USA USA: Philosoph Richard Rorty mit 75 Jahren gestorben
New York/dpa. - Gleichwohl galtder gebürtige New Yorker als einer der wichtigsten, witzigsten undeinflussreichsten zeitgenössischen Denker. Am vergangenen Freitag ister mit 75 Jahren in seinem Haus auf dem Campus der kalifornischenStanford-Universität an Krebs gestorben. Die Universität nannte ihnauf ihrer Internetseite einen vorbildlichen Bürger: «Er hatte sowohlals Hochschullehrer wie als Autor eine unglaublich fesselndePräsenz.»
Zu Rortys wichtigsten Arbeiten gehörte das 1979 erschienene Buch«Der Spiegel der Natur», eine Generalabrechnung mit der gesamtenErkenntnisphilosophie. Die weit verbreitete Meinung, dass diePhilosophie vor allem herausfinden müsse, was der Mensch wissen undnicht wissen kann, sei Unsinn, befand der Autor. Die Menschen solltensich lieber darauf konzentrieren, wie sie mit dem täglichen Lebenzurecht kommen und nicht darauf, was sie durch Theoretisierenherausfinden. Die Philosophie sei kein «Spiegel» derNaturwissenschaften.
Auch das brillant geschriebene Buch «Kontingenz, Ironie undSolidarität» (1989) sorgte für Aufsehen. Rorty geht darin der Fragenach, wie sich die Selbstbestimmtheit des Einzelnen in einer aufGerechtigkeit ausgerichteten Gesellschaft umsetzen lässt. «Ichglaube», sagte der Autor in einem Zeitungsinterview, «dass traurigeGeschichten über konkretes Leiden gewöhnlich der bessere Weg sind,damit Leute ihr Verhalten ändern, als universale Regeln zu zitieren.»
Mit diesem Ansatz avancierte Rorty zum führenden Vertreter desamerikanischen Neopragmatismus. Immer wieder sorgte er durchselbstironische und provokante Texte für Diskussionen. In derFachwelt galt er gemeinsam mit Jacques Derrida und Jürgen Habermasals wichtiger Vordenker. Gleichwohl hatte er Kritiker von rechts wievon links. Viele warfen ihm vor, nur der Wohlstandsgesellschaft à laAmerika zu huldigen und keine neuen Visionen für die Gesellschaft derZukunft zu wagen.
Allerdings überraschte der Anti-Philosoph seine Kritiker, als ersich in den vergangenen Jahren zunehmend auch in die Politikeinschaltete. So rief er 1997 die Hochschulen in einem Essay dazuauf, zu einer linken Politik zurückzukehren, «die sich imwesentlichen darum kümmert, die Reichen daran zu hindern, die übrigeBevölkerung auszunehmen.» Zuletzt verurteilte Rorty scharf den US-Einmarsch im Irak und forderte Europa auf, die Rolle eines«Weltpolizisten» zu übernehmen. Die USA seien moralisch nicht in derLage, diese Aufgabe zu erfüllen.
Am 4. Oktober 1931 als Sohn einer Journalistenfamilie in New Yorkgeboren, hatte Rorty schon früh den Weg in die Wissenschafteingeschlagen. Bereits mit 15 studierte er an die Universität vonChicago, seine Promotion legte er an der renommierten Yale-Universität ab. Nachdem er zunächst an der Eliteuniversität Princetoneinen Lehrstuhl für Philosophie angenommen hatte, akzeptierte er seit1982 konsequent nur noch Lehrstühle für Philologie oder vergleichendeLiteraturwissenschaft. 1998 emeritierte er, behielt aber Lehraufträgean seiner «Hausuniversität» Stanford im kalifornischen Palo Alto.Dort starb er nach Angaben seiner Familie anBauchspeicheldrüsenkrebs. Rorty hinterlässt eine Frau und dreierwachsene Kinder.