Heute unvorstellbar Heute unvorstellbar: Autofahren früher - beschwipst und ohne Gurt

Das Auto steht in Deutschland wie wohl in keinem anderen Land für den wirtschaftlichen Aufschwung und die individuelle Freiheit. Die Deutschen liebten und lieben ihre Autos. Für viele ist es sogar eine Art Zuhause und dort hat bekanntlich der Hausherr das Sagen.
Umso aufgeregter waren die deutschen Autofahrer daher, als ihnen Vater Staat vorschreiben wollte, sich anzuschnallen. Für viele jüngere Verkehrsteilnehmer ist die Aufregung in den 1960er und 70er Jahren heute nicht mehr nachzuvollziehen. Doch damals entbrannte ein regelrechter Kampf zwischen Gurtgegnern und -befürwortern. Männer hatten Angst um ihre Freiheit, Frauen um ihre gebügelten Blusen.
Die Fürsprecher setzten sich schließlich durch. Am 1. Januar 1976 wurde in Deutschland schließlich die Anschnallpflicht im Auto eingeführt. Ab 1984 mussten sich auch alle Insassen auf der Rücksitzbank anschnallen.
Ziel war es, die Zahl der Unfalltoten deutlich zu senken. Dies ist gelungen. Starben im Jahr 1971 noch über 21.000 Menschen im Verkehr, waren es 2014 noch 3.377 – und das obwohl der Verkehr in dieser Zeit stark anstieg. Der Erfolg führte zu mehr Aktzeptanz. Heute liegt die Anschnallquote in Deutschland bei rund 98 Prozent.
Wichtig: Wer sich nicht anschnallt, muss mit einem Bußgeld von 30 Euro rechnen.
Brauchen Kinder wirklich einen Sitz?
Bei der Einführung der Kindersitz-Pflicht hingegen gab es keine allzu heißen Debatten. Allerdings kam diese auch viel viel später. Erst am 1. April 1993 – also rund 17 Jahre nach der Einführung der Gurtpflicht – wurde eine spezielle „Rückhalteeinrichtung für Kinder“ gesetzlich vorgeschrieben. Nach Paragraf 21 der Straßenverkehrsordnung (StVO) brauchen Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr, die kleiner als 150 cm sind einen Kindersitz.
Wer seine Kleinen einfach so im Auto platziert, muss sich auf 60 Euro Bußgeld – bei mehreren Kindern auf 70 Euro – und einen Punkt im Register einstellen. Eine Standpauke der Polizeibeamten dürfte es gratis oben drauf geben. Und auch an die Kleinsten ist mittlerweile gedacht. Eltern, die eine nach hinten gerichtete Babyschale auf dem Beifahrersitz transportieren und den Airbag nicht ausstellen, droht ein Bußgeld von 25 Euro.
Drink and Drive
Nicht nur Anschnallpflicht und Kindersitz haben für mehr Sicherheit im Straßenverkehr gesorgt. Nicht unerheblich dürfte es sein, dass der Staat irgendwann erkannt hat, dass auch übermäßiger Alkoholkonsum der Fahrtüchtigkeit nicht sonderlich dienlich ist.
Erst 1953 wurde in Deutschland eine Promillegrenze für Autofahrer eingeführt. Allerdings konnte man damals nur bedingt von einer Grenze sprechen. Denn auch mit 1,5 Promille Alkohol im Blut war es noch erlaubt, Auto zu fahren. Bestraft wurde nur, wer einen Unfall baute. Erst Schrittweise wurde die Grenze nach unten korrigiert. 1966 wurde sie auf 1,3 Promille, dann auf 0,8 Promille und schließlich auf 0,5 Promille gesenkt. Wer über dieser Grenze liegt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Doch schon beim Erreichen von 0,3 Promille ist die sogenannte relative Fahruntüchtigkeit gegeben, wenn der Autofahrer sich auffällig verhält. Ab 1,1 Promille wird aus der Sufffahrt eine Straftat.
Bei einem Promille-Wert zwischen 0,5 und 1,0 drohen Verkehrsteilnehmern eine Geldbuße von 500 Euro bis 1500 Euro, sowie zwei Punkte in Flensburg und drei Monate Fahrverbot. Ab 1,1 Promille drohen mindestens sechs Monate Fahrverbot und ab 1,6 Promille muss die Fahrerlaubnis neu erworben werden.
Für Fahranfänger in der Probezeit gilt übrigens ein absolutes Alkoholverbot. Eine Ausweitung eines solchen Verbots auf alle Führerschein-Inhaber würde vermutlich eine ähnliche Debatte nach sich ziehen wie damals die Einführung der Anschnallpflicht. Na, dann Prost!
Führerschein ist Männersache
Den Führerschein verlieren kann man übrigens bereits seit dem Jahre 1909. Am 3. Mai dieses Jahres wurde damals der erste für ganz Deutschland gültige Führerschein eingeführt. Die erste Fahrerlaubnis überhaupt wurde 1888 für den Erfinder des Automobils, Carl Benz, ausgestellt.
1909 wurden in der Reichs-Straßenverkehrsordnung (mittlerweile StVO) nicht nur der Führerschein eingeführt, sondern auch Verkehrsregeln festgelegt und die Höchstgeschwindigkeit für alle Fahrzeuge auf sagenhafte 15 km/h begrenzt.
Und weil damals noch der Mann das Sagen hatte und Autos ohnehin Männersache waren, durften Frauen nur dann einen Führerschein beantragen, wenn sie eine Genehmigung von ihrem Vater oder Mann hatten.
Erst seit 1958 dürfen Frauen autonom darüber entscheiden. Lange Zeit waren damit weibliche Hände am Steuer eine Seltenheit. Ob aus dieser mangelhaften Fahrpraxis, die von vielen beklagte Einpark-Schwäche resultiert darf jedoch bezweifelt werden.
Viel heiße Luft
1981 war es nicht mehr Carl Benz, sondern der durch ihn initiierte Autogigant Mercedes Benz, der eine weitere Erfindung präsentierte, die heute nicht mehr wegzudenken ist. Erstmals wurde der Airbag zusammen mit dem Gurtstraffer auf dem Genfer Autosalon vorgestellt.
Die Kombination aus Fahrer-Airbag und Beifahrer-Gurtstraffer war zunächst ausschließlich für die S-Klasse erhältlich und kostete als Sonderausstattung für Limousine und Coupé damals jeweils über 1500 DM. Immer mehr Hersteller bauten die Aufprallkissen in ihre Modelle und ab Mitte der 1990er Jahre durften sich auch Beifahrer über einen weißen und gut versteckten Ballon vor ihnen freuen.
Doch längst nicht alle fanden Gefallen an den Rettungskissen, vor allem in den USA gab es viele Gegner. Sie befürchteten, dass die Airbags entweder gar nicht oder unbeabsichtigt aufgehen würden. Andere hatten Angst, dass Autofahrer durch die sich explosionsartig öffnenden Kissen verletzt würden. Letztlich waren die meisten Bedenken unbegründet und der Airbag setzte sich durch. Heute verfügen fast alle modernen Autos über mehrere Aufprallkissen. (mit Material von Ampnet)


