Jörg Schüttauf "Vorwärts immer!" im Kino: Jörg Schüttauf spielt Erich Honecker

Halle (Saale) - Als der Anruf kam, in dessen Verlauf der Schauspieler Jörg Schüttauf gefragt wurde, ob er sich vorstellen könne, Erich Honecker, das ehemalige Staatsoberhaupt der DDR, zu spielen, war er überrascht. Natürlich hatte er seine Zweifel, den stets mit brüchiger Stimme nuschelnden Honecker überzeugend darstellen zu können - und war zugleich doch glücklich, ein solches Angebot zu bekommen. So etwas, sagt der gebürtige Chemnitzer vor dem Filmstart der Komödie „Vorwärts immer!“ am 12. Oktober, komme nicht allzu oft vor.
Voraussetzung, um diese Rolle spielen zu können, war, dass Schüttauf sich dafür eine Glatze rasieren ließ, was für ihn aber kein Problem war: „Ich wollte auch mal anders aussehen.“
In „Vorwärts immer!“ von Franziska Meletzky verkörpert Jörg Schüttauf den Theaterschauspieler Otto Wolf, der in der DDR kurz vor der Wende für ein geheimes regimekritisches Stück probt - und dem echten Staatsratsvorsitzenden tatsächlich verblüffend ähnlich sieht. Als es um das Schicksal seiner schwangeren Tochter Anne geht, gespielt von Josefine Preuß, wächst er über sich hinaus: Als falscher Honecker schleust er sich ins SED-Zentralkomitee ein, um das Leben seiner Tochter zu retten.
Jörg Schüttauf: Bühnendebüt mit sechs Jahren
„Es hat großen Spaß gemacht“, sagt Schüttauf über seine Doppelrolle. Erstaunt war der 55-Jährige über sich selber, dass er die Stimme Honeckers imitieren konnte.
Was ihn immer noch freut ist die Freiheit, die Regisseurin Franziska Meletzky („Stromberg“) ihren Darstellern gewährte. Gekrönt wurde diese erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Filmpreis, den die Regisseurin und ihr Hauptdarsteller für die Komödie erhielten.
Mit sechs Jahren stand der Blondschopf mit den strahlendblauen Augen zum ersten Mal im damaligen Karl-Marx-Stadt auf der Bühne des Pioniertheaters. Am Opernhaus in seiner Heimatstadt lernte er nach der Schule den Beruf des Bühnentechnikers. Nach dem obligatorischen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee folgte ein Schauspielstudium er an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig, das er 1986 mit dem Diplom abschloss.
Schüttauf spielte von 1994 bis 1997 in „Der Fahnder“ mit
Zunächst führte es ihn an das Hans-Otto-Theater in Potsdam. Sein großer Traum, am Deutschen Theater in Berlin ein Engagement zu erhalten, war greifbar nahe – doch dann kam die Wende. Schüttauf, der 1985 in der Kumpelkomödie „Ete und Ali“ sein Kinodebüt gegeben hatte, konnte zwar einen Vorvertrag vorweisen, aber der besaß keine Gültigkeit mehr. Es begann eine Umstrukturierung in der ehemaligen DDR, die auch vor den Theatern nicht halt machte. Mit der familiären Atmosphäre war es vorbei und der junge Schauspieler musste sich neu orientieren.
Es boten sich neue Möglichkeiten. Da er ohne feste Anstellung war, ging Schüttauf zu Castings, eines führte ihn nach München. Die Rolle, die zu besetzen war, wollte er eigentlich gar nicht haben - und das sei immer die beste Voraussetzung, sie zu bekommen, sagt er: Von 1994 bis 1997 war er somit „Der Fahnder“ in der gleichnamigen ARD-Vorabendserie. Im „Tatort“ aus Frankfurt am Main ermittelte er von 2001 bis 2010 an der Seite von Andrea Sawatzki.
Befragt nach seinem Leben in der DDR sagt Schüttauf: „Mir ging es gut in der DDR.“ Wie jeder andere Künstler wäre auch er gern zu einem Gastspiel in den Westen gereist. Nicht um dort zu bleiben, sondern einfach nur, um zu schauen. Einen Grund für eine Flucht gab es für den quirligen Schauspieler nicht. Den 9. November 1989, dem Tag der Grenzöffnung, beschreibt er mit: „Es war unfassbar.“ Es gibt übrigens eine kleine Parallele zwischen seiner Rolle in „Vorwärts immer!“ und seinem Leben in der DDR. Mit „Der Revisor“ von Nikolai Gogol, in dem Schüttauf die Hauptrolle spielte, kam kurz vor der Wende eine regimekritische Inszenierung auf die Bühne des Potsdamer Hans-Otto-Theaters, die aber nach der Premiere umgehend vom Spielplan verschwand.
Der improvisierte Hase
Als 1990 der Defa-Film „Die Architekten“ in die Kinos der noch existierenden DDR kam, war es für den systemkritischen Streifen bereits zu spät, was der Schauspieler bedauert. Im Strudel der Wende ging er an der Kinokasse unter, erinnert sich Schüttauf.
Bei den Dreharbeiten zu „Vorwärts immer!“ entstanden aus der Spielfreude heraus auch Sätze, die nicht im Drehbuch standen. Eine Szene zeigt Honecker als Schüttauf, der von der Jagd kommt und an der Garderobe seine Sachen ablegt: „Margot, wir haben einen Hasen überfahren.“
„Vorwärts immer!“ startet am 12. Oktober in den Kinos. (mz)