Kantiger Wüstenwind - Die Erfolgsgeschichte des VW Scirocco
Osnabrück/Wolfsburg/dpa. - In den 70er Jahren kamen bei VW Namen mit einem besonderen Klang auf. Mit dem Golf debütierte eine Ausnahmeerscheinung der Autowelt, und mit dem Namen eines Wüstenwindes kam ein Auto, das schnell zu einer Sportwagenlegende wurde.
Bis heute ist das Image des Namens Scirocco so gut, dass Volkswagen in diesen Tage eine Neuauflage präsentiert. Darauf haben nicht nur Anhänger des Urmodells lange gewartet. Auf echte Sportlichkeit musste beim Kauf eines VW viele Jahre verzichtet werden. Zwar gibt es nach wie vor eine GTI-Version des Golf mit viel PS - doch ein sportliches Auto mit ebenso sportlicher Coupé-Karosserie ist seit Einstellung des Corrado 1995 bei VW Fehlanzeige.
Dieser Mangel an Emotionalität stellt wiederum eine Parallele zu jener Zeit dar, in der VW einst den ersten Scirocco ins Rampenlicht stellte. 1974 war das - und die Marke hatte damals einiges von ihrer einstigen Strahlkraft eingebüßt. Viel zu lange hatten die Konzernherren an der veralteten Heckmotortechnik mit Luftkühlung festgehalten, die neben dem Käfer auch alle anderen Modelle antrieb.
Erstmals gezeigt wurde der Scirocco im März des Jahres 1974 auf dem Autosalon in Genf - an jenem Ort, an dem im Jahr 2008 auch der aktuelle Nachfolger zu sehen ist. Doch während die Neuauflage eher einer Unternehmensstrategie im Sinne der Imagepolitur folgt, war der erste Scirocco dem Zusammentreffen glücklicher Umstände zu verdanken.
Selbst wenn es seltsam erscheint, dürfte auch der damals chronische Geldmangel in Wolfsburg ein Grund für die Realisierung des Projektes gewesen sein. Auf der anderen Seite gab es da noch das Unternehmen Karmann in Osnabrück, das mit dem Bau des Karmann Ghia und des Käfer Cabrio gutes Geld verdient hatte - und nun befürchtete, dass der als technische Basis so wichtige Käfer wegen des Golf bald nicht mehr vom Band laufen würde. Man brauchte also einen Nachfolger.
Dritter im Bunde war der italienische Designer Giorgio Giugiaro. Der hatte den Auftrag, die Formen des Golf auszuarbeiten - und kam auf die Idee, dass sich auf dessen Grundgerüst auch ein schickes Sportcoupé entwickeln ließe. Ob die VW-Manager von der Idee angetan waren, ist nicht überliefert - abgesehen davon hatten sie nicht genug Geld, oder sie wollten es nicht in ein Risiko-Unternehmen stecken.
Zur Freude der Scirocco-Anhänger kam es zum Kontakt zwischen Karmann und Giugiaro. Hier waren die Interessen deckungsgleich: Giugiaro wollte seinen Coupé-Entwurf auf der Straße sehen - bei Karmann sah man darin den idealen Nachfolger für den Karmann Ghia. Nach intensiver Rechenarbeit einigte man sich mit VW auf ein Finanzmodell, bei dem die von Karmann ausgelegten Kosten auf jedes gebaute Auto umgelegt wurden, das dann als VW zu den Händlern rollte.
Bald sollte sich zeigen, dass der Mut sich gelohnt hatte. Das Design des Scirocco wirkte seinerzeit überaus modern. Mit seinen betont kantigen Formen und der keilförmigen Seitenlinie stand der sportliche Volkswagen auch als ein Symbol für eine neue Zeit da.
Mit allen Regeln des Autobaus der 70er Jahre hatte der Scirocco allerdings nicht gebrochen. Damals war es durchaus üblich, dass zu einem sportlichen Design nicht unbedingt die entsprechenden Fahrleistungen gehörten. So gab es den Scirocco auch mit Motoren, die eher für den gemütlichen Sonntagsausflug gedacht waren: Im Basismodell werkelte ein Vierzylinder mit 1,1 Liter Hubraum und gerade einmal 37 kW/50 PS. Wer mehr Geld ausgeben wollte, konnte auch 1,5 Liter Hubraum mit 51 kW/70 PS oder 63 kW/85 PS ordern. Erst von 1976 an gab es das Coupé auch mit dem heute legendären Kürzel GTI am Heck. Es wies darauf hin, dass unter der Motorhaube nun ein 1,6-Liter-Motor mit 81 kW/110 PS arbeitete, der aus dem Audi 80 GTE stammte.
So zeitgemäß der Scirocco zunächst wirkte - auch er kam in die Jahre. Daher wurde 1978 die Optik aufgefrischt. Rund 501 000 Exemplare wurden bis 1981 hergestellt. Eine zweite, bei VW entwickelte Generation wurde bis 1993 noch 291 000 Mal gebaut.