Babyklappe hat Geburtstag: Ausweg oder Sackgasse?
Hamburg/dpa. - Nicht einmal ein Wort gab es dafür. Eine Stahlklappe, dahinter ein Wärmebettchen mit einem Knuddelteddy. Eine «Babyklappe» vielleicht, dachten sich die Mitarbeiter des Hamburger Vereins Sternipark damals, vor zehn Jahren.
Am 8. April 2000 eröffnete der umstrittene Verein die erste Einrichtung in Deutschland, in der Mütter oder Väter ihr Kind unerkannt abgeben können. Der Arbeitstitel ist über all die Jahre geblieben. Aber auch die Kritik an der Klappe: Der Deutsche Ethikrat hat jüngst gefordert, Babyklappen und Angebote zur anonymen Geburt abzuschaffen.
Sieben Betonstufen führen hinunter zu dem Babykorb im Souterrain eines Gebäudes im Westen Hamburgs, im Stadtteil Altona. Dort, zwischen einer Kita und einer Kirche, prangt in dicken schwarzen Lettern das Wort «Babyklappe». Es sind sieben Stufen zu einem Rettungsanker, sagen die Befürworter. Für die Gegner ist es der Schritt zu einer menschlichen Tragödie - der Tragödie von Findelkindern, rein gar nichts über ihre Herkunft zu wissen.
Die Idee klingt zunächst einleuchtend: Babyklappen sollen Neugeborene davor schützen, ausgesetzt oder sogar getötet zu werden. «Wenn wir nur ein Kind retten, hat sich unsere Arbeit gelohnt», betont Leila Moysich, die Leiterin des Projekts Findelbaby bei Sternipark. Das Projekt wurde Ende 1999 gegründet - als Reaktion darauf, dass ein toter Säugling auf einem Sortierband einer Recyclinganlage in Hamburg-Billstedt gefunden worden war.
«Kein Babyboom in der Babyklappe»
Seit dem Jahr 2000 seien 38 Babys in die beiden Klappen des Vereins in Hamburg gelegt worden, sagt Moysich. «Man kann nicht davon sprechen, dass es einen Babyboom in der Babyklappe gegeben hat.» Und 14 Mütter, erklärt Moysich stolz, hätten ihre Kinder wieder zu sich genommen. Seitdem es die Abgabestationen gebe, sei die Zahl der ausgesetzten und getöteten Neugeborenen in Hamburg deutlich gesunken.
Doch dass Babyklappen tatsächlich Kindstötungen verhindern - das sprechen das Kinderhilfswerk terre des hommes und andere Kritiker ihnen ab. «Man muss nüchtern feststellen: Die Zahl hat bundesweit nicht abgenommen», sagt Michael Heuer von terre des hommes. Obwohl es inzwischen in mehr als 50 deutschen Städten Babyklappen gibt.
Schätzungen zufolge kommen in Deutschland jedes Jahr 30 bis 40 Babys ums Leben, weil sie ausgesetzt oder nach der Geburt getötet werden. Diese Zahl soll seit Jahren etwa konstant sein. Allerdings: Genaue Angaben gibt es nicht, weil die Tötung von Neugeborenen seit mehr als zehn Jahren nicht mehr als eigene Straftat in der Kriminalstatistik auftaucht.
Kritiker: Keine gesetzliche Grundlage
«Babyklappen scheinen ein Angebot zu sein, das die Zielgruppe nicht erreicht», sagt Heuer. Denn Frauen, die ihr Kind umbringen, handelten meist in Panik - und nicht rational. Rechtlich seien die Klappen zudem problematisch: «Es gibt keine gesetzliche Grundlage.» Für Heuer ist daher klar: Babyklappen sollten geschlossen werden - und andere Hilfsangebote sowie Adoptionen stärker propagiert werden.
Auch der Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, Heinz Hilgers, ist «im Prinzip» dafür, die Klappen aufzugeben - obwohl ein Ortsverband in Bayern selbst noch eine betreibt. «Aber es muss etwas Vernünftiges an die Stelle treten», verlangt Hilgers. «Wir wollen, dass der Gesetzgeber die sogenannte vertrauliche Geburt ermöglicht.»
