Anliegerbeiträge Anliegerbeiträge : Verjährungsfristen werden geprüft

Halle (Saale)/MZ. - Bernd H., Wittenberg: Bei uns wurde in den 1990er Jahren eine Straße gebaut. Dafür sollen wir jetzt zahlen. Das müsste doch eigentlich verjährt sein?
Antwort: Laut Kommunalabgabegesetz Sachsen-Anhalt ist es möglich, für solche lange zurückliegenden Baumaßnahmen noch Beiträge zu erheben. Es gibt allerdings jetzt einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, in dem es um die Verjährung von Beitragsforderungen geht. Darin heißt es, die Legitimation solcher Forderungen verflüchtige sich mit zunehmender Zeitdauer. Das könnte ein Ansatzpunkt für eine erfolgreiche Gegenwehr sein. Dazu müssten Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen und bei dessen Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht klagen. Mit Blick auf die Kostenfrage ist es empfehlenswert, sich zu einer Prozessgemeinschaft zusammenzuschließen.
Jürgen T., Wörlitz: Es soll eine Verfassungsbeschwerde gegen Straßenausbaubeiträge gegeben haben. Können Sie bitte Näheres dazu sagen? Bei uns werden nach 19 Jahren laut Kommunalabgabegesetz solche Beiträge erhoben.
Antwort: Das Bundesverfassungsgericht hat sich am 5. März 2013 mit einem Beschluss zu der Verjährung von Beitragsbescheiden geäußert. Darin wurde die bayerische Praxis verurteilt, dass der Beitragsempfänger sich nicht sicher sein kann, wann eine Forderung verjährt. Dieser Beschluss gilt für Bayern. In ihm sind aber eine Reihe von prinzipiellen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen formuliert, die für alle Bundesländer gelten. Diese stellen nach Auffassung des VDGN viele Handlungen von Kommunen im Beitragsrecht auf den Prüfstand, vor allem in Bezug auf die Zeitdauer von zu erhebenden Beiträgen.
Rainer H., Köthen: Es geht um unseren Anlieger-Abwasserbeitragsbescheid. Wir haben ein Gartengrundstück ohne Trinkwasseranschluss. Mit der Begründung, dass es sich um Bauland handele, wird entsprechend der Satzung ein Abwasserbeitrag von uns erhoben. Ist denn das korrekt?
Antwort: Wenn ein öffentlicher Abwasserkanal gelegt wird, können laut Kommunalabgabengesetz die Eigentümer der Grundstücke, deren Anschluss daran möglich ist, zu der Beitragsabgabe herangezogen werden. Insofern ist das korrekt. Den Bescheid sollten Sie trotzdem genau prüfen.
Marion K., Wittenberg: Es geht um den Straßenausbau-Anliegerbeitrag in Bezug auf ein Privatgrundstück und ein Privatgrundstück mit einer Firma darauf. Wieso muss für letzteres das anderthalb bis zweifache mehr bezahlt werden als für das reine Privatgrundstück? Unsere Straße wurde 2012 ausgebaut.
Antwort: Die gewerbliche Nutzung eines Grundstückes wird in Bezug auf Straßenausbaubeiträge anders gewertet als die reine Privatnutzung. Das ist jeweils in den Straßenausbaubeitrags-Satzungen der Gemeinde beziehungsweise der Stadt festgeschrieben. Unter dem Passus „gewerbliche Nutzung“ können Sie sich in Ihrer Satzung darüber informieren.
Karin N., Mansfeld-Südharz: In unserer Gemeinde wird eine Abwasserleitung gelegt. Die Beiträge dafür werden auf die Anlieger umgelegt. Dürften die Kosten für einige leerstehende Häusergrundstücke, die meines Wissens der Stadt gehören, auf uns mit verteilt werden?
