Liebhaber-Autos Liebhaber-Autos: Die Legende vom «kleinen Bastard»

Stuttgart/dpa. - Er ist klein, vergleichsweise unscheinbar und wurde nur 90 Mal gebaut. Trotzdem hat der Porsche 550 Spyder in vielerlei Hinsicht Geschichte geschrieben. Zum einen für das Haus Porsche selbst: Schließlich ist er mit verantwortlich dafür, dass der Sportwagenbauer aus Stuttgart heute als eine Größe im Rennsport gilt - und auch dafür, dass mancher Porsche die Bezeichnung Carrera trägt. Den Rennsport an sich hat der flache Spyder ebenfalls mit beeinflusst, fuhr er doch zu einer Zeit mit Sponsorenaufklebern umher, als dies noch völlig unüblich war. Und dann ist da noch die Geschichte vom «Little Bastard»: dem «kleinen Bastard», in dem James Dean tödlich verunglückte.
Als der neue Porsche im Oktober 1953 auf dem Automobilsalon in Paris debütierte, ahnte natürlich niemand etwas von dem, was noch kommen sollte. Es war sogar keinesfalls klar, ob es nicht bei einem Einzelstück bleiben sollte. Zum Zeitpunkt seiner Premiere galt der Wagen noch als unverkäuflicher Rennwagen. Nicht einmal ein Preis für eine mögliche Serienausführung konnte genannt werden. Wie so oft in derartigen Fällen gab es aber genügend Nachfrage - der Preis wurde auf seinerzeit üppige 24 600 Mark festgelegt.
Für ihr Geld bekamen die Kunden im Endeffekt wenig Auto mit viel Leistung. Die Ausstattung kann Rennwagen-typisch als kaum vorhanden bezeichnet werden. Das Gewicht von 550 Kilogramm setzte sich vornehmlich aus dem aus Rohren geschweißten Plattformrahmen, den notwendigen Karosserieblechen und einem Motor zusammen. Laut Porsche war das Fahrzeuggewicht nicht der Anlass, den Neuen 550 Spyder zu nennen. Vielmehr war der Wagen die 550. Entwicklung, die das Werk vornahm. Der Begriff Spyder stammt übrigens aus dem Kutschenbau und bedeutet «leichter offener Wagen».
Das Herzstück des Spyder war der Motor - und um den ranken sich auch so einige Legenden. Mit der Folge, dass der kleine Vierzylinder mit gerade einmal 1,5 Litern Hubraum gleich drei Namen bekam: Er war der Schubladen-Motor, der Fuhrmann-Motor und später der Carrera-Motor. Am Anfang stand die Schublade. Während der Entwicklungszeit durfte nur ein kleiner Kreis Auserwählter von dem Projekt wissen. Die ersten Teile wurden daher in einer Schublade unter der Werkbank gefertigt - die schob man zu, sobald sich Neugierige näherten.
Am geläufigsten ist unter Porsche-Anhängern die Bezeichnung Fuhrmann-Motor. Schließlich war es Ernst Fuhrmann, der das Aggregat mit vier Nockenwellen samt Königswellenantrieb und immerhin 81 kW/110 PS konstruierte. Den Namenszusatz Carrera wiederum bekam das Aggregat, weil es 1954 einen beeindruckenden Erfolg ermöglichte. In jenem Jahr startete der Rennfahrer Hans Herrmann mit einem 550 Spyder bei der Carrera Panamericana in Mexiko. Dieses Langstreckenrennen galt nicht nur als das schnellste und härteste der Welt - es war auch das gefährlichste. Jedes Jahr gab es entlang der Strecke schwerste Unfälle mit Verletzten und Toten.
Herrmann schaffte es trotz starker Konkurrenz, den leistungsmäßig unterlegenen Porsche auf dem dritten Platz ins Ziel zu bringen, hinter zwei Ferrari. Um den Einsatz nicht zu kostspielig zu machen, prangten auf der Karosserie die besagten großflächigen Aufkleber mit Sponsorennamen - eine Pioniertat, die heute aus dem Motorsport nicht mehr wegzudenken ist. Daheim in Stuttgart war man so stolz auf den Erfolg, dass fortan alle Modelle mit Fuhrmann-Motor den Namenszusatz Carrera bekamen, wie der Motor selber auch. Später sollte es dann immer wieder sportliche Porsche-Modelle mit diesem Namen geben.
