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VW Multivan erstmals als Plug-in-Hybrid Der Bulli steht unter Strom

Der neue VW Multivan trennt sich von seinen Transporter-Wurzeln und wird ein sehr variabler Kleinbus. Die leichter gewordenen Sitze lassen sich einfacher ausbauen und können an verschiedenen Positionen platziert werden.

Von Hans-Ulrich Köhler 16.11.2021, 11:11
Der neue VW Multivan T7 ist 4,97 lang.
Der neue VW Multivan T7 ist 4,97 lang. (Foto: huk)
Zwei Schiebetüren sind Serie
Zwei Schiebetüren sind Serie
(Foto: huk)
Wie in einem Pkw: Das Cockpit des Multivan
Wie in einem Pkw: Das Cockpit des Multivan
(Foto: huk)

Der Bulli von Volkswagen gehört zu den deutschen Kult-Autos. Der nun vorgestellte Bulli nennt sich offiziell wie sein Vorgänger Multivan und trägt die aktuelle Nummerierung T7. Der Bulli als Kleinbus versammelt seit fast sieben Jahrzehnten eine riesige Fangemeinde hinter sich. Sie hat ihn wegen seiner Vielseitigkeit ins Herz geschlossen, Gewerbetreibende mögen ihn als Transporter. Tausenden kommen, wenn irgendwo ein Bulli-Treffen angezeigt ist.

Warum der Bulli Bulli heißt, ist nicht klar belegbar. Volkswagen jedenfalls nutzte den Begriff Bulli nie als offizielle Bezeichnung für Bus oder Transporter. Konflikte um die Namensrechte waren die Ursache. Die lagen anfangs bei der Heinrich Lanz AG, bis in die 60er Jahre ein renommierter Landmaschinenhersteller, der u.a. den Traktor Bulldog herstellte. Später gingen die Namensrechte an ein anderes Unternehmen über, das sie dann an VW verkaufte. Genutzt werden sie aber nach wie vor nicht, aber jeder Autofan weiß, was ein Bulli ist.

Wie VW zum Bulli kam, wird gern so erzählt. Ein niederländischer VW-Importeur soll den Impuls gegeben haben, nachdem er in Wolfsburg Fahrzeuge mit flacher Ladefläche gesehen hatte, die dort für innerbetriebliche Transporte genutzt wurden. VW nahm sich der Idee an, 1948 war der erste Prototyp fertig, 1950 begann die Serienproduktion des Bulli, den es fortan als Transporter und flexiblen Kleinbus gab.

Der neue Multivan T7 kostet ab 44.839 Euro (136 PS). Das ist ein Benziner genauso wie das 203 PS-Modell, beide gibt es zum Marktstart im November. Ein Diesel (150 PS, 48.748 Euro) folgt im ersten Quartal des kommenden Jahres. Erstmals im Angebot ist eine Version mit Plug-in-Antrieb (ab 57.173 Euro, 218 PS). Die Lithium-Ionen-Antriebsbatterie des e-Hybrid hat eine Kapazität von 10,4 kWh und reicht für 46 bis 50 Kilometer rein elektrischer Fahrt. Geladen wird sie an einem 3,6 kW-Lader in rund dreieinhalb Stunden, an einem mit 2,3 kW in fünf Stunden.

An Bord ist immer ein automatisches Doppelkupplungsgetriebe (DSG). Beim Hybrid-Bulli gibt es sechs Gänge, die Abstufung ist speziell für diese Antriebsform entwickelt worden. Die Benziner und der Diesel sind mit einem siebengängigen DSG ausgerüstet. Die Kraft wird über die Vorderräder übertragen, Allrad soll wohl in Planung sein.

Bei den ersten Ausfahrten mit dem Hybrid-Bulli glänzte der mit den Vorzügen seiner Antriebskategorie. Fast geräuschlos fährt er los, das bleibt auch so, wenn man das Gaspedal nur sehr behutsam tritt. Bei sehr langsamer Fahrt gibt er surrende Geräusche von sich, damit ihn niemand übersieht. An der Ampel spurtet der Multivan T7 geradezu los, bei späteren Zwischenspurts jenseits der 100 km/h geht ihm etwas die Puste aus, er ist aber ohne Zweifel trotzdem ausreichend zügig unterwegs (Spitze 190 km/h).

Auch VW betreibt die übliche Hybrid-Augenauswischerei beim Verbrauch. Mit vollgeladener Batterie käme man im e-Hybrid auf den ersten 100 Kilometer mit 1,5 Litern Benzin aus - was natürlich fern der Realität ist. Sobald man das Gaspedal durchtritt und kräftig beschleunigt, schaltet sich der Verbrenner ein und treibt den Spritverbrauch weit über die 1,5 Liter. Sieben Liter auf 100 Kilometer dürften ein realistischer Verbrauchswert werden, zu prüfen war das noch nicht.

