Vorserienautos Vorserienautos: Von der Farbik direkt in die Schrottpresse

München/Turin/dpa. - «Das tut einem in der Seele weh», sagtBMW-Manager Frank Isenberg und blickt auf einen großen HaufenSchrott. Wo jetzt nur noch mit Mühe ein Kotflügel oder ein Lenkrad zuerkennen sind, standen auf dem Trainingsgelände der Firma in Namibiaeben noch nagelneue Geländewagen der ersten Generation des BMW X5. Sogenannte Vorserienfahrzeuge haben in der Regel eine kurzeLebensdauer: Sobald die Entwicklung eines neuen Modells abgeschlossenist, haben sie ihren Zweck erfüllt und sind danach nur noch Spielzeugfür den Radlader auf dem Schrottplatz.
Zwar sind Vorserienautos mehr als handgeschnitzte Prototypen: Siewerden bereits mit den Maschinen gebaut, die später auch dieSerienwagen produzieren. «Weil aber noch nicht alle Teile denendgültigen Stand haben und sich auch die Fabrik erst einspielenmuss, sind solche Autos nicht für die Kunden bestimmt», sagtFiat-Entwicklungschef Harald Wester in Turin.
Allerdings werden weder bei Fiat noch bei BMW alle Testmodellegleich verschrottet wie die X5-Vorläufer aus Isenbergs Fuhrpark inNamibia, wo der Zoll vor dem umweltgerechten Recycling den Nachweisder vollständigen Zerstörung fordert. Doch Chancen auf ein Daseinjenseits der Werkstore haben diese Autos nicht.
«Solche Fahrzeuge werden nicht verkauft», sagt BMW-Sprecher RalphHuber in München. Denn selbst kurz vor der Produktionsfreigabe seiendarin oft noch Teile verbaut, die nicht dem Serienstand entsprächen.Mal werde noch ein Schalter geändert, mal die Programmierung derElektronik. «Vor der Freigabe geht kein Wagen in Kundenhand, auchwenn die Vorserienfahrzeuge im Prinzip die gleiche Qualitätaufweisen», erläutert Huber.
«Viele Vorserienwagen sind nach der Erprobung schrottreif. Abernatürlich sind nicht alle unbrauchbar», sagt Jörg Heinrich, der dieDauererprobung bei Mercedes in Stuttgart leitet. «Eine ganze Reihevon Fahrzeugen nutzen wir für Crashtests und für die Entwicklungneuer Komponenten», sagt VW-Sprecher Hartmuth Hoffmann in Wolfsburg.Außerdem werden manche Wagen auch für Testfahrten oder Präsentationenbei Händlern eingesetzt und in einigen Unternehmen auch an dieMitarbeiter verkauft.
Auch stellen die Hersteller solche Fahrzeugen gerneLehrwerkstätten etwa in Schulen oder Universitäten zur Verfügung,heißt es etwa bei Volvo in Göteborg. «Es gibt eine Grenze, da sinddie Autos zum Wegwerfen einfach zu schade», sagtFiat-Entwicklungschef Wester. Teilweise sei es aber zu aufwendig, siezu überarbeiten. «Hier mal ein Kunststoffteil austauschen, da maleine Schraube anziehen, das kann man schon machen. Aber viel mehrgeht nicht. Dann kommen sie halt in den Crashtest, oder es fahren dieKollegen damit.»
Wie viele Autos gebaut werden, bevor das erste Kundenfahrzeug vomBand läuft, will Mercedes-Erprober Heinrich nicht verraten. DerMaterialbedarf für die Erprobungsflotte bei der neuen C-Klasse gibtzumindest einen Anhaltspunkt: 900 Fahrzeuge waren dabei rund um denGlobus im Einsatz, sagt Heinrich. Die genaue Zahl hängt lautVW-Sprecher Hoffmann zwar von der Variantenvielfalt der Baureihe ab.Auch sorgten eine hohe Zahl von elektronischen Simulationen bei derEntwicklung dafür, dass es weniger Vorserienautos gebe. «Doch beigroßen Modellwechseln ist das sicherlich eine vierstellige Anzahl vonFahrzeugen», sagt Hoffmann. «Da wird schon eine Menge Blech gebogen,bis das erste Auto zum Kunden kommt.»
Zwar heißt es immer wieder, dass solche Vorserienfahrzeuge auchbei Händlern im Umfeld der Hersteller landen und dort als günstigeTeileträger ausgeschlachtet werden. «Doch das sind nur Gerüchte, diekeinen Gehalt haben», sagt VW-Sprecher Hoffmann und verweist aufrechtliche Probleme etwa bei der Gewährleistung. Zwar kämen solcheFahrzeuge irgendwann auf den Schrottplatz. «Dann werden sie abervorher so zusammengefaltet, dass man sie wirklich nur noch alsRohstoff verkaufen kann.»
Hin und wieder kommen die Autos aber doch kurzzeitig zum Einsatz.So setzt etwa BMW-Manager Isenberg, der das Fahrer-Training derBayern leitet, derzeit bei Erlebnisreisen ins winterliche Schwedenoder nach Namibia auf Autos aus der Vorserienproduktion. «Gerade dieneuen und begehrten Modelle wollen wir schnellstmöglich im Traininganbieten und greifen deshalb in einigen Fällen auf Vorserienfahrzeugezurück», sagt Isenberg.
Auf solchen Trainingsfahrten sitzen Kunden dann am Steuer vonAutos, deren «Vorfahren» bis vor ein paar Monaten noch streng getarntals «Erlkönige» unterwegs gewesen sind. Lange währt allerdings auchdiese Gnadenfrist nicht. Spätestens wenn die nächsteFahrzeuggeneration auf den Markt kommt, werden die Vorläufer aus demVerkehr gezogen und für den Weiterverkauf unbrauchbar gemacht. Dannkommt wieder die Zeit für den Bulldozer - auch wenn der Anblickmanchen Liebhaber schmerzen dürfte.