Antwort: Grundsätzlich wird die Höhe der Beitragserhebung auf Basis der Gesamtinvestition kalkuliert. Der jeweilige Beitrag wird pro Quadratmeter Grundstücksfläche erhoben und zwar immer von dem Grundstückseigentümer. Wie viele Menschen beispielsweise in einem auf dem Grundstück stehenden Haus wohnen, spielt keine Rolle. Im Fall der leerstehende Häuser, die nach Ihrer Annahme der Stadt gehören, müsste der Beitragsbescheid an den jeweiligen Grundstückeigentümer - also die Stadt - gehen. Im Zweifelsfall können Sie gegen Ihren Beitragsbescheid begründeten Widerspruch einlegen. Nur auf diese Weise können Sie auch erfahren, ob die kommunalen Grundstücke einbezogen wurden.
Herbert G., Dessau-Roßlau: An unserer Straße wird ein Mischwasserkanal neu gelegt. Uns wurde schriftlich angekündigt, dass das gemäß Straßenausbausatzung und Kommunalabgabegesetz zu einem Kostenanteil für uns von 2,11 Euro pro Quadratmeter Grundstücksgröße führt. Ist das rechtens?
Antwort: Zum Straßenausbau gehört auch die Straßenentwässerung, also das Abführen des anfallenden Regenwassers. Insofern ist ein Anlieger-Beitragsbescheid rechtens.
Günter B., Bad Dürrenberg: Bei uns wird eine neue Trinkwasserleitung gelegt. Ist es richtig, dass wir die Kosten für den Teil der Trinkwasserleitung auf unserem Grundstück übernehmen müssen?
Antwort: Generell werden die Kosten für das Legen der Leitung bis zur Grundstücksgrenze von Ihrem Wasserversorger getragen. Für die Leitungen auf Ihrem Grundstück müssen Sie sowohl für das Verlegen als auch für die Wartung selbst aufkommen. Lesen Sie bitte in der Satzung Ihres Zweckverbandes nach, was hierzu festgelegt ist.
Hans K., Saalekreis: Wir zahlen jedes Jahr einen wiederkehrenden Beitrag für Straßenbau in der Gemeinde. Über die Jahre ist die Gesamtbelastung ziemlich hoch. Eigentlich sehen wir das nicht ein. Wie kommt so etwas überhaupt zustande, und was können wir dagegen tun?
Antwort: Die Gemeinden sind gesetzlich gezwungen, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Sie können es sich in Sachsen-Anhalt aber aussuchen, ob sie einmalige oder wiederkehrende Beiträge erheben. Auch gegen wiederkehrende Beiträge kann man Widerspruch einlegen und auch klagen. Die Frage ist immer, ob eine Beitragserhebung korrekt abläuft - etwa ob die aufgerufenen Kosten so überhaupt auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden dürfen.
Peter F., Merseburg-Querfurt: Unser Grundstück war schon zu DDR-Zeiten an die Kanalisation angeschlossen. Jetzt sollen wir einen sogenannten Herstellungsbeitrag II bezahlen. Wie kann das denn sein? Bei uns hat sich ja nichts verändert.
Antwort: Laut Kommunalabgabegesetz Sachsen-Anhalt können bei sogenannten Altanschließern Beiträge für Investitionen in die Ver- und Entsorgungssysteme seit der Wiedervereinigung eingefordert werden. Auch gegen solche Beitragsbescheide kann man Widerspruch einlegen beziehungsweise Klage vor dem Verwaltungsgericht führen, um die zugrundeliegende Satzung und die Beitragskalkulation überprüfen zu lassen. Das ist allerdings mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, wenn man den Prozess verliert. Der aktuelle Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Verjährung von Beitragsforderungen bietet allerdings Ansatzpunkte, die Verfassungsmäßigkeit des Herstellungsbeitrages II grundsätzlich in Frage zu stellen.
