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Wilde Waidgenossen Wilde Waidgenossen: Honecker und andere DDR-Politiker ließen sich die Jagd viel kosten

Von Kai Agthe 28.07.2018, 16:00
Waffenbrüder: Erich Mielke, Walter Ulbricht, Erich Honecker, Günter Mittag und Leonid Breschnew (v.l.) im Jahr  1964 am Döllnsee
Waffenbrüder: Erich Mielke, Walter Ulbricht, Erich Honecker, Günter Mittag und Leonid Breschnew (v.l.) im Jahr  1964 am Döllnsee be.bra-Verlag/Bundesarchiv

Halle (Saale) - Im Jahr 1983 wurden für Erich Honecker offiziell 36 Jagdwaffen registriert. Wie so viele Zahlen in der DDR, täuschte auch diese über den wahren Sachverhalt hinweg: Denn allein in seinem Jagdhaus „Wildfang“ besaß der Staats- und Parteichef 42 Gewehre.

Dass Honecker nichts lieber tat, als in den für ihn reservierten Staatsjagdgebieten Wildtieren nachzustellen - das man ihm quasi vor die Flinte trieb -, war schon zu DDR-Zeiten hinreichend bekannt.

Neues Buch zeigt, wie viel Honnecker für das Jagen ausgab

Dass der Vorsitzende des Staatsrates der DDR und Generalsekretär des Politbüros der SED aber jedes Maß verlor, wenn es um sein Hobby ging, zeigt Helmut Suter, Leiter des Schorfheidemuseums, in dem faktenreichen und reich illustrierten Buch „Honeckers letzter Hirsch - Jagd und Macht in der DDR“.

Die Jagd ist seit Menschengedenken eine Beschäftigung der Mächtigen. Als solchen sah sich auch Honecker, bei dem zur Jagd geladene Staatsgäste sowohl aus dem östlichen als auch aus dem westlichen Ausland buchstäblich zu Waffenbrüdern wurden.

Warum aber besaß Honecker solch eine große Zahl an Jagdwaffen? Die einfache Antwort: Weil er es konnte. Im Gegensatz zu manch anderem Waidgenossen. Im Jahr 1988 gab es in der DDR 41 848 Jäger, aber rund drei Viertel (31 190) von ihnen besaßen keine eigene Waffe. Die wurden zwar in Suhl hergestellt, blieben aber Mangelware im Land, da sie im Export Devisen brachten.

Einschränkungen dieser Art kannten die Vertreter des Staatsrates und des Politbüros nicht. Ihnen wurde im In- und Ausland für die Jagd beschafft, was sie zu haben wünschten. Das betraf nicht nur Jagdwaffen, sondern galt auch für Jagdfahrzeuge.

Staatsmännisch ging es in den Wald

Bis in die 70er Jahre hinein waren die höchsten DDR-Repräsentanten mit Jeeps sowjetischer Bauart in ihren Jagdarealen unterwegs, die sich vor allem in Brandenburg und Mecklenburg befanden. Damit Honecker staatsmännischer in den Wald chauffiert werden konnte, wurden 1982 ein Range Rover und 1983 ein Mercedes-Benz-SUV für ihn gekauft.

Günter Mittag zog nach und ließ sich ebenfalls je einen Jeep der Marken Range Rover und Mercedes-Benz im Westen beschaffen. Drei weitere SUV wurden wenig später, sicher war sicher, als Reserve erworben.

Der Auftrag zum Kauf erging an Alexander Schalck-Golodkowski, der als Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo) die dafür notwendigen Divisen zu beschaffen hatte - woher, das interessierte Honecker und Co. nicht.

Teure Autos für die Jagd - kostspieleig umgebaut

Doch damit nicht genug: „Alle Fahrzeuge wurden von der Firma ,Karosseriebau Friedrich Rometsch‘ in Westberlin aufwendig nach den Wünschen von Honecker und Mittag für Jagdzwecke umgebaut. Mindestens bei einem wurde eine Verlängerung des Wagens um 60 Zentimeter vorgenommen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 1,76 Millionen DM“, schreibt Suter.

Waren das die extremsten Beispiele für das Verjubeln von Staatsmitteln? Nein. Als Hermann Axen etwa sein Jagdobjekt Klosterheide nicht mehr genügte, ließ er sich in Born auf dem Darß ein neues Domizil errichten: Auf dem Areal mit einer Gesamtgröße von 20.500 Quadratmetern hat man für Axen, der „nur“ Mitglied des SED-Politbüros war, ein Freizeitobjekt im Wert von 6,5 Millionen DDR-Mark gebaut. Die monatliche Miete für diesen Komplex betrug 271 DDR-Mark.

DDr-Führung zelebrierte Hang zur Verschwendung

Auch der wegen seiner zurückhaltenden Art bei der Bevölkerung als bescheiden geltende Willi Stoph nutzte die ihm als Vorsitzenden des Ministerrates der DDR gegebene Macht bedenkenlos aus. Der hatte, wie Honecker, Axen und natürlich auch Mielke, ein nur für ihn bestimmtes Jagdgebiet.

Das lag erst in der Schorfheide, später an der Müritz. Dort ließ sich Stoph das Jagdobjekt „Birkenheide“ errichten. Der Komplex wurde rund um die Uhr durch die Abteilung Personenschutz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bewacht.

Nach Auswertung der Quellen, die über das Anwesen existieren, kommt Suter zu dem Schluss: „Stophs Hang zur Verschwendung von westlicher Währung kannte bis zum Zusammenbruch der DDR keine Grenzen.“

1974 ließ sich der Hausherr aus Sondermitteln des MfS für 25.000 DM einen Swimmingpool im Westen kaufen. Die Instandhaltung der sechs Gewächshäuser Stophs verschlang jährlich stattliche 10.000 DM. Allein 1987 wurden für Gewächshausleuchten sowie Sämereien aus der Bundesrepublik und den Niederlanden über 60 000 DM ausgegeben.

Hinter diesen Fakten verblasst das waidmännische Tun der Staats- und Parteifürsten. Obwohl für Honecker keine konkreten Abschusszahlen vorliegen, weiß Suter: „Honecker war ein Nimrod, der nichts laufen ließ, was ihm vor das Rohr kam.“

Seinen letzten Hirsch erlegte Honecker, der am 18. Oktober 1989 vom SED-Politbüro zum Rücktritt gezwungen worden war, am 8. November 1989.

Helmut Suter: „Honeckers letzter Hirsch“, be.bra Verlag, 224 Seiten, 185 Abb., 26,80 Euro (mz)

Einer von mehreren Range Rovern, die für Honecker und Mittag 1983 in West-Berlin für Jagdzwecke umgebaut wurden
Einer von mehreren Range Rovern, die für Honecker und Mittag 1983 in West-Berlin für Jagdzwecke umgebaut wurden
be.bra-Verlag/Chr. Grundmann
Er sah sich gern als erfolgreicher Jäger: Honecker (r.) im Jahr 1975
Er sah sich gern als erfolgreicher Jäger: Honecker (r.) im Jahr 1975
dpa