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Vor 100 Jahren wurde Jurij Brezan geboren Vor 100 Jahren wurde Jurij Brezan geboren: Geschäftiger Sohn der Lausitzer Erde

Von Christian Eger 07.06.2016, 15:27
Jurij Brezan 2001 im MZ-Gespräch in Horni Hajnk
Jurij Brezan 2001 im MZ-Gespräch in Horni Hajnk Lutz Winkler

Halle (Saale) - Jurij Brezan war der populärste sorbische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Und einer der auflagenstärksten Autoren der DDR. Ohne letzteres wäre er das erste nicht gewesen; aber zu Millionenauflagen kam man im Osten nicht allein mit natürlichen Mitteln. Im Westen wurden die Werke des Mannes, der von 1969 bis 1989 einer der Vize-Chefs des DDR-Schriftstellerbandes war - also erst der Stellvertreter der Seghers, dann von Hermann Kant - nicht ernsthaft verlegt, das aber nicht aus politischen Gründen. Man interessierte sich schlicht nicht für das durch die SED-Brille gefilterte Sorbische, die Kultur der kleinen slawischen Minderheit in der DDR.

Nur noch Heimatliteratur?

Also nicht für die biografische Felix-Hanusch-Trilogie oder die „Krabat“-Bücher (nicht zu verwechseln mit Otfried Preußlers gleichnamigem Jugendbuch!). Nicht für Verse wie „Mächtigster slawischer Völker / kleinster Verwandter sind wir, / Söhne der Lausitzer Erde, / Söhne des sorbischen Volks.“ Generationen sorbischer Schüler mussten die 1951 im Staatsauftrag gefertigten Brezan-Verse auswendig lernen. Aber auch im Osten ist der Autor vergessen. Sein tatsächlich lesenswertes Buch „Mein Stück Zeit“ ist nicht lieferbar. Brezan-Titel gibt es als Heimatliteratur, die er nie schreiben wollte, im Domowina-Verlag.

Dort ist jetzt die von dem Sorben Dietrich Scholze verfasste erste Biografie des Autors erschienen, der 2006 mit 89 Jahren gestorben war und am Donnerstag 100 Jahre alt geworden wäre. Nur wird das Buch dem Mann nicht gerecht, der einerseits eine ungeklärte Vergangenheit besaß (eine bis heute „sonderbare“ Haft 1938/1939), andererseits nach 1946 ehrpusselig und schamlos auf den privaten Vorteil versessen der SED-Führung hinterherdienerte, aber am Ende trotzdem von dem großen Autorenkollegen Peter Handke verehrt wurde.

Verwirrende Biografie

Daraus macht Scholze wenig, der Brezans Leben in einer hilflos buchhalterischen, teilweise sinnlos akribischen Darstellung auswalzt. Autobiografische Aussagen werden als Quellen genommen. Ereignisse nicht gegenrecherchiert. Ein Buch, aus dem man verwirrter herauskommt als man hineinging.

Wie nebenbei dokumentiert sind Brezans notorische Beschwerden über ausstehende Auto-Lieferungen, eingeforderte Devisen für Westreisen (die aber kaum da waren, weil mit Brezan ja keine Westgeschäfte gemacht wurden) und der direkte Draht zum Kulturchef Hager im sogenannten Politbüro.

Deutlich zeigt die Lektüre, dass Brezan vielen Leuten stets sehr verschiedenes über sich erzählte. Durchaus trickreich. Das ging leicht durch: Bei Bedarf zog er die Minderheitenkarte als Sorbe. Ein Ticket zum Nachruhm ist das nicht. (mz)

Scholze: Jurij Brezan. Leben und Werk. Domowina, 296 S., 19,90 Euro

„Der Mann in den Birken“: Brezan-Porträt, Freitag, 23.05 Uhr, MDR