Die Federung ist sehr komfortabel ausgelegt, bietet aber allzeit sichere Kurvenstabilität, auch wenn sich die Karosserie spürbar bar neigt in schnellen Kurven - aber wer wedelt mit einem solchen Fahrzeug schon so rasant ums Eck? Von der erhöhten Sitzposition aus gibt es einen vorzüglichen Rundumblick. Man lernt schätzen, dass der neue Multivan nach wie vor problemlos ins Parkhaus passt, auch wenn der Innenraum durch konstruktive Tricks zwei Zentimeter höher geworden ist.

Der Fahrer sitzt niedriger als bisher, aber es geht immer noch schön in die Höhe, ein sehr breit gewordener Türschweller ist zu überwinden. Das Cockpit macht einendurchgestylten Eindruck, so sieht es auch in guten Pkws aus. Lange glatte, hochwertig wirkende Fläche dominieren, edel wirkt das Material ringsum - ganz klar, der neue Multivan hat seine Nutzfahrzeug-Wurzeln hinter sich gelassen. Ein Zehn-Zoll-Display bündelt alle Informationen und Internetangebote, es gibt sechs USB-Anschlüsse und beim Ambientelicht innen kann man unter 30 Farben wählen.

VW hat den Multivan ordentlich abgespeckt, mehr als 200 Kilogramm wurden eingespart. An Gewicht verloren haben die vorderen Kotflügel, weil Aluminium eingesetzt wurde, am Fahrwerk wurde Feinarbeit geleistet und auch das Mobiliar trägt zum Gewichtsschwund bei. Die Sitze wiegen je nach Ausführung zwischen 23 und 29 Kilogramm, 25 Prozent, weniger als die im bisherigen Multivan. Ein- und Ausbau fallen daher leichter.

Angeboten wird eine sehr variables Sitzkonzept, man kann sich in Reihe platzieren oder auch gegenüber. Strom in den Befestigungsschienen sichert, dass die Sitze bei jeglicher Konfiguration auch elektrisch bedienbar sind. Hinzu kommen davor oder dazwischen diverse Ablageflächen für die Passagiere. Durch zwei elektrisch öffnende Schiebetüren (Serie) gelangt man in den Fonds. Schön: Der Sensor für das Türöffnen per Fuß ist jetzt so sensibel und breit, dass man nicht mehr nach dem richtigen Öffnungspunkt suchen muss.

Dachhoch beladen passen 469 Liter Gepäck hinter die letzte Sitzreihe, werden alle Sitze ausgebaut kommen bis zu 3.672 Liter unter. Die um 20 Zentimeter auf 5,17 Meter verlängerte Karosserie der Langversion kann bei identischem Radstand sogar 763 bis 4.053 Liter einladen. Neu ist ein 1,8 Quadratmeter großes Panorama-Glasdach.

In immer größer werdender Anzahl gibt es auch hier Sicherheitsassistenten, deren Umfang per Aufpreis jederzeit erweiterbar ist. Immer dabei sind die City-Notbremse, Ausweichunterstützung und Abbiegeassistent, Verkehrszeichen- und Müdigkeitserkennung sowie der Spurhalteassistent.

Mit dem aktuellen Multivan bricht VW 2021 mit einer Tradition. Erstmals wurde der T7 ausschließlich als Kleinbus konzipiert. Im Marketingsprech heißt das beim Wolfsburger Hersteller nun „People-Mover“. Und tatsächlich nur für Menschen ist der Mover Multivan T7 gedacht, nicht mehr als vielseitiger Transporthelfer für Gewerbetreibende. Die müssen noch den alten T 6.1 nehmen, genauso wie Camper, denn er bildet auch die Basis für den California.

  • Technischen Daten:
  • Länge x Breite x Höhe (m): 4,97 x 1,94 x 1,91, Radstand (m): 3,12., Benzinmotor: Vierzylinder-Benziner, 1.395 Kubik, Sechs-Gang-Automatik, Plug-in-Hybrid: E-Motor: 86 kW, Systemleistung 216 PS, Gesamtdrehmoment: 350 Nm, Höchstgeschwindigkeit: 190 km/h, Kohlendioxidausstoß 34 g/km, Verbrauch (Norm): 1,5 Liter 100 km, Leergewicht 2.120 kg, Zuladung 669 kg. Kofferraumvolumen: 469-3.672 Liter, max. Anhängelast: 2.000 kg, Basispreis e-Hybrid: 57.173 Euro, Grundpreis Multivan T7 mit Benzinmotor: 44.839 Euro (136 PS).