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Strumpfhose Guckloch und Kaugummi Strumpfhose Guckloch und Kaugummi: Bekannte Mythen rund ums Auto im Faktencheck

Von Fabian Hoberg und Lutz Würbach 11.01.2021, 14:43
Kein Mythos: Auf deutschen Autobahnen ist der Stau ein treuer Begleiter.
Kein Mythos: Auf deutschen Autobahnen ist der Stau ein treuer Begleiter.  DPA

Halle (Saale) - „Weißt du noch, als wir beim Trabi den gerissenen Keilriemen mit Mutters Strumpfhose ersetzt haben?“ So oder so ähnlich beginnen manche Abende beim Bier, wenn Großvater von früher erzählt. Als es im Trabi zu viert an die Ostsee oder nach Ungarn ging. Bis unters Dach vollgepackt, und keiner musste sich anschnallen. Legendenbildung.

Es gibt viele kuriose Dinge und moderne Mythen rund ums Auto, die seit Jahren weitererzählt werden. Obwohl sie falsch und unsinnig sind. „Ein Teil der Mythen stammt noch aus Großvaters Zeiten. Sie wurden von den älteren Generationen mündlich weitergegeben und werden heute zum Teil noch lebendig gehalten“, sagt Ulrich Köster vom Deutschen Kraftfahrzeuggewerbe. Dazu zählt auch die Geschichte mit der Damenstrumpfhose als Keilriemenersatz. „Die Fahrzeugtechnik hat sich aber seitdem stark entwickelt“, sagt Köster. Alte Geschichten ließen sich deshalb heute einfach nicht mehr wiederholen. „Spritspartipps von einst sind heute obsolet.“ Das sei heute in modernen Fahrzeugen beispielsweise mit Start-Stopp-Automatik besser möglich, als auszukuppeln und das Auto im Leerlauf den Berg hinunter rollen zu lassen, erklärt der Experte.

Für Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat ist es immer noch erstaunlich, dass Mythen von Generation zu Generation weitererzählt werden. Das liege daran, dass die Geschichten nicht hinterfragt werden. „Doch es kommen immer weniger neue Mythen hinzu, weil das Auto ja nicht mehr den Stellenwert wie noch vor 30 Jahren hat“, sagt er. Zum Beispiel die Annahme, dass Automatikgetriebe Leistung und Sprit schlucken, stammt noch aus der Zeit, als die schweren Wandlerautomaten nur drei oder vier Gänge hatten.

Auch der ADAC kämpft gegen die Mythen an. Vor allem in den Bereichen Gesundheit wie Müdigkeit halten sich hartnäckige Gerüchte. Etwa, dass Kaffee und Energiedrinks Autofahrer konstant wach halten. „Das ist Quatsch, Koffein erhöht die Aufmerksamkeit nur für einen kurzen Zeitraum. Eine halbe Stunde nach dem Einnehmen für etwa zwei Stunden“, sagt ein Sprecher. Auch dass Autofahrer merken, wenn sie kurz vor dem Einschlafen sind, stimme nicht. Denn wer müde sei, schlafe auch irgendwann ein. Ebenso unsinnig sei der Glaube, dass frische Luft und laute Musik den Fahrer konstant vorm Wegnicken abhalten. Das gelinge nur kurzzeitig, heißt es beim ADAC. Mythen im Check:

Die Damenstrumpfhose ersetzt den Keilriemen

Das galt vielleicht beim Trabi oder Käfer, nicht jedoch für moderne Fahrzeuge mit vielen Zusatzaggregaten und einem weit verzweigten Keilriemen.

Ein Motor muss mindestens zehn Kilometer warm gefahren werden

Das kommt auf die Größe des Motors und die Verbrennungsart an. Großvolumige Diesel brauchen mehr Zeit als kleine Benziner. Entscheidend ist Der „Benecke“ von Leipzig (ast)nicht die Wassertemperatur, sondern die des Öls.

Der Kühlwasserschlauch lässt sich mit Kaugummi reparieren

Das funktioniert nicht, weil im Kühlkreislauf ein zu hoher Druck herrscht. Der Kaugummi würde schnell abfallen.

Im Winter reicht ein kleines Guckloch völlig aus

Falsch. Alle Scheiben müssen frei bleiben. Es muss sogar das ganze Auto schneefrei sein, also auch das Dach, die Kennzeichen, die Scheinwerfer und Leuchten.

Den Termin der Hauptuntersuchung darf man zwei Monate überziehen

Falsch. Der Halter darf den Termin der HU nicht überziehen. Allerdings wird ein Bußgeld erst fällig, wenn die Plakette mindestens seit zwei Monaten ungültig ist. Im Zuge der Corona-Pandemie sollte es zwar bundesweit eine Kulanzregelung geben, nach der das Bußgeld erst nach vier Monaten Fristüberschreitung fällig wird. Diese wurde aber nicht umgesetzt.

