«Zeitungszeugen» «Zeitungszeugen»: Nachdruck von Nazi-Hetzblättern bis 1938 erlaubt

München/dpa. - Der Nachdruck dieser Zeitungen verletze das Urheberrechtnicht, da es nach 70 Jahren erlösche. Verboten bleiben aberNachdrucke von Zeitungen, die nach dem 1. Januar 1939 erschienen sind(AZ 21 O 1425/09). Das bayerische Finanzministerium, das dieUrheberrechte für den Freistaat Bayern wahrnimmt, kündigteRechtsmittel an. Der Freistaat hatte im Januar die zweite Ausgabe von«Zeitungszeugen» beschlagnahmen lassen.
Der englische Herausgeber von «Zeitungszeugen», Peter McGee,äußerte sich nach dem Urteil zufrieden. «Wir haben jetzt dieKlarheit, die wir brauchen, um unser Projekt verantwortungsvollfortsetzen zu können», erklärte McGee. Er und der Anwalt desVerlages, Ulrich Michel, äußerten sich zuversichtlich, doch nochAusgaben ab 1939 veröffentlichen zu können. Dies könne über dieFreiheit von Zitaten in wissenschaftlichen Publikationen möglichsein, die unter bestimmten Umständen auch den Nachdruck einer ganzenZeitung als Zitat zulässt. Die 11. Ausgabe von «Zeitungszeugen»erscheint an diesem Donnerstag, beigelegt sind aber keine derumstrittenen Blätter, sondern Nachdrucke von «Germania», der«Westfälischen Landeszeitung» und des Flugblatts «WerdeRundfunkteilnehmer!».
Der zweiten Ausgabe von «Zeitungszeugen» im Januar hatten nebenbürgerlichen und sozialdemokratischen Zeitungen auch die Nachdruckedes «Völkischen Beobachters» sowie eines Nazi-Propaganda-Plakats zumReichstagsbrand vom 27. Februar 1933 beigelegen. McGee argumentiert,er wollte mit den Nachdrucken historischer Zeitungen den damaligenAlltag direkter vermitteln als in Lehrbüchern möglich.
Das Finanzministerium wies hingegen darauf hin, dass dieKomplettnachdrucke ohne weiteres der Zeitung entnommen und damitungefiltert in nationalsozialistischen Kreisen Verbreitung findenkönnten. Über das Urheberrecht wollte es ein Verbot sämtlicherNachdrucke erreichen.
Die Richter werteten als Stichtag für das Urheberrecht dasErscheinungsdatum der strittigen Zeitungen - und nicht die Todestagevon Joseph Goebbels als Herausgeber des «Angriff» und von AdolfHitler als Herausgeber des «Völkischen Beobachter» im Jahr 1945.Jedes Jahr erlischt nun dem Urteil zufolge das Urheberrecht für dieAusgaben eines weiteren Jahres.
Im Jahr 2015 erlischt damit auch das Urheberrecht fürVeröffentlichungen von Goebbels und Hitler - so auch für «MeinKampf». Der Nachdruck ist aber auch dann nur erlaubt, wenn nichtandere Gesetze verletzt werden, wie etwa das Verbot der Verbreitungvon Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen.