Woodstock Woodstock: Die Legende der Blumenkinder

New York/dpa. - AmSamstag (15. August) ist es vierzig Jahre her, dass sich fast 500 000Menschen auf einer Bauernwiese im US-Bundesstaat New York trafen, ummit Größen wie Jimi Hendrix, Janis Joplin, Joe Cocker, The GratefulDead, Canned Heat und The Who ein dreitägiges «Hochamt» für Love &Peace zu feiern. Bis heute gilt die haschgeschwängerte Veranstaltungals Höhepunkt der Hippie-Bewegung - Ausdruck für das Lebensgefühleiner ganzen Generation.
«Woodstock hat etwas berührt, einen Nerv in diesem Land. Undeinfach jeder kam», sagte der Künstler Arnold Skolnick, der daslegendäre Festival-Poster mit der Friedenstaube auf dem Gitarrengriffschuf. Wohl am besten verlieh Jimi Hendrix der Stimmung Ausdruck, alser zum Abschluss auf seiner weißen Stratocaster die amerikanischeNationalhymne «Star Spangled Banner» buchstäblich in der Luftzerriss: Die Jugend dieses Landes wollte dem Vietnamkrieg und denRassenunruhen das Bild einer friedlichen, freien, solidarischenGesellschaft entgegensetzen.
Dabei hatte der Organisator kein politisches Manifest im Sinn, alser zu «Three Days of Peace and Music» aufrief. Der damals 24 Jahrealte Musikproduzent Michael Lang wollte mit einem Freund schlichtGeld für sein Plattenstudio im US-Örtchen Woodstock auftreiben undfand zwei potente Mitstreiter für die Konzertidee - «WoodstockVentures» wurde gegründet. Doch dann kam alles anders als gedacht.
Das Festival fand gar nicht in Woodstock statt, sondern in deretwa eine Autostunde entfernten 4000-Seelen-Gemeinde Bethelnordwestlich von New York. Statt der anfangs erwarteten 50 000Besucher kamen fast eine halbe Million Menschen. Noch einmal so vieleblieben im Verkehrschaos stecken oder mussten umkehren, weil diePolizei die verstopften Zufahrtsstraßen sperrte. Und als es gleich amersten Abend wie aus Kübeln goss, verwandelte sich die riesigegemietete Wiese des Bauern Max Yasgur in eine einzige Schlammwüste.«No Rain, No Rain», skandierten die Blumenkinder, aber es nütztenichts.
Auf dem Gelände brach bald das Chaos aus. Schon nach einem Tag gabes an den Ständen nichts mehr zu essen, Trinkwasser wurde rationiert,nur Drogen aller Art waren reichlich zu haben. Eine jüdische Gemeindein der Nachbarschaft schmierte 30 000 Brote, Nachschub musste mit demHubschrauber eingeflogen werden. Und weil die 600 Klohäuschen auchnicht annähernd ausreichten, waren die hygienischen Verhältnisse baldunbeschreibbar.
«Es war einfacher zu vögeln, als sich ein Frühstück zuorganisieren», schrieb später das Musikmagazin «Rolling Stone». Dochder Stimmung tat das keinen Abbruch. Vom improvisierten «Freedom!Freedom!»-Song des Folkmusikers Richie Havens über Joan Baez'Freiheitshymne «We Shall Overcome» bis zum spektakulären Auftritt vonThe Who ließ sich das Publikum drei Tage lang von den Flower-Power-Klängen mitreißen.
Wie durch ein Wunder blieb alles friedlich. Und dass es auch beiden Musikern einen Haufen Pleiten, Pech und Pannen gab, ging imRausch des Wir-Gefühls meist unter. «Ich war voll high und konnte nurzu Gott beten, dass er mich im Rhythmus hält», erzählt CarlosSantana, der damals gerade sein Debütalbum aufgenommen hatte. «MeineGitarre fühlte sich an, als sei sie aus Gummi. Und ich hatte dasGefühl wie ein Lachs, der die Stromschnellen hochspringt.»
Finanziell wurde das Konzert ein Desaster. «Wir haben an demWochenende rund anderthalb Millionen Dollar versenkt», sagt Lang. Dienachträgliche Vermarktung durch den Medienkonzern Warner Brothersbrachte dagegen längst ein Vielfaches in die Kassen. Zum 40.Geburtstag kommen zahlreiche Neuauflagen der Musik und allein in denUSA ein gutes Dutzend Bücher auf den Markt. Der oscarprämierteDokumentarfilm, der bei einem Millionenpublikum den Mythos Woodstockbegründete, wurde restauriert und digital remastered.
Meisterregisseur Martin Scorsese, der damals am Schnitt beteiligtwar, erinnert sich in einem Beitrag zum Buch «Woodstock: Three DaysThat Rocked The World» vor allem an einen knurrenden Magen undchaotische Arbeitsbedingungen: «Was uns geholfen hat, war derGedanke, dass wir bei etwas Größerem mitmachen als bei einemRockkonzert - dass wir vielleicht bei einem wirklich historischenEreignis dabei sind.»
Heute stehen auf dem Festival-Gelände ein Museum und eingutbürgerliches Kulturzentrum, auf der eingezäunten Wiese sindCamping und laute Musik verboten. Und dass sich auch sonst seit denZeiten der bunten Blumenkinder einiges geändert hat, mussteOrganisator Lang bitter erfahren. Für geplante Revival-Konzerte inNew York und auf dem Berliner Flughafen Tempelhof fanden sichnicht ausreichend Sponsoren. Happy Birthday.