vom Internet-Verbraucherportal «Geizkragen.de» mit Sitz im nordrhein-westfälischen Hiddenhausen.

«Natürlich gibt es auch bei uns Kunden, die nur nach Dingen suchen, die umsonst sind, und die jeden Teebeutel zweimal benutzen», sagt Schipper. «Die meisten aber sind keineswegs genussfeindlich. Im Gegenteil, sie möchten sich von ihrem Ersparten möglichst viel gönnen. Und das steigert die Lebensqualität.»

Literatur: Rainer Nitsche: Das große Buch vom Geiz. Transit Buchverlag Berlin. ISBN: 3-88747-185-7. 9,95 Euro; Elisabeth Bonneau: 300 Fragen zum guten Benehmen. Stilsicher in allen Situationen. GU München. ISBN: 3-7742-8778-3. 12,90 Euro.