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Wilhelm Ulrich Wilhelm Ulrich: Moderner Baumeister mit Vorliebe für das Sechseck

Von GÜNTER KOWA 02.03.2009, 18:12

HALLE/MZ. - Vor einem Statikergutachten, das dem Gebäude erhebliche Schäden nachwies, war auch der Denkmalschutz eingeknickt, die Stadtverwaltung wiederum wollte einen Investor nicht verprellen. Vollends ging in der Debatte um den Abriss unter, dass der Architekt des Kaufhauses von besonderer Bedeutung für Halle war.

Er hieß Wilhelm Ulrich, geboren 1890 in einer Familie reicher Brauereibesitzer in Hessen. 1921 trat er in das Büro seines Onkels ein, des halleschen Architekten Gustav Wolff. Die Stadt sollte ihn 30 Jahre lang nicht mehr loslassen. 1951 zieht er in seine Heimatstadt Pfungstadt zurück und stirbt 1971 in Paderborn. Jetzt hat ihm eine junge Kunsthistorikerin aus Osnabrück ein spätes Denkmal gesetzt.

Sabine Klugs Dissertation ist umso verdienstvoller, als Ulrichs bauliches Erbe in Halle schwer gelitten hat. Auch die für den Kaufhausbesitzer errichtete Villa Huth war ein Fall brachialer Eingriffe, Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen Eigentümer und Denkmalbehörde und ist letztlich als Denkmal verloren.

Doch es gibt noch Ulrichs eigenes Haus, und das ist vorbildlich restauriert und gepflegt. Zum Glück, ist es doch ein singuläres Zeugnis vom Architekturverständnis seines Erbauers. Am Ratswerder entwarf er für sich und seine Familie das "Haus zu den sieben Waben". Der Name ist Programm. Ulrich war ein Modernist, der aber nicht an den rechten Winkel, dafür an das Sechseck glaubte. Sabine Klug hat Ulrichs zahlreiche, zum Teil ungedruckten Schriften neu gelesen, in denen er auf die besondere Grundrissökonomie des Sechsecks verweist. Es braucht bei gleicher Flächengröße einen geringeren Umfang als Rechteck oder Dreieck und bietet eine flexible Struktur, die gut zu belichten ist.

Ulrichs Wohnhaus ist auch heute privat, leichter zugänglich ist die Dreifaltigkeitskirche in der halleschen Südstadt. Unweit steht der Wasserturm, der in dieser Nachbarschaft wie ein Campanile wirkt. Die katholische Pfarrkirche schließt sich an ein Franziskanerkloster an und ist geradezu eine Tour de force von Ulrichs hexagonaler Architektur. Über dem zentralen Raum erhebt sich, um 180 Grad gedreht, ein ebenfalls sechseckiger Aufbau für das pyramidenförmige Dach. Darauf sitzt der Glockenstuhl auf, der ebenfalls sechseckig und wiederum gedreht ist. Wahrscheinlich schwingt mit der Grundrissform auch ein symbolischer Gehalt mit, eben die Anspielung auf die Dreifaltigkeit.

Sabine Klug verortet den Architekten denn auch in einem konservativen Katholizismus. Andererseits muss sie feststellen, dass er keineswegs dem Mystizismus huldigte - am Ende allerdings doch wohl einer fixen Idee. Ulrich hatte es finanziell nicht nötig, sehr viel zu bauen, sein Oeuvre ist eher schmal. Nach dem Krieg befasst er sich fast nur noch theoretisch mit Entwürfen für hexagonale Schul- und Behördenbauten, Museen und auch mit hexagonal angelegter Stadtplanung.

Sabine Klug, "Das Ende des rechten Winkels - Wilhelm Ulrich und die hexagonalen Baukonzepte in der Architektur des 20. Jahrhunderts", 476 Seiten, Olms Verlag Hildesheim 2008, 98 Euro.