Ältere Arbeitnehmer Ältere Arbeitnehmer: Projekte wie Jahresringe ermöglichen Neustart

Halle (Saale)/MZ - Die sogenannten Alten sind plötzlich wieder interessant für den Arbeitsmarkt. Das hat zwei wesentliche Gründe. Erstens fehlen aufgrund des demografischen Wandels zunehmend junge Fachkräfte. Zweitens hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass alt nicht gleich schlecht bedeutet. Ganz im Gegenteil: „Ältere Arbeitnehmer sind allgemein sehr zuverlässig und fehlen im Durchschnitt weniger oft als ihre jüngeren Kollegen“, sagt Sylvia Tempel, Geschäftsführerin des Jobcenters Halle. Das liege zum Teil daran, dass sie sich nicht mehr um kleine Kinder kümmern müssen. Ein weiteres Plus sind nach ihren Worten die beruflichen Erfahrungen.
Das neue Interesse der Wirtschaft an der Generation Ü 50 ist ein Auslöser für das Programm Perspektive 50plus des Bundesarbeitsministeriums gewesen. Der Beschäftigungspakt läuft seit 2005 bundesweit, wird über die Jobcenter organisiert und hat regional unterschiedliche Bezeichnungen. In Halle zum Beispiel heißt das Projekt Jahresringe.
„Wir haben auf der einen Seite Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen“, erklärt die Geschäftsführerin. „Und auf der anderen Seite gibt es einen hohen Anteil von Menschen jenseits der 50 unter den Arbeitslosen.“ Ein Ziel von Jahresringe besteht folgerichtig darin, Arbeitgeber auf ältere Arbeitsuchende aufmerksam zu machen.
Für welchen Personenkreis kommen 50plus-Projekte wie Jahresringe infrage?
Wer Arbeitslosengeld II bezieht und mindestens 50 Jahre alt ist, kann über dieses Programm gefördert werden. Ein Höchstalter gibt es nicht. „Aber ab 60 Jahre wird es schwierig“, sagt Tempel. Abgesehen vom Alter spielen die Erfolgsaussichten eine Rolle. „Die Leute müssen noch eine Chance auf Integration haben“, erklärt die Behördenchefin. Welche Qualifikation hat der Betroffene? Mit welchem Aufwand muss er fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden? Wie steht es um seine Gesundheit? Existieren psychische Einschränkungen? Mit solchen und ähnlichen Fragen befassen sich die Vermittler, bevor ein Urteil über die Erfolgsaussichten gefällt wird.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass es in der Regel um Menschen geht, die viele Jahre keiner Arbeit nachgegangen sind“, sagt Tempel. Das habe natürlich Spuren hinterlassen. Oftmals müsse ihnen zum Beispiel geholfen werden, zurück zu einem geregelten Tagesablauf zu finden, sagt sie. Ganz zu schweigen von der Hilfe, um psychische Probleme zu bewältigen. Da die ALG-II-Bezieher mit unterschiedlichen Voraussetzungen in das Projekt Jahresringe kommen, werden sie dort auch unterschiedlich intensiv begleitet und gefördert (siehe Beitrag: „Betreuung erfolgt teilweise über mehrere Jahre“).
Was können Arbeitsuchende erwarten?
Der Projektträger bietet ihnen in der Regel eine sogenannte modulare Schulung an. Das heißt, es wird je nach Bedarf gefördert. Bewerbungsunterlagen erstellen, Stressbewältigung, fachliche Lehrgänge wie Schweißerpass - das sind gängige Angebote. „Auch wenn es vielleicht seltsam klingt, selbst eine Art Stilberatung kann dazu gehören“, sagt Tempel. Das sind zum Beispiel Tipps, wie jemand zum Bewerbungsgespräch erscheinen und auftreten soll. Man müsse berücksichtigen, dass es hier um Menschen gehe, die nicht nur über Jahre vom Arbeitsleben abgeschnitten gewesen seien, so die Geschäftsführerin. Sie hätten oft auch die sozialen Kontakte verloren. Kurz gesagt, es fällt ihnen womöglich schwer, ohne fremde Hilfe einen guten Eindruck beim Bewerbungsgespräch zu hinterlassen.
Abgesehen davon besteht auch mit 50 noch die Chance, zu einem kompletten beruflichen Neuanfang. Aber nur dann, so heißt es, wenn nach Prüfung aller Umstände eine tatsächliche berufliche Chance gesehen wird.
Wie können Arbeitgeber vom Projekt profitieren?
Mit Hilfe von Jahresringe und vergleichbaren Projekten können Arbeitgeber sich zum Beispiel geeignete Arbeitskräfte suchen lassen. Möglich sind auch berufliche Qualifizierungen, die über das Programm finanziert werden. Im Zuge eines Praktikums haben Unternehmen die Chance zu prüfen, ob Praktikanten zu ihnen passen. Abgesehen davon gibt es unter Umständen einen Eingliederungszuschuss. Der kann ein Jahr lang bis zu 50 Prozent des Lohns betragen. Wobei die Projektleiterin Susann Wilke-Wernicke von solchen pauschalen Aussagen nicht viel hält. „Wir müssen immer die genauen Umstände berücksichtigen“, sagt sie.
Wann endet die Betreuung der vermittelten Personen?
Das ist nach den Worten der Geschäftsführerin des Jobcenters unterschiedlich. Wenn trotz Vermittlung noch aufgestockt werden muss, weil der Lohn oder das Gehalt zu gering ist, bleibt nach ihren Worten der Kontakt zur Behörde ohnehin bestehen. Abgesehen davon erstreckt sich die Nachbetreuung in der Regel über mehrere Monate. Meist ist es ein halbes Jahr. In dieser Zeit bleibt der Vermittler des Projektes Jahresringe die Bezugsperson für den Vermittelten. „Unsere Kunden können jederzeit kommen, brauchen keine Termine vorher zu vereinbaren“, erklärt Wilke-Wernicke.
Wer ist Ansprechpartner für ALG-II-Empfänger?
Wer sich für Jahresringe interessiert, sollte sich nach den Worten von Tempel an seinen Vermittler wenden. Abgesehen davon schreibt das Jobcenter von sich aus den Personenkreis an, der 50 Jahre alt geworden ist und in die Zielgruppe von Perspektive 50plus passt.