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Anspruch auf Sonderurlaub: Auszeit für die Pflege

Von Sebastian Knoppik 02.06.2008, 07:50

Münster/Frankfurt/Main/dpa. - Katastrophen kommen meist unerwartet. Was tun, wenn ein Angehöriger einen Schlaganfall hat und man selbst berufstätig ist? Vom einen auf den anderen Tag muss dann eventuell ein Heimplatz organisiert werden.

Viele Menschen wollen sich über einen bestimmten Zeitraum auch selbst um den Angehörigen kümmern. In beiden Fällen soll das neue Pflegezeit-Gesetz ab 1. Juli Hilfe bieten.

Wer plötzlich einen Pflegefall in der Familie hat, kann zunächst die «kurzzeitige Arbeitszeitverhinderung» in Anspruch nehmen. «Diese zehn Tage dienen zum Organisieren der Pflege und stehen jedem Beschäftigten zu», erklärt Silke Niewohner, Leiterin der Landesstelle Pflegende Angehörige in Münster. Darüber hinaus haben Angehörige Anspruch auf bis zu sechs Monate unbezahlten Urlaub, wenn sie sich selbst um die Pflege ihrer Familienmitglieder kümmern. «Diese Pflegezeit ist allerdings nur bei Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern möglich.»

Voraussetzung für beide Varianten ist, dass es um einen nahen Angehörigen geht, also zum Beispiel um Eltern, Ehepartner, Großeltern oder eigene Kinder. Während der Pflegezeit bekommt der Mitarbeiter kein Gehalt. Allerdings ist er zumindest teilweise weiterhin sozialversichert. «Für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung während der Pflegezeit gibt es eine sehr gute Lösung», sagt Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) in Berlin.

So sei der Arbeitnehmer während der Pflegezeit in der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung weiterversichert. Das gilt nicht für die Kranken- und Pflegeversicherung. Hier sollte sich der pflegende Angehörige nach Angaben des SoVD freiwillig oder privat versichern, wenn er nicht über ein anderes Familienmitglied mitversichert ist.

Experten empfehlen, sich vor dem Thema im Gespräch mit dem Arbeitgeber nicht zu drücken: «Man sollte so früh wie möglich die Frage besprechen, ob es eventuell zu einer Situation kommt, in der Angehörige zu pflegen sind», rät Stefan Becker, Geschäftsführer der gemeinnützigen Beruf und Familie GmbH in Frankfurt.

Ein solches Vorgehen vermeide Überraschungen beim Chef, wenn der Mitarbeiter schnell die Pflegezeit in Anspruch nehmen möchte. Einige Unternehmen sind bereits vorbereitet und bieten laut Becker Unterlagen dazu an, welche Möglichkeiten es in der jeweiligen Stadt etwa zur Kurzzeitpflege oder zur Beratung von Angehörigen gibt.

In manchen Fällen könne es sinnvoll sein, für den Arbeitnehmer einen Telearbeitsplatz einzurichten, sagt Becker. Auch Teilzeitarbeit sei eine Alternative. «Wenn der Mitarbeiter im Schichtdienst arbeitet, gibt es die Möglichkeit, in sogenannten Familienschichten, die nicht rotieren, zu arbeiten.» In jedem Fall sollte das Problem nicht verdrängt werden, empfiehlt Becker: «Die Mitarbeiter sollten aktiv und offensiv das Gespräch mit dem Vorgesetzten suchen.»

Informationen: Die Landesstelle für pflegende Angehörige in Münster hat ein kostenloses Info-Telefon eingerichtet, an dem auch Fragen zur Pflegezeit beantwortet werden, Telefon: 0800/220 44 00.

INFO: Teilzeit ist Alternative zur Pflegezeit

Eine Teilzeitstelle kann die Lösung sein, wenn jemand einen Angehörigen pflegen muss, aber nicht komplett aus dem Beruf aussteigen möchte. Darauf weist Stefan Becker von der Beruf und Familie gGmbH hin. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz hat ein Arbeitnehmer nach mindestens sechsmonatiger Beschäftigung in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit, wenn nicht wesentliche betriebliche Gründe entgegenstehen. Die Teilzeitarbeit muss aber mindestens drei Monate vorher beantragt werden.

Weitere Informationen: www.beruf-und-familie.de