Solche Erfolge machten den Spyder auch bei den Hobbyrennfahrern in aller Welt bekannt. Einer von ihnen war James Dean. Der damals 24-jährige Schauspieler kaufte seinen Wagen kurz nach Abschluss der Dreharbeiten für den Hollywoodfilm «Giganten» und gab ihm auch gleich einen Namen. «Little Bastard» schrieb Dean an das Heck seines kleinen und biestigen Rennmobils. Aber Dean wollte mit dem Porsche nicht nur über die Highways rasen, er wollte Rennen fahren. Also machte er sich am 30. September 1955 gemeinsam mit Porsche-Mechaniker Rolf Wütherich auf den Weg zur Rennstrecke in Salinas im US-Bundesstaat Kalifornien.
Es war 17.45 Uhr, als es zu der schicksalhaften Kollision mit einem Ford Coupé kam. Später hieß es, der Ford-Fahrer habe den Porsche wegen der tief stehenden Sonne nicht gesehen, und Dean sei mit 85 Meilen (136 Stundenkilometer) statt der erlaubten 65 Meilen (104 Stundenkilometer) unterwegs gewesen. Was auch immer die Ursache war - es kam zum Zusammenstoß. Während Beifahrer Wütherich aus dem Wagen geschleudert wurde und schwer verletzt überlebte, starb Dean hinter dem Lenkrad.
Um das Wrack des Dean-Porsche spinnen sich bis heute schaurige Legenden. Zunächst kaufte ein Ersatzteilhändler das stark zerstörte Auto - beim Abladen der Neuerwerbung brach sich ein Mechaniker ein Bein. Dann, heißt es, kaufte ein Kunde den Motor, ein weiterer ein anderes Teil des Antriebs. Kunde Eins soll bei der ersten Ausfahrt mit dem neu eingebauten Ersatzteil gestorben sein. Kunde zwei überlebte einen Unfall mit seinem Wagen schwer verletzt. Der nächste Ersatzteilkäufer erwarb zwei der Reifen - die dann laut Legende bei einer Ausfahrt platzten, der Fahrer habe schwer verletzt überlebt.
Das ist aber nicht das Ende der Mythen: Die kalifornische Polizei, so sagt man, bekam später das ausgewaidete Wrack für eine Straßensicherheits-Kampagne - mit der Folge, dass eine Garage abbrannte, in der auch der Porsche stand. Nur der Spyder wurde nicht zerstört - mal abgesehen davon, dass ohnehin nicht mehr viel von ihm übrig war. Bei einem Weitertransport per Lkw soll dann der Lastwagen-Fahrer die Kontrolle über sein Gefährt verloren haben - den nachfolgenden Unfall habe er nicht überlebt. Schlusspunkt der Unglücksgeschichten ist ein weiterer Transport des Autos per Lkw im Jahr 1960: Der Transporter erreichte sein Ziel, der Dean-Porsche aber verschwand spurlos.
Wesentlich mehr Spuren hinterließen dagegen die übrigen 550 Spyder in der Zwischenzeit auf den Rennstrecken der Welt. Die Liste der Erfolge reicht vom Klassensieg beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans bis zum ersten Platz bei der legendären Targa Florio auf Sizilien - dem ersten Porsche-Sieg überhaupt bei einem Rennen der Marken-Weltmeisterschaft. Der kleine Spyder machte Porsche zur Größe im Rennsport, und vielleicht waren diese Erfolge auch nicht unschuldig daran, dass Motor-Konstrukteur Fuhrmann 1976 Vorstandsvorsitzender der Porsche AG wurde. Weniger vom Motorsport begeisterte Menschen hätten jedoch vermutlich lieber noch den einen oder anderen neuen Film mit James Dean gesehen.

