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DDR-Geschichte "Verschwundene Orte der DDR" bei Amazon

Von Kai Agthe 15.11.2017, 09:00
Hinter Gardinen: Intershop-Filiale in Ost-Berlin 1977
Hinter Gardinen: Intershop-Filiale in Ost-Berlin 1977 picture-alliance/ dpa

Halle (Saale) - Auch was aus Ruinen aufersteht, irgendwann zugrunde geht. So ließe sich der Inhalt jenes Bildbandes auf einen faustisch-kurzen Nenner bringen, der im Berliner Verlag Bild und Heimat erschienen ist und „Verschwundene Orte der DDR“ (hier bei Amazon kaufen) in historischen Aufnahmen vorstellt.

Geordnet nach Berlin und den ostdeutschen Bundesländern (man hätte die Örtlichkeiten auch nach den ehemaligen DDR-Bezirken einteilen können), werden hier vor allem Immobilien vorgestellt, die, zu DDR-Zeiten entstanden, nach 1989 aus städtebaulichen oder politischen Erwägungen - wie etwa bei Denkmälern - entfernt wurden.

Ob Verkaufsstelle, Kulturhaus oder Großbetrieb: „An sie sind Erinnerungen, das Gefühl der Geborgenheit und Lebensglück geknüpft“, schreibt Daniela Grosch im Vorwort. Doch so Manches ist aus gutem Grund verschwunden: die Berliner Mauer, Militärübungsplätze oder die Intershops. Stellvertretend für letztere ist eine Filiale in Berlin zu sehen, die ihr Angebot hinter einer Gardine und Grünpflanze versteckt.

Erinnerungen an Intershop und Erichs Lampenladen

Apropos Intershop: Das wohl einzige Geschäft, in dem es ausschließlich Westprodukte für DDR-Mark gab, dürfte in der Waldsiedlung Wandlitz gestanden haben, wo die Mitglieder des SED-Politbüros ein von der DDR-Wirklichkeit hermetisch abgeschirmtes Leben führten.

Eines der prominentesten Beispiele getilgter Architektur ist der seinerzeit als „Erichs Lampenladen“ bezeichnete Palast der Republik in Berlin. Das 1976 eröffnete Multifunktionsgebäude wurde auf dem Areal des ehemaligen Hohenzollern-Stadtschlosses als erster freitragender Stahlskelett-Bau der DDR errichtet.

In der markanten Architektur mit der braunverspiegelten Fensterfront war mit der Volkskammer das scheindemokratische Parlament der DDR ebenso zu Hause wie die beliebte Samstagsabendshow „Ein Kessel Buntes“. Ab 1990 wegen der Emission von krebserregenden Asbestfasern geschlossen, wurde das seither „Ballast der Republik“ bezeichnete Bauwerk gut zehn Jahren abgerissen. An seiner Stelle hat nun die als „Humboldt Forum“ betitelte Replik des Stadtschlosses Gestalt angenommen.

Palasthotel in Berlin abgerissen

Aus Berlins Mitte verschwanden auch das ehemalige Außenministerium der DDR, das Hotel Unter den Linden sowie das Palasthotel. In den 600 Zimmern und 40 Suiten des letztgenannten Gebäudes durften bis 1989 nur mit Devisen zahlende Gäste Quartier nehmen. Wie aus dem Begleittext von Daniela Grosch zu erfahren ist, hatte auch Alexander Schalck-Golodkowski (1932-2015), der oberste Devisenbeschaffer der DDR, im 1992 geschlossenen und 2001 abgerissenen Palasthotel ein Büro.

Ein Dauerdomizil ganz spezieller Art war die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der DDR. Das nach seiner Fassadengestaltung und seiner politischen Bedeutung von DDR-Bürgern „Weißes Haus“ genannte Bauwerk in der Chausseestraße - in dem ab 1974 Günter Gaus als erster Ständiger Vertreter residierte - ist heute Sitz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Auf einem Foto von 1977 sind zwei Volkspolizisten direkt vor dem Eingang der Vertretung postiert und ein VP-Streifenwagen auf der gegenüberliegenden Straßenseite - um zu verhindern, dass Ausreisewillige in die Vertretung flüchten. Neben Architekturen mussten nach 1989/90 auch diverse Denkmäler weichen.

So etwa die Lenin-Monumente in Berlin und Dresden und 2003 auch „Die Fäuste“ in Halle, die eigentlich den Titel „Monument der revolutionären Arbeiterbewegung“ trugen. Jenes Ensemble aus vier zwölf Meter hohen Betonhänden, das zum 50. Jahrestag der Märzkämpfe in Mitteldeutschland 1971 auf dem damaligen Ernst-Thälmann- und heutigen Riebeck-Platz errichtet wurde und wegen der martialischen Geste bedrohlich wirkte.

FDGB-Urlauberschiff Fritz Heckert

Zwischen all den Immobilien von Arkona bis Zwickau wird auch an zwei Mobile erinnert. Im Kapitel zu Mecklenburg-Vorpommern finden sich Bilder zu den ehemaligen FDGB-Urlauberschiffen „Fritz Heckert“ und „Völkerfreundschaft“. Die „Fritz Heckert“ war das einzige in der DDR für die DDR gefertigte Kreuzfahrtschiff, aber nur elf Jahre im Einsatz, diente ab 1972 als Arbeiterwohnschiff für die Volkswerft Stralsund und, was aus dem Text nicht hervorgeht, ab 1986 in gleicher Funktion für das Kernkraftwerk Lubmin bei Greifswald.

Dass die „Fritz Heckert“ nur ein Jahrzehnt unterwegs war, könnte mit den fehlenden Stabilisatoren erklärt werden, auf die man aus Kostengründen verzichtet hatte. Was bedeutet, dass das Rollen des Schiffes - die Drehbewegung um die Längsachse auch bei leicht bewegter See - nicht ausgeglichen werden konnte, so dass überproportional viele Passagiere seekrank wurden. All das hätte man hier erzählen können.

Auch wenn „Verschwundene Orte der DDR“ zuerst ein Bilderbuch ist, das Vergangenes vergegenwärtigen soll, wäre es sinnvoll gewesen, den Fotos mehr beizufügen als wenige Zeilen umfassende Texte, die nur sehr verknappte Informationen bieten.

Verschwundene Orte der DDR“. Mit Texten von Daniela Grosch, Verlag Bild und Heimat, 127 Seiten, 12,99 Euro (mz)