Bei einem Allradauto sind keine Schneeketten nötig

Irrtum. Schneeketten sind in Deutschland, Österreich und Italien überall dort Pflicht, wo ein blaues Schneeketten-Schild steht. Das gilt für alle Fahrzeuge.

Wer hinten auffährt, hat immer Schuld

Nicht von vornherein. Je nach Verhalten des Vorausfahrenden kann ihn eine Teilschuld treffen.Auf Kundenparkplätzen vor Supermärkten gilt immer die Straßenverkehrsordnung.

Auf Kundenparkplätzen gilt immer die Straßenverkehrsordnung

Das ist falsch. Das Schild hat keine rechtliche Bedeutung. Die StVO gilt nur auf öffentlichen Straßen, nicht jedoch auf privaten Grundstücken. Dafür gilt auf Parkplätzen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.

Wer bei Bergabfahrten den Motor ausmacht, spart Sprit

Das stimmt. Aber es ist sehr gefährlich: Denn einige Zusatzaggregate wie der Bremskraftverstärker oder die Servolenkung sind ohne laufenden Motor nicht mehr betriebsbereit. Anders gesagt, beim Tritt auf die Bremse passiert nach wenigen Versuchen nichts mehr.

Automatikautos verbrauchen automatisch mehr

Zwar wiegen Automatikgetriebe meist mehr als manuelle Getriebe. Aber mehr Gänge und eine niedrige Übersetzung kompensieren den Mehrverbrauch. Doppelkupplungsgetriebe, die sich wie Automatikgetriebe fahren lassen, verbrauchen in der Regel weniger als manuelle Getriebe.

Die Allgemeine Betriebserlaubnis des Autos (ABE) erlischt nicht, wenn zusätzliche Anbauteile eine eigene ABE haben

Wer mit dem Gedanken spielt, sein Auto nachträglich zu tunen, sollte sich vorher gut informieren. In der Szene kursieren nämlich allerlei Mythen über die Folgen des Tunings, berichtet zum Beispiel die Zeitschrift „Auto Motor und Sport“. Die Sache mit den ABE gilt nämlich nicht immer.

Häufig ist die Betriebserlaubnis von Bauteilen nur in bestimmten Konfigurationen gültig. Sportlenkräder etwa sind oft nur für Autos mit Serienbereifung erlaubt. In Verbindung mit anderen Bauteilen wie breiteren Rädern kann die ABE erlöschen.

Die Avus ist die älteste deutsche Autobahn

Die Berliner Avus (Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße) wurde von 1913 bis 1921 erbaut. Sie ist nur knapp zehn Kilometer lang und erstreckt sich zwischen den heutigen Ortsteilen Halensee und Nikolassee. Sie galt damals als die weltweit schnellste Rennstrecke für Automobile. Mit ihrer geringen Länge ist sie aber eher ein Autobahn-Prototyp. Die erste „echte“ Autobahn gibt es in Deutschland seit August 1932 zwischen Köln und Bonn, damals mit dem hübschen Namen „Nurautomobilstraße“, heute A 555. Die erste Autobahn in Europa war sie aber nicht. Die Italiener bauten 1924 eine Schnellstraße von Mailand Richtung Varese - schon damals mit Maut.

Adolf Hitler begründete den Autobahnbau, um unter anderem viele Arbeitsplätze zu schaffen

Historiker haben belegt, dass am Autobahnmythos der Nationalsozialisten („Straßen des Führers“) kaum etwas dran ist. Die vermeintliche Tatsache, dass Hitler die erste deutsche Autobahn erbaut habe, ist eine NS-Propagandalüge. Denn es ist 1932 Konrad Adenauer gewesen, damaliger Oberbürgermeister von Köln. Zwar wurden zwischen 1933 und 1942 rund 3.860 Kilometer Autobahnen medienwirksam eröffnet. Die Planungen stammten aber bereits aus den 20er Jahren. Die Nazis hätten es auch nicht geschafft, die versprochenen 600.000 Arbeitsplätze im Autobahnbau zu schaffen, schreiben Forscher. Es seien nie mehr als 250.000 Menschen beschäftigt gewesen.

Deutschland ist Autobahn-Weltmeister

Dem ist nicht so. Die Chinesen haben die Nase vorn. Das National Trunk Highway System erstreckt sich über 130.000 Kilometer. In Europa steht Spanien mit gut 17.000 Kilometern an der Spitze. Deutschland liegt weltweit auf Platz vier. Als Transitland punkten wir mit einem dichten Netz vieler Autobahnen, das heute rund 13.100 Kilometer umfasst. Obwohl Autobahnen damit nur einen Anteil von sechs Prozent an allen Fernstraßen im Land haben, rollt über sie fast ein Drittel des Gesamtverkehrs. (mz)

Wer am Steuer müde wird, muss eine Pause machen. Alle anderen Aktionen helfen nicht wirklich.
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