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Älteste staatliche Vogelschutzwarte wird 100

01.04.2008, 11:04

Seebach/dpa. - Seebach Seltene Vögel sind in Seebach unter sich: Ein Pfau stolziert im Schlossgarten und seltenes Federvieh tummelt sich zwitschernd in den Volieren. Deutschlands älteste staatliche Vogelschutzeinrichtung beging am 1. April 2008 ihr 100-jähriges Bestehen.

1908 hatte die von Hans Freiherr von Berlepsch (1857-1933) privat betriebene Versuchs- und Musterstation die staatliche Anerkennung erhalten. «Ein für damalige Verhältnisse herausragendes Ereignis, weil der Vogelschutz dadurch überhaupt erst populär wurde», sagte Stefan Jähne. Der 37-Jährige leitet seit einem Jahr die in der Seebacher Wasserburg untergebrachte Einrichtung, die zur Jenaer Landesanstalt für Umwelt und Geologie gehört und eine von insgesamt zehn Vogelschutzwarten in Deutschland ist.

Berlepsch habe durch seine Pionierarbeit auf dem Gebiet des Vogelschutzes nicht nur seine Wasserburg bekanntgemacht, sondern auch die Notwendigkeit des Vogelschutzes erstmals wissenschaftlich begründet. Mit einem Festakt in der Burg am 17. April soll an das herausragende Ereignis erinnert werden. Bereits am 10. April erscheint eine Sonderbriefmarke mit dem Wasserschloss. Drei Sonderstempel mit abgebildeten Vögeln und einem Bildnis von Berlepsch ergänzen die Jubiläumsedition.

Schon 1885 hatte Berlepsch begonnen, den Park seiner Burg zu einem Vogelschutzpark umzugestalten. Sein Ruf begründet sich in den von ihm entwickelten künstlichen Nisthilfen für nützliche Singvögel. So sollte deren Bestand wieder erhöht werden. Gleichzeitig war damit ein wirksames Mittel zur Schädlingsbekämpfung gefunden.

Die aus dem 12. Jahrhundert stammende Wasserburg Seebach war zwischen 1911 und 1914 so umgebaut worden, wie man sie heute noch vorfindet. Steinerne Nisthöhlen an den Außenwänden, ein vogelgerecht angelegter Park und die Volieren sind Anzeichen für eine Symbiose von Vogelwelt und Burg. Zur Vogelschutzwarte kommen jährlich zahlreiche interessierte Besucher und Vogelliebhaber, nicht unbedingt nur Fachleute. Sie bringen bis zu 250 Vögel mit Frakturen, Schocks oder inneren Verletzungen. Durchschnittlich 60 davon sind Greifvögel und Eulen. «Die werden dann gepflegt und in den meisten Fällen wieder ausgewildert», erklärte Jähne. 10 000 Euro werden jährlich aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt.

Großes Interesse an der Vogelschutzwarte haben auch die Ornithologen. Sie kommen beispielsweise zu den zweimal jährlich stattfindenden Stimmenexkursionen oder um neue Beobachtungsergebnisse mitzuteilen. Großen Zulauf registriert die Einrichtung auch von Schulklassen aus der Region. Nicht nur Kinder bestaunen die rund 100 Jahre alte Eiersammlung: In Watte und Holzkästen gepackt und exakt beschriftet umfasst sie 3000 Eier von 400 Vogelarten.

Dass jährlich rund 3000 Besucher Schloss und Garten besichtigen können, ist neben den vier hauptamtlichen Mitarbeitern auch ein Verdienst der «Freunde der Vogelschutzwarte Seebach». Der nach der Wende gegründete Verein hat inzwischen 91 Mitglieder. Vereinsmitglieder laden ab Mai wieder zu regelmäßigen Führungen am Wochenende ein. Ein bis drei Stunden kann ein Rundgang dauern: Vom Schloss geht es zur Auffang- und Pflegestation vorbei an Nistkästen und Futterglocken, am Teich entlang zum barocken Park. «Wann immer jemand am Burgtor klingelt wird er eingelassen», beschreibt Jähne den Umgang mit Besuchern. Zur Zeit sind neben Uhus und Turmfalken auch Schwarzstörche, Baumfalken, Schleiereulen, Waldkauze sowie Singdrosseln zu bewundern.

Vor allem in den Wintermonaten wird in der Vogelschutzwarte überwiegend wissenschaftliche Arbeit geleistet, sei es für Rote Listen oder Genehmigungsverfahren für Windparks. Künftig werde der Beobachtung der Vögel noch größere Aufmerksamkeit geschenkt, sagte Jähne. «Nur wenn die Verhaltensweisen bedrohter Tiere bekannt sind, können wir sie wirklich schützen». Zu den gefährdeten Arten zähle auch der rote Milan. Nur noch ein Vertreter könne derzeit in Seebach besichtigt werden.

«Für Seebach sind Berlepsch und seine Vogelschutzwarte ein Glücksfall», freute sich Hans-Martin Menge, Bürgermeister der 700- Einwohner-Gemeinde und Vorsitzender des Vereins. Damit das so bleibt, habe der Verein dem bisher einsamen Pfau ein Weibchen an die Seite gestellt. Die «organisierte Zweisamkeit» soll nicht nur für Nachwuchs sorgen, sondern den Prachtvogel künftig auch davon abhalten, den Seebachern die Autotüren zu zerkratzen.

Informationen: www.vogelschutzwarte.de (dpa)