Die Kritiker bemängeln zudem, dass vieles rund um die Babyklappen- Kinder unklar bleibt. Wer legt ein Kind aus welchem Grund in eine solche Abgabestation? Geschieht das freiwillig - oder unter dem Druck etwa des Kindsvaters? «Man kann sich - aus welchen Gründen auch immer - eines Kindes entledigen», beklagt Heuer.
Hilgers bringt auch die Gefahr ins Spiel, dass Kinder illegal weitervermittelt werden könnten. «Die Nachfrage nach Babys zur Adoption übersteigt die Möglichkeiten um ein Vielfaches.» Und Adoptionsexperten weisen darauf hin, dass Babyklappen-Kinder zeitlebens mit einer riesigen Lücke kämpfen müssen - weil sie nichts über ihre Familiengeschichte wissen. Sie erfahren zum Beispiel nie, welche Erbkrankheiten sie haben könnten, und sie hören nie Sätze wie: «Du lachst wie Tante Martha.»
Moysich kann die Argumente der Babyklappen-Gegner längst herunterbeten. Und kontert: «Das Recht auf Leben geht dem Recht auf Herkunft vor.» Für Babyklappen als «letzten Notanker» wirbt das Projekt Findelkind daher mit dem Versprechen: «Keine Fragen, keine Zeugen, keine Polizei.»
Weitere Infos zum Projekt Babyklappe: dpaq.de/kjDtF
Hamburg - Mütter können ihr Neugeborenes vielerorts in einer sogenannten Babyklappe abgeben. Dort wird es medizinisch versorgt und kommt dann in eine Pflegefamilie. Innerhalb von acht Wochen können Mütter ihr Kind zurückfordern, danach wird es zur Adoption freigegeben. Nach Betreiberangaben entscheidet sich innerhalb dieser Frist die Hälfte der Mütter dazu, das Kind doch zu behalten.
Die erste Klappe in Deutschland wurde 2000 von dem Projekt Sternipark in Hamburg eingerichtet. Die Idee ist deutlich älter. Bereits im 17. Jahrhundert gab es in Florenz ein Waisenhaus mit einer kleinen Drehtür für die anonyme Abgabe.
Die Bundesregierung geht von bislang 143 abgegebenen Kindern aus. Anderen Schätzungen zufolge sind es bis zu 500 Kinder. Nach Angaben von Sternipark gibt es bundesweit etwa 98 dieser auch Babytür, Babyfenster, Babykorb oder Babynest genannten Einrichtungen in mehr als 80 Städten.
Eine gesetzliche Grundlage gibt es dafür nicht. Nach dem Personenstandsgesetz ist jeder verpflichtet, eine Geburt dem Standesamt mitzuteilen, wenn er daran beteiligt war oder davon weiß. Babyklappen-Betreiber verstoßen folglich gegen das Gesetz. Zudem wird das Grundrecht auf Kenntnis der Abstammung sowie das Recht auf Beziehung zu den leiblichen Eltern verletzt.
Hamburg (dpa) - Schwangere in Not können in etwa 130 deutschen Kliniken anonym entbinden. Ohne Angabe ihres Namens können sie unter ärztlicher Aufsicht ihr Kind zur Welt bringen und dann dort lassen. Befürworter der anonymen Geburt erhoffen sich damit weniger Kindstötungen. Kritiker sehen darin einen Anreiz.
Ein solches Angebot bot 1999 erstmals die katholische Schwangerenberatung Donum Vitae im bayerischen Amberg an. Nach eingehender Beratung wird der Säugling dort und in vergleichbaren Nachfolgeprojekten persönlich übergeben. Zudem besteht mancherorts auch die Möglichkeit einer «vertraulichen Geburt». Dabei nennen die Mütter ihren Namen, der nicht an die Behörden weitergegeben wird. Wenn das Kind erwachsen ist, hat es aber die Möglichkeit zu erfahren, wer seine leibliche Mutter ist.
Nach den Erfahrungen der Anbieter nennen viele der Frauen später freiwillig ihren Namen. Schätzungsweise fünf bis zehn Prozent bleiben tatsächlich anonym. Das Personenstandsgesetz schreibt vor, eine Geburt dem Standesamt zu melden. Wer Frauen bei einer anonymen Geburt hilft, handelt also rechtswidrig. Zudem wird in solchen Fällen das Grundrecht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung und das Recht auf Beziehung mit den leiblichen Eltern verletzt. (dpa)