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Walter Jens Walter Jens: Reines Gewissen zu NSDAP-Mitgliedschaft

25.11.2003, 21:26

Berlin/Tübingen/dpa. - Der Tübinger LiteraturwissenschaftlerWalter Jens hat im Zusammenhang mit seiner jetzt entdeckten NSDAP-Mitgliedschaft «ein reines Gewissen». Er habe nichts zu verbergen undes habe für ihn auch nie einen Grund zum Vertuschen gegeben, «aberich muss ja von der eigenen Vergangenheit erst einmal etwas wissen,bevor man sich outen kann», sagte Jens am Dienstag in einem dpa-Gespräch. Ein Antrag auf Parteimitgliedschaft liege nicht vor undeine Mitgliedskarte sei ihm nie ausgehändigt worden. «Das muss einreiner Karteivorgang eines HJ-Jahrgangs gewesen sein.»

Der 80-jährige Ehrenpräsident der Berliner Akademie der Künstereagierte damit auf die Darstellung des im Dezember erscheinenden,von Christoph König herausgegebenen «InternationalenGermanistenlexikons 1800-1950» (Verlag de Gruyter, Berlin). Danachist Jens am 1. September 1942 in die NSDAP aufgenommen worden. Diesgilt den Akten zufolge unter anderem auch für die Germanisten PeterWapnewski und Walter Höllerer.

«Ich war kein Widerstandskämpfer, ich war in der Hitler-Jugend,ich war 19», sagte Jens jetzt dazu. Wenn er damals als Jugendlichereinen Fehler gemacht haben sollte, dann habe er ihn «weiß Gott wiedergut gemacht». Er denke nicht daran, sich nach über 60 Jahren einem«Spruchkammer-Verfahren» zu stellen. Er werde jedoch alles tun, um zubeweisen, dass es seinerzeit die Überführung von ganzen Jahrgängender Hitler-Jugend und anderer Organisationen oder Teilen von ihnengegeben habe, wofür es eine Reihe von Zeugen gebe. «Davon habenhöchsten die Eliten der HJ etwas erfahren.»

Irgend einen Grund zu Vertuschen habe er nicht, betonte Jens. «Daswar nach bestem Wissen und Gewissen bis zum Erweis des Gegenteils einreiner Karteivorgang. Ich hatte und habe ein reines Gewissen. Aberniemand kann Irrtümer ausschließen, dass zum Beispiel auf einergroßen Versammlung damals ein "Generalwisch" unterschrieben wurde.»Er habe auch nie einen Mitgliedsbeitrag gezahlt. «Ich war wohl, wieWapnewski sagt, ein unwissender Parteigenosse. Auch damit muss mansich selbst konfrontieren, wenn man es im Nachhinein erfährt.Natürlich denkt man jetzt über seine eigene Vergangenheit viel nach,ohne dass ich irgendetwas zu korrigieren hätte.»