Zweiter Weltkrieg Zweiter Weltkrieg: Brite recherchierte das Schicksal einer deutschen Familie
Weilerswist/London/dpa. - «Was die Familie Steffens erdulden musste, ist extrem, aber nurein Beispiel für die Tragödien, die sich damals ereigneten», sagtCatlin, der zwölf Jahre in Deutschland arbeitete und heute imenglischen Lincolnshire lebt. Bereits in den 60er Jahren hatteer die Steffens über einen Schüleraustausch kennen gelernt. Von ihrerFamiliengeschichte erfuhr er erst später und fühlte sich an dasKinodrama vom «Soldat James Ryan», dem letzten Überlebenden von vieramerikanischen Brüdern, erinnert. Auch die Geschichte der Steffenswird jetzt verfilmt. Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) arbeitet zurZeit an einer Mischung aus Fernsehfilm und Dokumentation.
«Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Deutsche meinerGeneration, die direkt nach dem Krieg geboren wurden, nur eine vageVorstellung von dem außerordentlichen Schicksal ihrer Familien haben.Auch im Ausland ist das tägliche Leiden der deutschen Bevölkerung nurselten thematisiert worden. All das muss endlich erzählt werden»,erklärt Catlin, Jahrgang 1946. «Einem Ausländer fällt das leichter.»
Als Catlin vor fünf Jahren mit seinen Nachforschungen begann, warder älteste Sohn Heinz, der sich in den frühen 60er Jahren aufdie Suche nach seinen Brüdern gemacht hatte, bereits tot. Auch seinBruder Ludwig, der als gefallen galt, Jahre nach Kriegsende aber ausder Gefangenschaft heimkehrte, konnte ihn nicht mehr unterstützen.
«Ich hatte von Heinz' Sohn, mit dem ich seit vielen Jahrenbefreundet bin, eine Kiste mit Briefen der Mutter und der Söhneerhalten», erzählt Catlin. «Das war mein einziger Ausgangspunkt.»Catlin befragte Zeitzeugen in Deutschland, Holland und Tschechien,durchsuchte Archive und studierte Feldberichte.
Das Bild, das sich ihm schließlich bot, war erschütternd: «Ernstwar an der Ostfront gestorben. Sein Bruder Ludwig wurde in Ostpreußenals gefallen gemeldet, Günter, der Jüngste, in Holland. Heinz war voneinem Militärgericht wegen defätistischer Äußerungen zum Todeverurteilt worden, wurde aber verschont, weil seine Mutter "demFührer schon drei Söhne geopfert" hatte.»
Besonders das Schicksal ihres Jüngsten ließ der Mutter keine Ruhe.Zu groß erschienen ihr die Ungereimtheiten, die sich aus derNachricht der Wehrmacht über Günters Tod ergaben.
Was wirklich mit Günter geschehen war, konnten weder dessen Brudernoch Catlin herausfinden. Im Roman jedoch gibt es eine Lösung, dennfür «Brudersuche» verband Catlin reale Ereignisse und Personen mitErfundenem. So ergibt sich im Buch die Möglichkeit, dass Günterdesertiert sein könnte und unter neuem Namen weiterlebte. DemLeser erscheint diese Vorstellung zwar zunächst verlockend. Da abernicht immer klar ist, wo Realität in Fiktion übergeht, bleiben vieleFragen nach den tatsächlichen Geschehnissen am Ende offen.
«Letztlich ist es nicht wichtig, was wahr ist und was nicht»,meint Catlin dazu. Ereignisse wie das Untertauchen Günters im Romanseien in dieser Zeit an anderer Stelle tatsächlich passiert. TausendeFamilien hätten nach dem Krieg damit leben müssen, nicht zu wissen,wie der Sohn, Bruder oder Ehemann tatsächlich gestorben sei. «Wer imKrieg einen geliebten Menschen verloren hat, hat seine Träume, dassalles ganz anders gewesen sein könnte. Das muss auch so sein.»
Chris Catlin: Brudersuche Verlag Landpresse, Weilerswist 215 S., Euro 13,00 ISBN 3-935221-44-4