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Zum 90. Geburtstag von Fritz Graßhoff Zum 90. Geburtstag von Fritz Graßhoff: Der Lorbeer in der Suppe

Von Andreas Hillger 08.12.2003, 17:27

Quedlinburg/MZ. - Begonnen hatte der Autor und Maler, der Shantie-Schreiber und Halunken-Postillon seine Existenz heute vor 90 Jahren in Quedlinburg. Seinem Vater, einem ehemaligen Seemann, verdankte der Junge einen gehörigen Schuss Salzwasser in den Adern - und das Fernweh, das ihm in Evergreen-Texten wie "Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise" später das Auskommen sicherte. Zunächst aber wurde Graßhoff nach Abitur und Kirchenmaler-Lehre sowie nach einem Intermezzo als Journalist und Pressezeichner unfreiwillig in die Fremde gezogen. Vom ersten bis zum letzten Tag des Zweiten Weltkrieges war er Soldat - und hernach von allem Gehorsam geheilt.

Die Schriftstellerin Eva Demski, die Graßhoff in den 90er Jahren in der Nähe von Montréal besuchte und vor wenigen Tagen in Quedlinburg einen liebevoll-klugen Vortrag über diese Begegnung hielt, erinnert ihn als "echten Bohemién" - als enttäuschten Enthusiasten und lässigen Pedanten, klugen Nichtgrübler und grämlichen Charmeur. Umgeben von den Requisiten des fahrenden Volkes habe er sie empfangen, um sein Werk in Ermangelung von Laudatoren selbst zu würdigen: "Da hab ich Weltliteratur gemacht", sagte Graßhoff mit Blick auf sein spätes und inzwischen längst vergriffenes Roman-Debüt "Der blaue Heinrich". Und fuhr fort: "Es hat nur keiner gemerkt."

Zu merken ist der Dichter, der neben den von seinem Namen losgelösten Texten für Hans Albers und Freddy Quinn vor allem diverse Varianten seiner "Halunkenpostille" vorgelegt hat, auch heute kaum. Es fehlt an Neuauflagen seiner diesseitigen, sinnlich scharf gewürzten Gedichte, deren Ton an die von ihm verehrten und in die eigene Sprache übertragenen Schwerenöter wie den Schweden Carl Michael Bellmann oder an den alten Römer Martial erinnert. Zum Geburtstag gibt es - immerhin - im Schlossmuseum der Geburtsstadt eine Ausstellung seiner Bilder, von denen sich Graßhoff am Ende schwerer trennte als von seinen Worten.

Nun kann man sie sogar kaufen, die Karikaturen mit den männermordenden Bardamen und den garnspinnenden Seeleuten, die Bilder aus dem schwarzen russischen Winter und dem heiter durchsonnten Süden. Auch als bildender Künstler beherrscht Graßhoff viele Tonfälle, ohne dabei je die eigene Handschrift zu verleugnen. Noch im kleinsten Interieur behauptet der Mann, der in jeder Suppe ein Lorbeerblatt als Anlass für sein Fernweh finden konnte, so seine rau-romantische Weltsicht. Als Dichter hatte er sie mit sentimentalen Seefahrern wie Joachim Ringelnatz oder Bert Brecht gemein.

Dass man sich in Quedlinburg nun an den Reisenden erinnert, der von seinem Vaterland nach eigener Einschätzung "mehr Schläge als Freundlichkeit" verabreicht bekommen hat, ist eine späte Genugtuung - und fällt auf die Ehrenden zurück. Denn der Stadt im Harz verdankte Graßhoff seine Herzensbildung, die ihn bis zum Ende trug.

An dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Graßhoff in der Pölkenstraße 9 wird am Dienstag um 11 Uhr eine Gedenktafel für Fritz Graßhoff enthüllt.