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Alte Rezepte Alte Rezepte: «Zwischen Feldgieker und Süßkuchen»

Von Claudia Götze 18.11.2008, 10:14

Mühlhausen/dpa. - Wurststopfmaschine, Kartoffelpresse, Butterschleuder, Gurkentöpfe und Milchkanne: Mit über 100 Leihgaben regionaler Museen und Initiativen wollen die Mühlhäuser Museen antypische Gerichte aus dem Unstrut-Hainich-Kreis und alte Techniken der Lebensmittelverarbeitung erinnern. Die Sonderausstellung «Zwischen Feldgieker und Süßkuchen» sei die erste Schau des Hauses zu einem kulinarischen Thema, sagt Museumschef Thomas Müller. «Wir wollen auch auf die Schätze neugierig machen, die die Dorfmuseen und Ausstellungen beherbergen.» Von Donnerstag an bis 15. Februar sind die Exponate von 15 Leihgebern täglich außer montags am Lindebühl zusehen.

Kalorientabellen, Diäten und Konservierungsstoffe spielten keineRolle, wie die ausgestellten Kochrezepte aus Großmutters Zeitenbelegen. Mit zahlreichen Aktionen soll während der Ausstellungszeit an überlieferte Koch- und Backkünste erinnert werden. Im Advent wird es vor dem Museum zudem ein Schaukochen geben. Firmen werden sich mit ihren traditionellen Produkten präsentieren. Anstelle eines Katalogs wurde ein über 100 Jahre altes Mühlhäuser Kochbuch mit den «besten Rezepten für den bürgerlichen Mittagstisch» neu aufgelegt.

Für den Besucher lösen sich durch einen Museumsbesuch auch manche Rätsel: Er erfährt, dass Spargel bitter schmeckt, wenn er zu dicht am Wurzelstock gestochen wird. Der «Feldgieker», eine Wurstspezialität aus dem Eichsfeld, heißt deshalb so, weil er auf dem Feld aus der Tasche des Bauern heraus guckte. Der perfekte Kloß ist am Schwimmverhalten im Kochtopf zu erkennen. Auch das Geheimnis des Süßkuchens, auf den noch heute viele Mühlhäuser schwören, wird gelüftet. Das aus Malzmehl hergestellte braun farbene Produkt wird seit alters her in der Fastenzeit gebacken und noch immer von ortsansässigen Bäckereien angeboten.

Gebacken wurde auch das «Kartoffelgeschmink», ein einst beliebtes Sonntagsessen in der Vogtei unweit von Mühlhausen. Aus der Heimatstube Oberdorla stammt der Backtrog mit einer Nachbildung aus Kartoffel, Hammel- oder Schweinefleisch und Birnen - den Bestandteilen des «Geschminkes». Vor dem Sonntagsgottesdienst wurde der Behälter samt Zutaten zum Backhaus gebracht, anschließend von dort abgeholt und auf den Mittagstisch gestellt.

Ausstellungsleiterin Steffi Maass ist bei der Suche nachgeeigneten Leihgaben auf eine Fülle musealer Schätze gestoßen. In Herbsleben fand die Museumspädagogin Exponate zum Spargelanbau. Aus Faulungen brachte sie einen riesigen Topf mit, der wie ein Waschkessel aussieht, aber bis heute zum Muskochen verwendet wird. Aus Hüpstedt bekam sie Wurststopfmaschinen in verschiedenen Ausführungen, einen Holztrog und weitere Geräte für die einst üblichen Hausschlachtungen. Ein riesiger Bienenkorb aus Wiegleben steht für die Honigproduktion und eine Windfege aus Struth, mit derdie Spreu vom Weizen getrennt wurde, für die Getreideverarbeitung.

«Ältestes» Ausstellungsstück ist die Nachbildung einerGetreidemühle, wie sie vor über zweitausend Jahren genutzt wurde. «Die äußerst beschwerliche Getreideverarbeitung kann vom Besucher nachvollzogen werden», erläutert Müller. Der Weg vom Korn zum Brot war damals besonders lang. Auch Obst, Milch und Fleisch wurden mit der Hand verarbeitet. Belege dafür sind Saft- und Wurstpressen. Thema sind zudem die zahlreichen Bierbrauereien in Mühlhausen und die Sektkellerei in Bad Langensalza.

Aus der Heimatstube in Großengottern stammen die Utensilien, diean die 1833 von Ferdinand Bertram gegründete Konservenfabrikerinnern. Die Tradition des Gurkeneinlegens war im Ort weitverbreitet. «Immer galt: 50 Gramm Salz auf einen Liter Wasser»,erklärt Ortschronistin Ingrid Baumgardt. Noch 1948 gab es siebenGurkeneinlegereien im Ort. Die weit über die Grenzen Thüringensbekannte «Rokofa» schloss 1992 wegen Absatzproblemen ihre Tore.Inzwischen führt das Familienunternehmen «Schweitzer» die Tradition fort - auch dank eines umfangreichen Sortiments an Bioprodukten.

Viele der Originale sind deshalb noch so gut erhalten, weil sieangesichts der Mangelwirtschaft in der DDR-Zeiten in Gebrauch waren, ist Maass überzeugt. In Führungen will sie Kindergartenkindern, Schülern und Erwachsenen auch davon erzählen.