Beate R., Harzkreis: Wir haben seit DDR-Zeiten ein Wochenendgrundstück gepachtet. Dessen Eigentümer kommt uns jetzt mit einer Rechnung für den Straßenbau vor dem Grundstück. Wir sollen die Kosten übernehmen, da wir ja das Grundstück nutzen. Ist das rechtens?
Antwort: Bezahlen muss einen Beitrag für den Straßenausbau oder die Erschließung immer erst einmal der Grundstückseigentümer. Für Ihr Pachtverhältnis aus DDR-Zeiten gilt das Schuldrechts-anpassungsgesetz. Nach diesem Gesetz kann der Grundstückseigentümer 50 Prozent des Beitrags für den Straßenbau auf den Pächter abwälzen – verteilt allerdings auf zehn Jahre. Sie sollten sich aber den Beitragsbescheid und einen Nachweis zeigen lassen, dass der Beitrag tatsächlich gezahlt worden ist. Außerdem sollten Sie prüfen, ob der Bescheid nicht wegen offensichtlicher Fehler hätte angefochten werden müssen. Ganz entziehen können Sie sich der Forderung nur, indem Sie den Pachtvertrag kündigen.
Klaus O., Mansfeld-Südharz: Wir sind Eigentümer eines Grundstückes mit Haus. Einen Abwasseranschluss haben wir nicht. Jetzt verlangt die Kommune auf einmal, dass wir pro Jahr eine Ladung unseres Swimmingpool-Wassers in die Kanalisation einleiten. Kann das denn sein?
Antwort: Grundsätzlich ist ausschlaggebend, was die Kommune in ihrer Satzung festgeschrieben hat. Wenn dort steht, dass Pool-Besitzer verpflichtet sind, Wasser in die Kanalisation einzuleiten, müssen Sie sich danach richten. In diesem Fall kann die Kommune auch verlangen, dass Sie die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen, sprich eine Abwasserleitung legen. Prinzipiell ist bei solch einer Regelung jedoch die Nachprüfbarkeit zu hinterfragen.
Sylvia L., Halle: Mein Mann hat ein Grundstück geerbt. Es handelt sich um eine Wiese inmitten anderer großer Grasflächen. Jetzt soll er Beiträge für den Straßenausbau, den Fußweg und die Beleuchtung zahlen, obwohl das Grundstück gar nicht an die Straße grenzt. Ist das rechtens?
Antwort: Jedes Grundstück ist immer einer Straße zugeordnet. Für die Erhebung von Anliegerbeiträgen ist es aber nicht zwingend erforderlich, dass das Grundstück direkt an diese Straße grenzt. Ihr Mann kann also zur Beitragszahlung herangezogen werden. Ausschlaggebend ist dabei allein die Fläche der Wiese. Da es sich vermutlich nicht um Bauland handelt, achten Sie aber darauf, dass im Beitragsbescheid der Nutzungsfaktor in jedem Fall unter 1 liegt.
Gerd P., Dessau-Roßlau: Wir sollen einen recht hohen Beitrag für die erneuerte Straße vor unserem Haus zahlen. Gern würden wir dagegen klagen. Wir sind aber gewarnt worden, das Ganze könne noch teurer werden, wenn wir den Prozess verlieren. Gibt es andere Möglichkeiten?
Antwort: Sie können sich mit anderen Betroffenen in der Straße zu einer Prozessgemeinschaft zusammenschließen, um dann zusammen ein Musterverfahren zu finanzieren, dessen Ergebnis alle akzeptieren müssen. Dazu müssen Sie allerdings Verhandlungen mit der Kommune aufnehmen, um mit ihr eine Vereinbarung über das Musterverfahren abzuschließen. In der Regel ist es ratsam, zur Bildung einer Prozessgemeinschaft einen Verband wie den VDGN einzuschalten, der über Erfahrungen auf diesem Gebiet und Möglichkeiten zur neutralen Verwaltung des eingezahlten Geldes verfügt.
Fragen und Antworten notierten Dorothea Reinert und Kornelia Noack.