Wewelsburg Wewelsburg: Spuren der Geschichte, teils verwischt
wewelsburg/MZ. - Gigantisch sollte es werden, das Ideologie-Zentrum der SS. Und natürlich für die Ewigkeit reichen, wie das ganze "Tausendjährige Reich", von dem die Nazis träumten und in dessen Namen sie gemeinsam mit ihren Gefolgsleuten unsägliche Verbrechen verübten.
Damit man die treuesten der Mittäter, zu denen zweifellos die SS gehörte, auch auf Kurs halten und immer neu einschwören konnte, bedurfte es nach Ansicht der Nazigrößen entsprechender Bauwerke, die schon äußerlich dazu angetan sein sollten, die Gefühlslage der Spießgesellen pseudomythologisch aufzuladen und in quasi-religiöse Erwartung zu versetzen.
So kam es auch dazu, dass die Quedlinburger Stiftskirche zur Weihestätte der Nazis missbraucht wurde. Auf der Suche nach einem Schloss, das sich als entsprechend eindrucksvoller Schulungs- und Kultort eignen könnte, wurde Heinrich Himmler, der "Reichsführer SS", von Gesinnungsgenossen aus Westfalen auf die Wewelsburg im damaligen Landkreis Büren aufmerksam gemacht. Himmler war offensichtlich begeistert, "die Region erschien ihm als ,Kernland Germaniens‘", wie es in dem Katalogbuch "Endzeitkämpfer. Ideologie und Terror der SS" beschrieben wird, das zu der umfangreichen Dokumentation in der Wewelsburg erschienen ist.
1934 zog die SS als Mieter in die Burg ein, die 1123 unter der Herrschaft des Grafen Friedrich von Arnsberg errichtet worden war und nicht nur wegen ihrer exponierten Lage über dem Tal der Alme, sondern auch wegen ihrer besonders trutzig wirkenden, dreieckigen Anlage Himmler wohl als besonders geeignet erschienen sein mag.
In den Folgejahren, so kann man in der modernen, anschaulichen Ausstellung oder auch bei detaillierten Führungen wie jüngst zum Tag des offenen Denkmals erfahren, wurde Stück für Stück nicht nur die Wewelsburg, sondern auch der ganze, gleichnamige Ort von der SS in Beschlag genommen.
Auf der Burg, wo die höheren SS-Führer geschult und bei Treffen noch fester an ihre Ideologie gebunden werden sollten, war unter anderem auch die Einrichtung eines Schreins geplant, in dem die für besondere "Verdienste" verliehenen Totenkopfringe höherer Dienstgrade nach deren Tode aufbewahrt werden sollten.
Zugleich gab es umfassende Pläne von Himmlers Chefarchitekten Hermann Bartels, der ab 1940 um die Wewelsburg einen gigantischen, steinernen "Kragen" legen wollte. Wäre dies umgesetzt worden, hätte es wohl das Ende des alten Dorfes Wewelsburg bedeutet.
Die Finanzierung der Anlage, die nicht ausgeführt worden ist, hätte durch Kredite gesichert werden sollen, schreiben die Autoren Wulff E. Brebeck und Kirsten John-Stucke in dem genannten Begleitband zur Ausstellung. Für die umfangreichen Bauarbeiten hatte die SS sich allerdings sogar ein eigenes Konzentrationslager in Wewelsburg eingerichtet.
Daran erinnert heute lediglich ein kleines, flächiges Mahnmal auf einer Wiese im Dorf, daneben steht ein einstöckiges steinernes Haus, die als letztes Gebäude von der NS-Geschichte des Ortes künden könnte - wenn man denn direkt darauf hingewiesen würde. Heute ist das Gebäude teils von Mietern bewohnt, teils von der Feuerwehr genutzt. Die hölzernen Häftlingsbaracken indes sind abgerissen worden, der Grundriss des Lagers ist wie andere Zeugnisse überbaut und verändert worden. Das ehemalige Torgebäude des Lagers schließlich ist zu einem Wohnhaus mutiert, das Tor gibt es nicht mehr. Und die Erinnerung bleibt über weite Strecken außen vor.
Immerhin gibt es seit 2010 die Ausstellung im ehemaligen Wachgebäude, wer will, kann sich auch umfassend informieren. Es ist gut vorstellbar, dass die Bewohner des Dorfes und der Region nach dem Untergang des NS-Staates nicht als Mittäter pauschal in Haftung genommen werden wollten - zumal ihnen unter den Bedingungen der Diktatur gegen die umfassende und rücksichtslose Übernahme von Burg und Ort durch Himmler und seine SS auch kaum Mittel an die Hand gegeben waren. Man kann sich auch denken, dass es im Dorf kein Interesse daran gibt, die Wewelsburg im Nachhinein etwa doch noch zu einer Wallfahrtsstätte für die geistigen Erben jener Leute werden zu lassen, die seinerzeit von ihrem "Tausendjährigen Reich" fantasierten und unendliches Leid über Europa brachten. Und auch Satanisten sollen dort ihr Unwesen getrieben haben. Dass man sich nicht wegducken kann und will, beweist die Ausstellung.